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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850.

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weichen, es mochte anfangen was es wollte, und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden: auch das Gold blieb an dem Finger und gieng nicht ab, es mochte waschen und reiben so viel es wollte.

Gar nicht lange, so kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück. Sie rief das Mädchen zu sich und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab. Als es den Bund hinreichte, blickte ihm die Jungfrau in die Augen, und sprach 'hast du auch nicht die dreizehnte Thüre geöffnet?' 'Nein' antwortete es. Da legte sie ihre Hand auf sein Herz, fühlte wie es klopfte und klopfte und merkte wohl daß es ihr Gebot übertreten und die Thüre aufgeschlossen hatte. Da sprach sie noch einmal 'hast du es gewiß nicht gethan?' 'Nein' sagte das Mädchen zum zweitenmal. Da erblickte sie den Finger der von der Berührung des himmlischen Feuers golden geworden war, und wußte nun gewiß daß es schuldig war und sprach zum drittenmal 'hast du es nicht gethan?' 'Nein' sagte das Mädchen zum drittenmal. Da sprach die Jungfrau Maria 'du hast mir nicht gehorcht, und hast noch dazu gelogen, du bist nicht mehr würdig im Himmel zu sein.'

Da versank das Mädchen in einen tiefen Schlaf, und als es erwachte, lag es unten auf der Erde, mitten in einer Wildnis. Es wollte rufen, aber es konnte keinen Laut hervor bringen. Es sprang auf und wollte fortlaufen, aber wo es sich hinwendete, immer ward es von dichtem Gebüsch zurück gehalten, das es nicht durchbrechen konnte. Jn der Einöde, in welche es eingeschlossen war, stand ein alter hohler Baum, der mußte ihm als Wohnung dienen. Darin schlief es Nachts, und wenn es stürmte und regnete, fand es darin

weichen, es mochte anfangen was es wollte, und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden: auch das Gold blieb an dem Finger und gieng nicht ab, es mochte waschen und reiben so viel es wollte.

Gar nicht lange, so kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück. Sie rief das Mädchen zu sich und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab. Als es den Bund hinreichte, blickte ihm die Jungfrau in die Augen, und sprach ‘hast du auch nicht die dreizehnte Thüre geöffnet?’ ‘Nein’ antwortete es. Da legte sie ihre Hand auf sein Herz, fühlte wie es klopfte und klopfte und merkte wohl daß es ihr Gebot übertreten und die Thüre aufgeschlossen hatte. Da sprach sie noch einmal ‘hast du es gewiß nicht gethan?’ ‘Nein’ sagte das Mädchen zum zweitenmal. Da erblickte sie den Finger der von der Berührung des himmlischen Feuers golden geworden war, und wußte nun gewiß daß es schuldig war und sprach zum drittenmal ‘hast du es nicht gethan?’ ‘Nein’ sagte das Mädchen zum drittenmal. Da sprach die Jungfrau Maria ‘du hast mir nicht gehorcht, und hast noch dazu gelogen, du bist nicht mehr würdig im Himmel zu sein.’

Da versank das Mädchen in einen tiefen Schlaf, und als es erwachte, lag es unten auf der Erde, mitten in einer Wildnis. Es wollte rufen, aber es konnte keinen Laut hervor bringen. Es sprang auf und wollte fortlaufen, aber wo es sich hinwendete, immer ward es von dichtem Gebüsch zurück gehalten, das es nicht durchbrechen konnte. Jn der Einöde, in welche es eingeschlossen war, stand ein alter hohler Baum, der mußte ihm als Wohnung dienen. Darin schlief es Nachts, und wenn es stürmte und regnete, fand es darin

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[12/0094] weichen, es mochte anfangen was es wollte, und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden: auch das Gold blieb an dem Finger und gieng nicht ab, es mochte waschen und reiben so viel es wollte. Gar nicht lange, so kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück. Sie rief das Mädchen zu sich und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab. Als es den Bund hinreichte, blickte ihm die Jungfrau in die Augen, und sprach ‘hast du auch nicht die dreizehnte Thüre geöffnet?’ ‘Nein’ antwortete es. Da legte sie ihre Hand auf sein Herz, fühlte wie es klopfte und klopfte und merkte wohl daß es ihr Gebot übertreten und die Thüre aufgeschlossen hatte. Da sprach sie noch einmal ‘hast du es gewiß nicht gethan?’ ‘Nein’ sagte das Mädchen zum zweitenmal. Da erblickte sie den Finger der von der Berührung des himmlischen Feuers golden geworden war, und wußte nun gewiß daß es schuldig war und sprach zum drittenmal ‘hast du es nicht gethan?’ ‘Nein’ sagte das Mädchen zum drittenmal. Da sprach die Jungfrau Maria ‘du hast mir nicht gehorcht, und hast noch dazu gelogen, du bist nicht mehr würdig im Himmel zu sein.’ Da versank das Mädchen in einen tiefen Schlaf, und als es erwachte, lag es unten auf der Erde, mitten in einer Wildnis. Es wollte rufen, aber es konnte keinen Laut hervor bringen. Es sprang auf und wollte fortlaufen, aber wo es sich hinwendete, immer ward es von dichtem Gebüsch zurück gehalten, das es nicht durchbrechen konnte. Jn der Einöde, in welche es eingeschlossen war, stand ein alter hohler Baum, der mußte ihm als Wohnung dienen. Darin schlief es Nachts, und wenn es stürmte und regnete, fand es darin

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 6. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1850, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1850/94>, abgerufen am 24.11.2024.