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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

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sie hätten sterben sollen: sie sahen sich um, waren irre und wußten nicht wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die Sonne über dem Berg und halb war sie unter. Joringel sah durchs Gebüsch und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich; er erschrack und wurde todtbang. Jorinde sang

'mein Vöglein mit dem Ringlein roth
singt Leide, Leide, Leide:
es singt dem Täubelein seinen Tod,
singt Leide, Lei-- zucküth, zicküth, zicküth.'

Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang 'zicküth, zicküth.' Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal um sie herum und schrie dreimal 'schu, hu, hu, hu.' Joringel konnte sich nicht regen: er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter: die Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager: große rothe Augen, krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fieng die Nachtigall und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort. Endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme 'grüß dich, Zachiel, wenns Möndel ins Körbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund.' Da wurde Joringel los. Er fiel vor dem Weib auf die Knie und bat sie möchte ihm seine Jorinde wieder geben, aber sie sagte er sollte sie nie wieder haben, und gieng fort. Er rief, er weinte, er jammerte, aber alles umsonst. 'Uu, was soll mir geschehen?' Joringel gieng fort und kam endlich in ein fremdes Dorf: da hütete er die Schafe lange Zeit. Oft gieng er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei. Endlich träumte er einmal des Nachts er fände eine blutrothe Blume, in deren Mitte eine schöne große Perle war. Die Blume brach er ab,

sie hätten sterben sollen: sie sahen sich um, waren irre und wußten nicht wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die Sonne über dem Berg und halb war sie unter. Joringel sah durchs Gebüsch und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich; er erschrack und wurde todtbang. Jorinde sang

‘mein Vöglein mit dem Ringlein roth
singt Leide, Leide, Leide:
es singt dem Täubelein seinen Tod,
singt Leide, Lei— zucküth, zicküth, zicküth.’

Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang ‘zicküth, zicküth.’ Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal um sie herum und schrie dreimal ‘schu, hu, hu, hu.’ Joringel konnte sich nicht regen: er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter: die Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager: große rothe Augen, krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fieng die Nachtigall und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort. Endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme ‘grüß dich, Zachiel, wenns Möndel ins Körbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund.’ Da wurde Joringel los. Er fiel vor dem Weib auf die Knie und bat sie möchte ihm seine Jorinde wieder geben, aber sie sagte er sollte sie nie wieder haben, und gieng fort. Er rief, er weinte, er jammerte, aber alles umsonst. ‘Uu, was soll mir geschehen?’ Joringel gieng fort und kam endlich in ein fremdes Dorf: da hütete er die Schafe lange Zeit. Oft gieng er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei. Endlich träumte er einmal des Nachts er fände eine blutrothe Blume, in deren Mitte eine schöne große Perle war. Die Blume brach er ab,

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[370/0403] sie hätten sterben sollen: sie sahen sich um, waren irre und wußten nicht wohin sie nach Hause gehen sollten. Noch halb stand die Sonne über dem Berg und halb war sie unter. Joringel sah durchs Gebüsch und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich; er erschrack und wurde todtbang. Jorinde sang ‘mein Vöglein mit dem Ringlein roth singt Leide, Leide, Leide: es singt dem Täubelein seinen Tod, singt Leide, Lei— zucküth, zicküth, zicküth.’ Joringel sah nach Jorinde. Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt, die sang ‘zicküth, zicküth.’ Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal um sie herum und schrie dreimal ‘schu, hu, hu, hu.’ Joringel konnte sich nicht regen: er stand da wie ein Stein, konnte nicht weinen, nicht reden, nicht Hand noch Fuß regen. Nun war die Sonne unter: die Eule flog in einen Strauch, und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor, gelb und mager: große rothe Augen, krumme Nase, die mit der Spitze ans Kinn reichte. Sie murmelte, fieng die Nachtigall und trug sie auf der Hand fort. Joringel konnte nichts sagen, nicht von der Stelle kommen; die Nachtigall war fort. Endlich kam das Weib wieder und sagte mit dumpfer Stimme ‘grüß dich, Zachiel, wenns Möndel ins Körbel scheint, bind los, Zachiel, zu guter Stund.’ Da wurde Joringel los. Er fiel vor dem Weib auf die Knie und bat sie möchte ihm seine Jorinde wieder geben, aber sie sagte er sollte sie nie wieder haben, und gieng fort. Er rief, er weinte, er jammerte, aber alles umsonst. ‘Uu, was soll mir geschehen?’ Joringel gieng fort und kam endlich in ein fremdes Dorf: da hütete er die Schafe lange Zeit. Oft gieng er rund um das Schloß herum, aber nicht zu nahe dabei. Endlich träumte er einmal des Nachts er fände eine blutrothe Blume, in deren Mitte eine schöne große Perle war. Die Blume brach er ab,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/403>, abgerufen am 22.11.2024.