Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 7. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1857.als vor der Frau Tochter. Und am dritten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken vor des Mannes Tochter, und Milch zum Waschen und Wein zum Trinken vor der Frau Tochter, und dabei bliebs. Die Frau ward ihrer Stieftochter spinnefeind und wußte nicht wie sie es ihr von einem Tag zum andern schlimmer machen sollte. Auch war sie neidisch, weil ihre Stieftochter schön und lieblich war, ihre rechte Tochter aber häßlich und widerlich. Einmal im Winter, als es steinhart gefroren hatte und Berg und Thal vollgeschneit lag, machte die Frau ein Kleid von Papier, rief das Mädchen und sprach 'da zieh das Kleid an, geh hinaus in den Wald und hol mir ein Körbchen voll Erdbeeren; ich habe Verlangen danach.' 'Du lieber Gott,' sagte das Mädchen, 'im Winter wachsen ja keine Erdbeeren, die Erde ist gefroren, und der Schnee hat auch alles zugedeckt. Und warum soll ich in dem Papierkleide gehen? es ist draußen so kalt, daß einem der Athem friert: da weht ja der Wind hindurch und die Dornen reißen mirs vom Leib.' 'Willst du mir noch widersprechen?' sagte die Stiefmutter, 'mach daß du fortkommst, und laß dich nicht eher wieder sehen als bis du das Körbchen voll Erdbeeren hast.' Dann gab sie ihm noch ein Stückchen hartes Brot und sprach 'davon kannst du den Tag über essen,' und dachte 'draußen wirds erfrieren und verhungern und mir nimmermehr wieder vor die Augen kommen.' Nun war das Mädchen gehorsam, that das Papierkleid an und gieng mit dem Körbchen hinaus. Da war nichts als Schnee die Weite und Breite, und war kein grünes Hälmchen zu merken. Als es in den Wald kam, sah es ein kleines Häuschen, daraus guckten drei kleine Haulemännerchen. Es wünschte ihnen die Tageszeit und klopfte bescheidenlich an die Thür. Sie riefen herein, und es trat in die Stube und setzte sich auf die Bank am Ofen, da wollte es sich wärmen und sein Frühstück essen. Die Haulemännerchen als vor der Frau Tochter. Und am dritten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken vor des Mannes Tochter, und Milch zum Waschen und Wein zum Trinken vor der Frau Tochter, und dabei bliebs. Die Frau ward ihrer Stieftochter spinnefeind und wußte nicht wie sie es ihr von einem Tag zum andern schlimmer machen sollte. Auch war sie neidisch, weil ihre Stieftochter schön und lieblich war, ihre rechte Tochter aber häßlich und widerlich. Einmal im Winter, als es steinhart gefroren hatte und Berg und Thal vollgeschneit lag, machte die Frau ein Kleid von Papier, rief das Mädchen und sprach ‘da zieh das Kleid an, geh hinaus in den Wald und hol mir ein Körbchen voll Erdbeeren; ich habe Verlangen danach.’ ‘Du lieber Gott,’ sagte das Mädchen, ‘im Winter wachsen ja keine Erdbeeren, die Erde ist gefroren, und der Schnee hat auch alles zugedeckt. Und warum soll ich in dem Papierkleide gehen? es ist draußen so kalt, daß einem der Athem friert: da weht ja der Wind hindurch und die Dornen reißen mirs vom Leib.’ ‘Willst du mir noch widersprechen?’ sagte die Stiefmutter, ‘mach daß du fortkommst, und laß dich nicht eher wieder sehen als bis du das Körbchen voll Erdbeeren hast.’ Dann gab sie ihm noch ein Stückchen hartes Brot und sprach ‘davon kannst du den Tag über essen,’ und dachte ‘draußen wirds erfrieren und verhungern und mir nimmermehr wieder vor die Augen kommen.’ Nun war das Mädchen gehorsam, that das Papierkleid an und gieng mit dem Körbchen hinaus. Da war nichts als Schnee die Weite und Breite, und war kein grünes Hälmchen zu merken. Als es in den Wald kam, sah es ein kleines Häuschen, daraus guckten drei kleine Haulemännerchen. Es wünschte ihnen die Tageszeit und klopfte bescheidenlich an die Thür. Sie riefen herein, und es trat in die Stube und setzte sich auf die Bank am Ofen, da wollte es sich wärmen und sein Frühstück essen. Die Haulemännerchen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0104" n="71"/> als vor der Frau Tochter. Und am dritten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken vor des Mannes Tochter, und Milch zum Waschen und Wein zum Trinken vor der Frau Tochter, und dabei bliebs. Die Frau ward ihrer Stieftochter spinnefeind und wußte nicht wie sie es ihr von einem Tag zum andern schlimmer machen sollte. Auch war sie neidisch, weil ihre Stieftochter schön und lieblich war, ihre rechte Tochter aber häßlich und widerlich.