Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

schleuderte Decken und Kissen in die Höhe, stieg heraus und sagte 'nun mag fahren wer Lust hat,' legte sich an sein Feuer, und schlief bis es Tag war. Am Morgen kam der König, und als er ihn da auf der Erde liegen sah, meinte er die Gespenster hätten ihn umgebracht, und er wäre todt. Da sprach er 'es ist doch schade um den schönen Menschen.' Das hörte der Junge, richtete sich auf, und sprach 'so weit ists noch nicht!' Da verwunderte sich der König, freute sich aber, und fragte wie es ihm gegangen wäre. 'Recht gut,' antwortete er, seine Nacht wäre herum, die zwei andern werden auch herum gehen.' Als er nun zum Wirth kam, machte der große Augen, und sprach 'ich dachte nicht, daß ich dich wieder lebendig sehen würde; hast du nun gelernt, was Gruseln ist?' 'Nein,' sagte er, 'ich weiß es nicht, wenn mirs nur einer sagen könnte!'

Die zweite Nacht gieng er wieder hinauf ins alte Schloß, setzte sich zum Feuer, und fieng sein altes Lied wieder an 'wenn mirs nur gruselte!' Wie Mitternacht herankam, ließ sich ein Lärm und Gepolter hören, erst sachte, dann immer stärker, dann wars ein bischen still, endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab, und fiel vor ihn hin. 'Heda!' rief er, 'noch ein halber gehört dazu, das ist zu wenig.' Da gieng der Lärm von frischem an, es tobte und heulte, und fiel die andere Hälfte auch herab. 'Wart,' sprach er, 'ich will dir erst das Feuer ein wenig anblasen.' Wie er das gethan hatte, und sich wieder umsah, da waren die beiden Stücke zusammen gefahren, und saß da ein gräulicher Mann auf seinem Platz. 'So ists nicht gemeint,'

schleuderte Decken und Kissen in die Höhe, stieg heraus und sagte ‘nun mag fahren wer Lust hat,’ legte sich an sein Feuer, und schlief bis es Tag war. Am Morgen kam der König, und als er ihn da auf der Erde liegen sah, meinte er die Gespenster hätten ihn umgebracht, und er wäre todt. Da sprach er ‘es ist doch schade um den schönen Menschen.’ Das hörte der Junge, richtete sich auf, und sprach ‘so weit ists noch nicht!’ Da verwunderte sich der König, freute sich aber, und fragte wie es ihm gegangen wäre. ‘Recht gut,’ antwortete er, seine Nacht wäre herum, die zwei andern werden auch herum gehen.’ Als er nun zum Wirth kam, machte der große Augen, und sprach ‘ich dachte nicht, daß ich dich wieder lebendig sehen würde; hast du nun gelernt, was Gruseln ist?’ ‘Nein,’ sagte er, ‘ich weiß es nicht, wenn mirs nur einer sagen könnte!’

Die zweite Nacht gieng er wieder hinauf ins alte Schloß, setzte sich zum Feuer, und fieng sein altes Lied wieder an ‘wenn mirs nur gruselte!’ Wie Mitternacht herankam, ließ sich ein Lärm und Gepolter hören, erst sachte, dann immer stärker, dann wars ein bischen still, endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab, und fiel vor ihn hin. ‘Heda!’ rief er, ‘noch ein halber gehört dazu, das ist zu wenig.’ Da gieng der Lärm von frischem an, es tobte und heulte, und fiel die andere Hälfte auch herab. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dir erst das Feuer ein wenig anblasen.’ Wie er das gethan hatte, und sich wieder umsah, da waren die beiden Stücke zusammen gefahren, und saß da ein gräulicher Mann auf seinem Platz. ‘So ists nicht gemeint,’

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="25"/>
schleuderte Decken und Kissen in die Höhe, stieg heraus und sagte &#x2018;nun mag fahren wer Lust hat,&#x2019; legte sich an sein Feuer, und schlief bis es Tag war. Am Morgen kam der König, und als er ihn da auf der Erde liegen sah, meinte er die Gespenster hätten ihn umgebracht, und er wäre todt. Da sprach er &#x2018;es ist doch schade um den schönen Menschen.&#x2019; Das hörte der Junge, richtete sich auf, und sprach &#x2018;so weit ists noch nicht!&#x2019; Da verwunderte sich der König, freute sich aber, und fragte wie es ihm gegangen wäre. &#x2018;Recht gut,&#x2019; antwortete er, seine Nacht wäre herum, die zwei andern werden auch herum gehen.&#x2019; Als er nun zum Wirth kam, machte der große Augen, und sprach &#x2018;ich dachte nicht, daß ich dich wieder lebendig sehen würde; hast du nun gelernt, was Gruseln ist?&#x2019; &#x2018;Nein,&#x2019; sagte er, &#x2018;ich weiß es nicht, wenn mirs nur einer sagen könnte!&#x2019;</p><lb/>
        <p>Die zweite Nacht gieng er wieder hinauf ins alte Schloß, setzte sich zum Feuer, und fieng sein altes Lied wieder an &#x2018;wenn mirs nur gruselte!&#x2019; Wie Mitternacht herankam, ließ sich ein Lärm und Gepolter hören, erst sachte, dann immer stärker, dann wars ein bischen still, endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab, und fiel vor ihn hin. &#x2018;Heda!&#x2019; rief er, &#x2018;noch ein halber gehört dazu, das ist zu wenig.&#x2019; Da gieng der Lärm von frischem an, es tobte und heulte, und fiel die andere Hälfte auch herab. &#x2018;Wart,&#x2019; sprach er, &#x2018;ich will dir erst das Feuer ein wenig anblasen.&#x2019; Wie er das gethan hatte, und sich wieder umsah, da waren die beiden Stücke zusammen gefahren, und saß da ein gräulicher Mann auf seinem Platz. &#x2018;So ists nicht gemeint,&#x2019;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[25/0063] schleuderte Decken und Kissen in die Höhe, stieg heraus und sagte ‘nun mag fahren wer Lust hat,’ legte sich an sein Feuer, und schlief bis es Tag war. Am Morgen kam der König, und als er ihn da auf der Erde liegen sah, meinte er die Gespenster hätten ihn umgebracht, und er wäre todt. Da sprach er ‘es ist doch schade um den schönen Menschen.’ Das hörte der Junge, richtete sich auf, und sprach ‘so weit ists noch nicht!’ Da verwunderte sich der König, freute sich aber, und fragte wie es ihm gegangen wäre. ