Nacht hier bleiben." Sie wollte nicht, endlich gab sie's zu, doch sollt' er ihr andern Tags ein Fuder Holz klein spalten. Der Soldat hackte den zweiten Tag das Holz und hatte sich Abends so abgearbeitet, daß er wieder nicht fort konnte, also bat er um die dritte Nacht; dafür sollte er aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem Brunnen holen. Da führte ihn die Hexe an einen Brunnen und band ihn an ein lang Seil, daran ließ sie ihn hinab; und als er unten war, fand er das blaue Licht und machte das Zeichen, daß sie ihn wieder hinaufziehen sollte. Sie zog ihn auch in die Höhe, wie er aber am Rand war, so nah, daß man sich die Hände reichen konnte, wollte sie das Licht haben, um ihn dann wieder hinunter fallen zu lassen. Aber er merkte ihre bösen Gedanken und sagte: "nein, ehe geb ich das blaue Licht nicht, als bis ich mit meinen Fü- ßen auf dem Erdboden stehe." Da erboßte die Hexe und stieß ihn mit sammt dem Licht hinunter in den Brunnen und ging fort. Der Soldat unten in dem dunkeln, feuchten Morast war traurig, denn ihm stand sein Ende bevor, da fiel ihm seine Pfeife in die Hand, die war noch halb voll, und er dachte: die willst du zum letzten Ver- gnügen doch noch ausrauchen. Also steckte er sie an dem blauen Licht an und fing an zu rauchen; als der Dampf ein wenig herumzog, so kam ein klein schwarz Männlein daher und fragte: "Herr,
Nacht hier bleiben.“ Sie wollte nicht, endlich gab ſie’s zu, doch ſollt’ er ihr andern Tags ein Fuder Holz klein ſpalten. Der Soldat hackte den zweiten Tag das Holz und hatte ſich Abends ſo abgearbeitet, daß er wieder nicht fort konnte, alſo bat er um die dritte Nacht; dafuͤr ſollte er aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem Brunnen holen. Da fuͤhrte ihn die Hexe an einen Brunnen und band ihn an ein lang Seil, daran ließ ſie ihn hinab; und als er unten war, fand er das blaue Licht und machte das Zeichen, daß ſie ihn wieder hinaufziehen ſollte. Sie zog ihn auch in die Hoͤhe, wie er aber am Rand war, ſo nah, daß man ſich die Haͤnde reichen konnte, wollte ſie das Licht haben, um ihn dann wieder hinunter fallen zu laſſen. Aber er merkte ihre boͤſen Gedanken und ſagte: „nein, ehe geb ich das blaue Licht nicht, als bis ich mit meinen Fuͤ- ßen auf dem Erdboden ſtehe.“ Da erboßte die Hexe und ſtieß ihn mit ſammt dem Licht hinunter in den Brunnen und ging fort. Der Soldat unten in dem dunkeln, feuchten Moraſt war traurig, denn ihm ſtand ſein Ende bevor, da fiel ihm ſeine Pfeife in die Hand, die war noch halb voll, und er dachte: die willſt du zum letzten Ver- gnuͤgen doch noch ausrauchen. Alſo ſteckte er ſie an dem blauen Licht an und fing an zu rauchen; als der Dampf ein wenig herumzog, ſo kam ein klein ſchwarz Maͤnnlein daher und fragte: „Herr,
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Nacht hier bleiben.“ Sie wollte nicht, endlich
gab ſie’s zu, doch ſollt’ er ihr andern Tags ein
Fuder Holz klein ſpalten. Der Soldat hackte
den zweiten Tag das Holz und hatte ſich Abends
ſo abgearbeitet, daß er wieder nicht fort konnte,
alſo bat er um die dritte Nacht; dafuͤr ſollte er
aber den folgenden Tag das blaue Licht aus dem
Brunnen holen. Da fuͤhrte ihn die Hexe an
einen Brunnen und band ihn an ein lang Seil,
daran ließ ſie ihn hinab; und als er unten war,
fand er das blaue Licht und machte das Zeichen,
daß ſie ihn wieder hinaufziehen ſollte. Sie zog
ihn auch in die Hoͤhe, wie er aber am Rand war,
ſo nah, daß man ſich die Haͤnde reichen konnte,
wollte ſie das Licht haben, um ihn dann wieder
hinunter fallen zu laſſen. Aber er merkte ihre
boͤſen Gedanken und ſagte: „nein, ehe geb ich
das blaue Licht nicht, als bis ich mit meinen Fuͤ-
ßen auf dem Erdboden ſtehe.“ Da erboßte die
Hexe und ſtieß ihn mit ſammt dem Licht hinunter
in den Brunnen und ging fort. Der Soldat
unten in dem dunkeln, feuchten Moraſt war
traurig, denn ihm ſtand ſein Ende bevor, da fiel
ihm ſeine Pfeife in die Hand, die war noch halb
voll, und er dachte: die willſt du zum letzten Ver-
gnuͤgen doch noch ausrauchen. Alſo ſteckte er ſie
an dem blauen Licht an und fing an zu rauchen;
als der Dampf ein wenig herumzog, ſo kam ein
klein ſchwarz Maͤnnlein daher und fragte: „Herr,
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/189>, abgerufen am 18.12.2024.
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