Er hatte sich zwar aus dem Staube gemacht, wurde aber bald eingeholt und in ein festes Gefängniß geworfen. Da saß er nun in Ketten und Ban- den und über der eiligen Flucht war sein Bestes stehn geblieben, das blaue Licht und das Gold und ihm nichts übrig als ein Dukaten. Wie er nun so traurig an dem Fenster seines Gefängnisses stand, sah er einen Cammeraden vorbeigehen, den rief er an und sprach; "wenn du mir das kleine Bündelchen holst, das ich im Gasthause habe lie- gen lassen, geb' ich dir einen Dukaten;" da ging der hin und brachte ihm für den Dukaten das blaue Licht und das Gold. Der Gefangene steckte alsbald seine Pfeife an und ließ das schwarze Männchen kommen, das sprach zu ihm: "sey ohne Furcht, geh' getrost zum Gericht und laß alles geschehen, nur nimm das blaue Licht mit." Dar- auf ward er verhört und ihm das Urtheil gespro- chen, daß er sollte an den Galgen gehängt wer- den. Wie er hinaus geführt wurde bat er den König um eine Gnade. "Was für eine? sprach der. "Daß ich noch eine Pfeife auf dem Weg rauchen darf." "Du kannst drei rauchen, wenn du willst," sagte der König. Da zog er seine Pfeife heraus und zündete sie an dem blauen Flämmchen an, alsbald trat das schwarze Männ- chen vor ihn; "schlag mir da alles todt, sprach der Soldat, und den König in drei Stücke." Also fing das Männchen an und schlug die Leute rings
Er hatte ſich zwar aus dem Staube gemacht, wurde aber bald eingeholt und in ein feſtes Gefaͤngniß geworfen. Da ſaß er nun in Ketten und Ban- den und uͤber der eiligen Flucht war ſein Beſtes ſtehn geblieben, das blaue Licht und das Gold und ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten. Wie er nun ſo traurig an dem Fenſter ſeines Gefaͤngniſſes ſtand, ſah er einen Cammeraden vorbeigehen, den rief er an und ſprach; „wenn du mir das kleine Buͤndelchen holſt, das ich im Gaſthauſe habe lie- gen laſſen, geb’ ich dir einen Dukaten;“ da ging der hin und brachte ihm fuͤr den Dukaten das blaue Licht und das Gold. Der Gefangene ſteckte alsbald ſeine Pfeife an und ließ das ſchwarze Maͤnnchen kommen, das ſprach zu ihm: „ſey ohne Furcht, geh’ getroſt zum Gericht und laß alles geſchehen, nur nimm das blaue Licht mit.“ Dar- auf ward er verhoͤrt und ihm das Urtheil geſpro- chen, daß er ſollte an den Galgen gehaͤngt wer- den. Wie er hinaus gefuͤhrt wurde bat er den Koͤnig um eine Gnade. „Was fuͤr eine? ſprach der. „Daß ich noch eine Pfeife auf dem Weg rauchen darf.“ „Du kannſt drei rauchen, wenn du willſt,“ ſagte der Koͤnig. Da zog er ſeine Pfeife heraus und zuͤndete ſie an dem blauen Flaͤmmchen an, alsbald trat das ſchwarze Maͤnn- chen vor ihn; „ſchlag mir da alles todt, ſprach der Soldat, und den Koͤnig in drei Stuͤcke.“ Alſo fing das Maͤnnchen an und ſchlug die Leute rings
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0192"n="171"/>
Er hatte ſich zwar aus dem Staube gemacht, wurde<lb/>
aber bald eingeholt und in ein feſtes Gefaͤngniß<lb/>
geworfen. Da ſaß er nun in Ketten und Ban-<lb/>
