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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815.

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tuch um, von Seide mit Gold ausgestickt, auf
der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der
linken ihren Namen, alles mit goldenen Buchsta-
ben. Da nahm der Jäger eine Scheere und
schnitt den rechten Schlippen ab und stopfte ihn
in seinen Ranzen und dann nahm er auch den
rechten Pantoffel mit des Königs Namen, und
steckte ihn hinein. Nun lag die Prinzessin noch
immer und schlief und sie war ganz in ihr Hemd
eingenäht, da schnitt er auch ein Stückchen von
dem Hemd ab und steckte es zu dem andern; doch
that er das alles ohne sie anzurühren. Dann
ging er wieder fort und ließ sie schlafen und als
er hinkam, wo die Riesen lagen, schnitt er allen
dreien die Zungen aus den Köpfen und steckte sie
auch in den Ranzen; damit wollt' er heim gehen
und es seinem Vater zeigen.

Der König in dem Schloß aber, als er auf-
wachte, sah drei Riesen da todt liegen; ging in
die Schlafkammer der Prinzessin, weckte sie auf
und fragte, wer das wohl gewesen, der die Riesen
ums Leben gebracht. Da sagte sie: "lieber Va-
ter, ich weiß es nicht, ich habe geschlafen." Wie
sie nun aufstand und ihre Pantoffel anziehen
wollte, da war der rechte weg und wie sie ihr
Halstuch betrachtete, war es durchschnitten und
fehlte der rechte Schlippen, und wie sie ihr Hemd
ansah, war ein Stückchen heraus. Der König
ließ den ganzen Hof zusammen kommen, Solda-

tuch um, von Seide mit Gold ausgeſtickt, auf
der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der
linken ihren Namen, alles mit goldenen Buchſta-
ben. Da nahm der Jaͤger eine Scheere und
ſchnitt den rechten Schlippen ab und ſtopfte ihn
in ſeinen Ranzen und dann nahm er auch den
rechten Pantoffel mit des Koͤnigs Namen, und
ſteckte ihn hinein. Nun lag die Prinzeſſin noch
immer und ſchlief und ſie war ganz in ihr Hemd
eingenaͤht, da ſchnitt er auch ein Stuͤckchen von
dem Hemd ab und ſteckte es zu dem andern; doch
that er das alles ohne ſie anzuruͤhren. Dann
ging er wieder fort und ließ ſie ſchlafen und als
er hinkam, wo die Rieſen lagen, ſchnitt er allen
dreien die Zungen aus den Koͤpfen und ſteckte ſie
auch in den Ranzen; damit wollt’ er heim gehen
und es ſeinem Vater zeigen.

Der Koͤnig in dem Schloß aber, als er auf-
wachte, ſah drei Rieſen da todt liegen; ging in
die Schlafkammer der Prinzeſſin, weckte ſie auf
und fragte, wer das wohl geweſen, der die Rieſen
ums Leben gebracht. Da ſagte ſie: „lieber Va-
ter, ich weiß es nicht, ich habe geſchlafen.“ Wie
ſie nun aufſtand und ihre Pantoffel anziehen
wollte, da war der rechte weg und wie ſie ihr
Halstuch betrachtete, war es durchſchnitten und
fehlte der rechte Schlippen, und wie ſie ihr Hemd
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[142/0163] tuch um, von Seide mit Gold ausgeſtickt, auf der rechten Seite ihres Vaters Name, auf der linken ihren Namen, alles mit goldenen Buchſta- ben. Da nahm der Jaͤger eine Scheere und ſchnitt den rechten Schlippen ab und ſtopfte ihn in ſeinen Ranzen und dann nahm er auch den rechten Pantoffel mit des Koͤnigs Namen, und ſteckte ihn hinein. Nun lag die Prinzeſſin noch immer und ſchlief und ſie war ganz in ihr Hemd eingenaͤht, da ſchnitt er auch ein Stuͤckchen von dem Hemd ab und ſteckte es zu dem andern; doch that er das alles ohne ſie anzuruͤhren. Dann ging er wieder fort und ließ ſie ſchlafen und als er hinkam, wo die Rieſen lagen, ſchnitt er allen dreien die Zungen aus den Koͤpfen und ſteckte ſie auch in den Ranzen; damit wollt’ er heim gehen und es ſeinem Vater zeigen. Der Koͤnig in dem Schloß aber, als er auf- wachte, ſah drei Rieſen da todt liegen; ging in die Schlafkammer der Prinzeſſin, weckte ſie auf und fragte, wer das wohl geweſen, der die Rieſen ums Leben gebracht. Da ſagte ſie: „lieber Va- ter, ich weiß es nicht, ich habe geſchlafen.“ Wie ſie nun aufſtand und ihre Pantoffel anziehen wollte, da war der rechte weg und wie ſie ihr Halstuch betrachtete, war es durchſchnitten und fehlte der rechte Schlippen, und wie ſie ihr Hemd anſah, war ein Stuͤckchen heraus. Der Koͤnig ließ den ganzen Hof zuſammen kommen, Solda-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/163>, abgerufen am 13.05.2024.