</p><lb/> <p>Einmal im Winter, als es steinhart gefroren hatte und Berg und Thal vollgeschneit lag, machte die Frau ein Kleid von Papier, rief das Mädchen und sprach ‘da zieh das Kleid an, geh hinaus in den Wald und hol mir ein Körbchen voll Erdbeeren; ich habe Verlangen danach.’ ‘Du lieber Gott,’ sagte das Mädchen, ‘im Winter wachsen ja keine Erdbeeren, die Erde ist gefroren, und der Schnee hat auch alles zugedeckt. Und warum soll ich in dem Papierkleide gehen? es ist draußen so kalt, daß einem der Athem friert: da weht ja der Wind hindurch und die Dornen reißen mirs vom Leib.’ ‘Willst du mir noch widersprechen?’ sagte die Stiefmutter, ‘mach daß du fortkommst, und laß dich nicht eher wieder sehen als bis du das Körbchen voll Erdbeeren hast.’ Dann gab sie ihm noch ein Stückchen hartes Brot und sprach ‘davon kannst du den Tag über essen,’ und dachte ‘draußen wirds erfrieren und verhungern und mir nimmermehr wieder vor die Augen kommen.’</p><lb/> <p>Nun war das Mädchen gehorsam, that das Papierkleid an und gieng mit dem Körbchen hinaus. Da war nichts als Schnee die Weite und Breite, und war kein grünes Hälmchen zu merken. Als es in den Wald kam, sah es ein kleines Häuschen, daraus guckten drei kleine Haulemännerchen. Es wünschte ihnen die Tageszeit und klopfte bescheidenlich an die Thür. Sie riefen herein, und es trat in die Stube und setzte sich auf die Bank am Ofen, da wollte es sich wärmen und sein Frühstück essen. Die Haulemännerchen </p> </div> </body> </text> </TEI> [71/0104]
als vor der Frau Tochter. Und am dritten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken vor des Mannes Tochter, und Milch zum Waschen und Wein zum Trinken vor der Frau Tochter, und dabei bliebs. Die Frau ward ihrer Stieftochter spinnefeind und wußte nicht wie sie es ihr von einem Tag zum andern schlimmer machen sollte. Auch war sie neidisch, weil ihre Stieftochter schön und lieblich war, ihre rechte Tochter aber häßlich und widerlich.
Einmal im Winter, als es steinhart gefroren hatte und Berg und Thal vollgeschneit lag, machte die Frau ein Kleid von Papier, rief das Mädchen und sprach ‘da zieh das Kleid an, geh hinaus in den Wald und hol mir ein Körbchen voll Erdbeeren; ich habe Verlangen danach.’ ‘Du lieber Gott,’ sagte das Mädchen, ‘im Winter wachsen ja keine Erdbeeren, die Erde ist gefroren, und der Schnee hat auch alles zugedeckt. Und warum soll ich in dem Papierkleide gehen? es ist draußen so kalt, daß einem der Athem friert: da weht ja der Wind hindurch und die Dornen reißen mirs vom Leib.’ ‘Willst du mir noch widersprechen?’ sagte die Stiefmutter, ‘mach daß du fortkommst, und laß dich nicht eher wieder sehen als bis du das Körbchen voll Erdbeeren hast.’ Dann gab sie ihm noch ein Stückchen hartes Brot und sprach ‘davon kannst du den Tag über essen,’ und dachte ‘draußen wirds erfrieren und verhungern und mir nimmermehr wieder vor die Augen kommen.’
Nun war das Mädchen gehorsam, that das Papierkleid an und gieng mit dem Körbchen hinaus. Da war nichts als Schnee die Weite und Breite, und war kein grünes Hälmchen zu merken. Als es in den Wald kam, sah es ein kleines Häuschen, daraus guckten drei kleine Haulemännerchen. Es wünschte ihnen die Tageszeit und klopfte bescheidenlich an die Thür. Sie riefen herein, und es trat in die Stube und setzte sich auf die Bank am Ofen, da wollte es sich wärmen und sein Frühstück essen. Die Haulemännerchen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books (University of Oxford, Taylor Institution Library): Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-03T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |