Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.hin. 'Wo willst du sitzen?' sprachen sie zu ihm. 'Ach, setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut, da kann ich auf und ab spazieren und die Gegend betrachten, und falle doch nicht herunter.' Sie thaten ihm den Willen, und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte, machten sie sich mit ihm fort. So giengen sie bis es dämmerig ward, da sprach der Kleine 'hebt mich einmal herunter, es ist nöthig.' 'Bleib nur droben,' sprach der Mann, auf dessen Kopf er saß, 'ich will mir nichts draus machen, die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen.' 'Nein,' sprach Daumesdick, 'ich weiß auch, was sich schickt: hebt mich nur geschwind herab.' Der Mann nahm den Hut ab, und setzte den Kleinen auf einen Acker am Weg, da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her, dann schlüpfte er plötzlich in ein Mausloch, das er sich ausgesucht hatte. 'Guten Abend, ihr Herren, geht nur ohne mich heim,' rief er ihnen zu, und lachte sie aus. Sie liefen herbei und stachen mit Stöcken in das Mausloch, aber das war vergebliche Mühe: Daumesdick kroch immer weiter zurück und da es bald ganz dunkel ward, so mußten sie mit Ärger und mit leerem Beutel wieder heim wandern. Als Daumesdick merkte daß sie fort waren, kroch er aus dem unterirdischen Gang wieder hervor. 'Es ist auf dem Acker in der Finsternis so gefährlich gehen,' sprach er, 'wie leicht bricht einer Hals und Bein!' Zum Glück stieß er an ein leeres Schneckenhaus. 'Gottlob,' sagte er, 'da kann ich die Nacht sicher zubringen,' und setzte sich hinein. Nicht lang, als er eben einschlafen wollte, so hörte er zwei Männer vorüber gehen, davon sprach der eine 'wie wirs nur anfangen, um dem reichen Pfarrer sein Geld und sein Silber zu holen?' 'Das könnt ich dir sagen,' rief Daumesdick dazwischen. 'Was war das?' sprach der eine Dieb erschrocken, 'ich hörte jemand sprechen.' Sie blieben stehen und hin. ‘Wo willst du sitzen?’ sprachen sie zu ihm. ‘Ach, setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut, da kann ich auf und ab spazieren und die Gegend betrachten, und falle doch nicht herunter.’ Sie thaten ihm den Willen, und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte, machten sie sich mit ihm fort. So giengen sie bis es dämmerig ward, da sprach der Kleine ‘hebt mich einmal herunter, es ist nöthig.’ ‘Bleib nur droben,’ sprach der Mann, auf dessen Kopf er saß, ‘ich will mir nichts draus machen, die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen.’ ‘Nein,’ sprach Daumesdick, ‘ich weiß auch, was sich schickt: hebt mich nur geschwind herab.’ Der Mann nahm den Hut ab, und setzte den Kleinen auf einen Acker am Weg, da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her, dann schlüpfte er plötzlich in ein Mausloch, das er sich ausgesucht hatte. ‘Guten Abend, ihr Herren, geht nur ohne mich heim,’ rief er ihnen zu, und lachte sie aus. Sie liefen herbei und stachen mit Stöcken in das Mausloch, aber das war vergebliche Mühe: Daumesdick kroch immer weiter zurück und da es bald ganz dunkel ward, so mußten sie mit Ärger und mit leerem Beutel wieder heim wandern. Als Daumesdick merkte daß sie fort waren, kroch er aus dem unterirdischen Gang wieder hervor. ‘Es ist auf dem Acker in der Finsternis so gefährlich gehen,’ sprach er, ‘wie leicht bricht einer Hals und Bein!’ Zum Glück stieß er an ein leeres Schneckenhaus. ‘Gottlob,’ sagte er, ‘da kann ich die Nacht sicher zubringen,’ und setzte sich hinein. Nicht lang, als er eben einschlafen wollte, so hörte er zwei Männer vorüber gehen, davon sprach der eine ‘wie wirs nur anfangen, um dem reichen Pfarrer sein Geld und sein Silber zu holen?’ ‘Das könnt ich dir sagen,’ rief Daumesdick dazwischen. ‘Was war das?’ sprach der eine Dieb erschrocken, ‘ich hörte jemand sprechen.’ Sie blieben stehen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0229" n="196"/> hin. ‘Wo willst du sitzen?’ sprachen sie zu ihm. ‘Ach, setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut, da kann ich auf und ab spazieren und die Gegend betrachten, und falle doch nicht herunter.’ Sie thaten ihm den Willen, und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte, machten sie sich mit ihm fort. So giengen sie bis es dämmerig ward, da sprach der Kleine ‘hebt mich einmal herunter, es ist nöthig.’ ‘Bleib nur droben,’ sprach der Mann, auf dessen Kopf er saß, ‘ich will mir nichts draus machen, die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen.’ ‘Nein,’ sprach Daumesdick, ‘ich weiß auch, was sich schickt: hebt mich nur geschwind herab.’ Der Mann nahm den Hut ab, und setzte den Kleinen auf einen Acker am Weg, da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her, dann schlüpfte er plötzlich in ein Mausloch, das er sich ausgesucht hatte. ‘Guten Abend, ihr Herren, geht nur ohne mich heim,’ rief er ihnen zu, und lachte sie aus. Sie liefen herbei und stachen mit Stöcken in das Mausloch, aber das war vergebliche Mühe: Daumesdick kroch immer weiter zurück und da es bald ganz dunkel ward, so mußten sie mit Ärger und mit leerem Beutel wieder heim wandern.</p><lb/> <p>Als Daumesdick merkte daß sie fort waren, kroch er aus dem unterirdischen Gang wieder hervor. ‘Es ist auf dem Acker in der Finsternis so gefährlich gehen,’ sprach er, ‘wie leicht bricht einer Hals und Bein!’ Zum Glück stieß er an ein leeres Schneckenhaus. ‘Gottlob,’ sagte er, ‘da kann ich die Nacht sicher zubringen,’ und setzte sich hinein. Nicht lang, als er eben einschlafen wollte, so hörte er zwei Männer vorüber gehen, davon sprach der eine ‘wie wirs nur anfangen, um dem reichen Pfarrer sein Geld und sein Silber zu holen?’ ‘Das könnt ich dir sagen,’ rief Daumesdick dazwischen. ‘Was war das?’ sprach der eine Dieb erschrocken, ‘ich hörte jemand sprechen.’ Sie blieben stehen und </p> </div> </body> </text> </TEI> [196/0229]
hin. ‘Wo willst du sitzen?’ sprachen sie zu ihm. ‘Ach, setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut, da kann ich auf und ab spazieren und die Gegend betrachten, und falle doch nicht herunter.’ Sie thaten ihm den Willen, und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte, machten sie sich mit ihm fort. So giengen sie bis es dämmerig ward, da sprach der Kleine ‘hebt mich einmal herunter, es ist nöthig.’ ‘Bleib nur droben,’ sprach der Mann, auf dessen Kopf er saß, ‘ich will mir nichts draus machen, die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen.’ ‘Nein,’ sprach Daumesdick, ‘ich weiß auch, was sich schickt: hebt mich nur geschwind herab.’ Der Mann nahm den Hut ab, und setzte den Kleinen auf einen Acker am Weg, da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her, dann schlüpfte er plötzlich in ein Mausloch, das er sich ausgesucht hatte. ‘Guten Abend, ihr Herren, geht nur ohne mich heim,’ rief er ihnen zu, und lachte sie aus. Sie liefen herbei und stachen mit Stöcken in das Mausloch, aber das war vergebliche Mühe: Daumesdick kroch immer weiter zurück und da es bald ganz dunkel ward, so mußten sie mit Ärger und mit leerem Beutel wieder heim wandern.
Als Daumesdick merkte daß sie fort waren, kroch er aus dem unterirdischen Gang wieder hervor. ‘Es ist auf dem Acker in der Finsternis so gefährlich gehen,’ sprach er, ‘wie leicht bricht einer Hals und Bein!’ Zum Glück stieß er an ein leeres Schneckenhaus. ‘Gottlob,’ sagte er, ‘da kann ich die Nacht sicher zubringen,’ und setzte sich hinein. Nicht lang, als er eben einschlafen wollte, so hörte er zwei Männer vorüber gehen, davon sprach der eine ‘wie wirs nur anfangen, um dem reichen Pfarrer sein Geld und sein Silber zu holen?’ ‘Das könnt ich dir sagen,’ rief Daumesdick dazwischen. ‘Was war das?’ sprach der eine Dieb erschrocken, ‘ich hörte jemand sprechen.’ Sie blieben stehen und
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