den und uͤber der eiligen Flucht war ſein Beſtes<lb/>ſtehn geblieben, das blaue Licht und das Gold<lb/>
und ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten. Wie er<lb/>
nun ſo traurig an dem Fenſter ſeines Gefaͤngniſſes<lb/>ſtand, ſah er einen Cammeraden vorbeigehen, den<lb/>
rief er an und ſprach; „wenn du mir das kleine<lb/>
Buͤndelchen holſt, das ich im Gaſthauſe habe lie-<lb/>
gen laſſen, geb’ ich dir einen Dukaten;“ da ging<lb/>
der hin und brachte ihm fuͤr den Dukaten das<lb/>
blaue Licht und das Gold. Der Gefangene ſteckte<lb/>
alsbald ſeine Pfeife an und ließ das ſchwarze<lb/>
Maͤnnchen kommen, das ſprach zu ihm: „ſey ohne<lb/>
Furcht, geh’ getroſt zum Gericht und laß alles<lb/>
geſchehen, nur nimm das blaue Licht mit.“ Dar-<lb/>
auf ward er verhoͤrt und ihm das Urtheil geſpro-<lb/>
chen, daß er ſollte an den Galgen gehaͤngt wer-<lb/>
den. Wie er hinaus gefuͤhrt wurde bat er den<lb/>
Koͤnig um eine Gnade. „Was fuͤr eine? ſprach<lb/>
der. „Daß ich noch eine Pfeife auf dem Weg<lb/>
rauchen darf.“„Du kannſt drei rauchen, wenn<lb/>
du willſt,“ſagte der Koͤnig. Da zog er ſeine<lb/>
Pfeife heraus und zuͤndete ſie an dem blauen<lb/>
Flaͤmmchen an, alsbald trat das ſchwarze Maͤnn-<lb/>
chen vor ihn; „ſchlag mir da alles todt, ſprach der<lb/>
Soldat, und den Koͤnig in drei Stuͤcke.“ Alſo<lb/>
fing das Maͤnnchen an und ſchlug die Leute rings<lb/></p></div></body></text></TEI>
[171/0192]
Er hatte ſich zwar aus dem Staube gemacht, wurde
aber bald eingeholt und in ein feſtes Gefaͤngniß
geworfen. Da ſaß er nun in Ketten und Ban-
den und uͤber der eiligen Flucht war ſein Beſtes
ſtehn geblieben, das blaue Licht und das Gold
und ihm nichts uͤbrig als ein Dukaten. Wie er
nun ſo traurig an dem Fenſter ſeines Gefaͤngniſſes
ſtand, ſah er einen Cammeraden vorbeigehen, den
rief er an und ſprach; „wenn du mir das kleine
Buͤndelchen holſt, das ich im Gaſthauſe habe lie-
gen laſſen, geb’ ich dir einen Dukaten;“ da ging
der hin und brachte ihm fuͤr den Dukaten das
blaue Licht und das Gold. Der Gefangene ſteckte
alsbald ſeine Pfeife an und ließ das ſchwarze
Maͤnnchen kommen, das ſprach zu ihm: „ſey ohne
Furcht, geh’ getroſt zum Gericht und laß alles
geſchehen, nur nimm das blaue Licht mit.“ Dar-
auf ward er verhoͤrt und ihm das Urtheil geſpro-
chen, daß er ſollte an den Galgen gehaͤngt wer-
den. Wie er hinaus gefuͤhrt wurde bat er den
Koͤnig um eine Gnade. „Was fuͤr eine? ſprach
der. „Daß ich noch eine Pfeife auf dem Weg
rauchen darf.“ „Du kannſt drei rauchen, wenn
du willſt,“ ſagte der Koͤnig. Da zog er ſeine
Pfeife heraus und zuͤndete ſie an dem blauen
Flaͤmmchen an, alsbald trat das ſchwarze Maͤnn-
chen vor ihn; „ſchlag mir da alles todt, ſprach der
Soldat, und den Koͤnig in drei Stuͤcke.“ Alſo
fing das Maͤnnchen an und ſchlug die Leute rings
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 171. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/192>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.