"Das wär' mir gelegen," sagte die Prinzessin und lief fort. Endlich kam die dritte, und schöpfte auch, aber es ging ihr nicht besser und der Frosch sprach auch zu ihr:
"wann du willst mein Schätzchen seyn, will ich dir geben hell, hell Wässerlein."
"Ja doch! ich will dein Schätzchen seyn, sagte die Prinzessin, schaff' mir nur reines Wasser," sie dachte aber: was schadet dir das, du kannst ihm ja leicht aus Gefallen so sprechen, ein dummer Frosch kann doch nimmermehr mein Schatz seyn. Der Frosch aber war wieder in's Wasser gesprun- gen, und als sie nun zum zweitenmal schöpfte, da war das Wasser so klar, daß die Sonne ordent- lich vor Freuden darin blinkte. Sie trank sich recht satt und brachte ihren Schwestern noch mit hinauf: was seyd ihr so einfältig gewesen und habt euch vor dem Frosch gefürchtet."
Darnach dachte die Prinzessin nicht weiter daran und legte sich Abends vergnügt in's Bett. Wie sie ein Weilchen darin lag und noch nicht ein- geschlafen war, da hört sie auf einmal etwas an der Thüre krabbeln, und darnach singen:
"Mach' mir auf! mach mir auf! Königstochter, jüngste, weißt du nicht, wie du gesagt als ich in dem Brünnchen saß, du wolltest auch mein Schätzchen seyn, gäb' ich dir hell, hell Wässerlein."
„Das waͤr’ mir gelegen,“ ſagte die Prinzeſſin und lief fort. Endlich kam die dritte, und ſchoͤpfte auch, aber es ging ihr nicht beſſer und der Froſch ſprach auch zu ihr:
„wann du willſt mein Schaͤtzchen ſeyn, will ich dir geben hell, hell Waͤſſerlein.“
„Ja doch! ich will dein Schaͤtzchen ſeyn, ſagte die Prinzeſſin, ſchaff’ mir nur reines Waſſer,“ ſie dachte aber: was ſchadet dir das, du kannſt ihm ja leicht aus Gefallen ſo ſprechen, ein dummer Froſch kann doch nimmermehr mein Schatz ſeyn. Der Froſch aber war wieder in’s Waſſer geſprun- gen, und als ſie nun zum zweitenmal ſchoͤpfte, da war das Waſſer ſo klar, daß die Sonne ordent- lich vor Freuden darin blinkte. Sie trank ſich recht ſatt und brachte ihren Schweſtern noch mit hinauf: was ſeyd ihr ſo einfaͤltig geweſen und habt euch vor dem Froſch gefuͤrchtet.“
Darnach dachte die Prinzeſſin nicht weiter daran und legte ſich Abends vergnuͤgt in’s Bett. Wie ſie ein Weilchen darin lag und noch nicht ein- geſchlafen war, da hoͤrt ſie auf einmal etwas an der Thuͤre krabbeln, und darnach ſingen:
„Mach’ mir auf! mach mir auf! Koͤnigstochter, juͤngſte, weißt du nicht, wie du geſagt als ich in dem Bruͤnnchen ſaß, du wollteſt auch mein Schaͤtzchen ſeyn, gaͤb’ ich dir hell, hell Waͤſſerlein.“
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0113"n="92"/><p>„Das waͤr’ mir gelegen,“ſagte die Prinzeſſin und<lb/>
lief fort. Endlich kam die dritte, und ſchoͤpfte<lb/>
auch, aber es ging ihr nicht beſſer und der Froſch<lb/>ſprach auch zu ihr:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„wann du willſt mein Schaͤtzchen ſeyn,</l><lb/><l>will ich dir geben hell, hell Waͤſſerlein.“</l></lg><lb/><p>„Ja doch! ich will dein Schaͤtzchen ſeyn, ſagte die<lb/>
Prinzeſſin, ſchaff’ mir nur reines Waſſer,“ſie<lb/>
dachte aber: was ſchadet dir das, du kannſt ihm<lb/>
ja leicht aus Gefallen ſo ſprechen, ein dummer<lb/>
Froſch kann doch nimmermehr mein Schatz ſeyn.<lb/>
Der Froſch aber war wieder in’s Waſſer geſprun-<lb/>
gen, und als ſie nun zum zweitenmal ſchoͤpfte, da<lb/>
war das Waſſer ſo klar, daß die Sonne ordent-<lb/>
lich vor Freuden darin blinkte. Sie trank ſich<lb/>
recht ſatt und brachte ihren Schweſtern noch mit<lb/>
hinauf: was ſeyd ihr ſo einfaͤltig geweſen und<lb/>
habt euch vor dem Froſch gefuͤrchtet.“</p><lb/><p>Darnach dachte die Prinzeſſin nicht weiter<lb/>
daran und legte ſich Abends vergnuͤgt in’s Bett.<lb/>
Wie ſie ein Weilchen darin lag und noch nicht ein-<lb/>
geſchlafen war, da hoͤrt ſie auf einmal etwas an<lb/>
der Thuͤre krabbeln, und darnach ſingen:</p><lb/><lgtype="poem"><l>„Mach’ mir auf! mach mir auf!</l><lb/><l>Koͤnigstochter, juͤngſte,</l><lb/><l>weißt du nicht, wie du geſagt</l><lb/><l>als ich in dem Bruͤnnchen ſaß,</l><lb/><l>du wollteſt auch mein Schaͤtzchen ſeyn,</l><lb/><l>gaͤb’ ich dir hell, hell Waͤſſerlein.“</l></lg><lb/></div></body></text></TEI>
[92/0113]
„Das waͤr’ mir gelegen,“ ſagte die Prinzeſſin und
lief fort. Endlich kam die dritte, und ſchoͤpfte
auch, aber es ging ihr nicht beſſer und der Froſch
ſprach auch zu ihr:
„wann du willſt mein Schaͤtzchen ſeyn,
will ich dir geben hell, hell Waͤſſerlein.“
„Ja doch! ich will dein Schaͤtzchen ſeyn, ſagte die
Prinzeſſin, ſchaff’ mir nur reines Waſſer,“ ſie
dachte aber: was ſchadet dir das, du kannſt ihm
ja leicht aus Gefallen ſo ſprechen, ein dummer
Froſch kann doch nimmermehr mein Schatz ſeyn.
Der Froſch aber war wieder in’s Waſſer geſprun-
gen, und als ſie nun zum zweitenmal ſchoͤpfte, da
war das Waſſer ſo klar, daß die Sonne ordent-
lich vor Freuden darin blinkte. Sie trank ſich
recht ſatt und brachte ihren Schweſtern noch mit
hinauf: was ſeyd ihr ſo einfaͤltig geweſen und
habt euch vor dem Froſch gefuͤrchtet.“
Darnach dachte die Prinzeſſin nicht weiter
daran und legte ſich Abends vergnuͤgt in’s Bett.
Wie ſie ein Weilchen darin lag und noch nicht ein-
geſchlafen war, da hoͤrt ſie auf einmal etwas an
der Thuͤre krabbeln, und darnach ſingen:
„Mach’ mir auf! mach mir auf!
Koͤnigstochter, juͤngſte,
weißt du nicht, wie du geſagt
als ich in dem Bruͤnnchen ſaß,
du wollteſt auch mein Schaͤtzchen ſeyn,
gaͤb’ ich dir hell, hell Waͤſſerlein.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 2. Berlin, 1815, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen02_1815/113>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.