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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.

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Dann kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder

'wem gehört diese schöne große Stadt?'
'Sie gehört dem König Drosselbart;
hättst du'n genommen, so wär sie dein.'
'Jch arme Jungfer zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!'

'Es gefällt mir gar nicht,' sprach der Spielmann, 'daß du dir immer einen andern zum Mann wünschest: bin ich dir nicht gut genug?' Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie

'ach, Gott, was ist das Haus so klein!
wem mag das elende winzige Häuschen sein?'

Der Spielmann antwortete 'das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.' Sie mußte sich bücken, damit sie zu der niedrigen Thür hinein kam. 'Wo sind die Diener?' sprach die Königstochter. 'Was Diener!' antwortete der Bettelmann, 'du mußt selber thun was du willst gethan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, daß du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.' Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann mußte selber mit Hand anlegen, daß es noch so leidlich gieng. Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich zu Bett: aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vorrath auf. Da sprach der Mann 'Frau, so gehts nicht länger, daß wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten.' Er gieng aus, schnitt Weiden, und brachte sie heim: da fieng sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. 'Jch sehe das geht nicht,' sprach der Mann, 'spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.' Sie setzte sich hin, und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, daß das Blut daran herunter lief. 'Siehst

Dann kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder

‘wem gehört diese schöne große Stadt?’
‘Sie gehört dem König Drosselbart;
hättst du’n genommen, so wär sie dein.’
‘Jch arme Jungfer zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!’

‘Es gefällt mir gar nicht,’ sprach der Spielmann, ‘daß du dir immer einen andern zum Mann wünschest: bin ich dir nicht gut genug?’ Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie

‘ach, Gott, was ist das Haus so klein!
wem mag das elende winzige Häuschen sein?’

Der Spielmann antwortete ‘das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.’ Sie mußte sich bücken, damit sie zu der niedrigen Thür hinein kam. ‘Wo sind die Diener?’ sprach die Königstochter. ‘Was Diener!’ antwortete der Bettelmann, ‘du mußt selber thun was du willst gethan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, daß du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.’ Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann mußte selber mit Hand anlegen, daß es noch so leidlich gieng. Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich zu Bett: aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vorrath auf. Da sprach der Mann ‘Frau, so gehts nicht länger, daß wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten.’ Er gieng aus, schnitt Weiden, und brachte sie heim: da fieng sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. ‘Jch sehe das geht nicht,’ sprach der Mann, ‘spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.’ Sie setzte sich hin, und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, daß das Blut daran herunter lief. ‘Siehst

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[260/0293] Dann kamen sie durch eine große Stadt, da fragte sie wieder ‘wem gehört diese schöne große Stadt?’ ‘Sie gehört dem König Drosselbart; hättst du’n genommen, so wär sie dein.’ ‘Jch arme Jungfer zart, ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!’ ‘Es gefällt mir gar nicht,’ sprach der Spielmann, ‘daß du dir immer einen andern zum Mann wünschest: bin ich dir nicht gut genug?’ Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen, da sprach sie ‘ach, Gott, was ist das Haus so klein! wem mag das elende winzige Häuschen sein?’ Der Spielmann antwortete ‘das ist mein und dein Haus, wo wir zusammen wohnen.’ Sie mußte sich bücken, damit sie zu der niedrigen Thür hinein kam. ‘Wo sind die Diener?’ sprach die Königstochter. ‘Was Diener!’ antwortete der Bettelmann, ‘du mußt selber thun was du willst gethan haben. Mach nur gleich Feuer an und stell Wasser auf, daß du mir mein Essen kochst; ich bin ganz müde.’ Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen, und der Bettelmann mußte selber mit Hand anlegen, daß es noch so leidlich gieng. Als sie die schmale Kost verzehrt hatten, legten sie sich zu Bett: aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus, weil sie das Haus besorgen sollte. Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht, und zehrten ihren Vorrath auf. Da sprach der Mann ‘Frau, so gehts nicht länger, daß wir hier zehren und nichts verdienen. Du sollst Körbe flechten.’ Er gieng aus, schnitt Weiden, und brachte sie heim: da fieng sie an zu flechten, aber die harten Weiden stachen ihr die zarten Hände wund. ‘Jch sehe das geht nicht,’ sprach der Mann, ‘spinn lieber, vielleicht kannst du das besser.’ Sie setzte sich hin, und versuchte zu spinnen, aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger, daß das Blut daran herunter lief. ‘Siehst

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857, S. 260. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1857/293>, abgerufen am 22.11.2024.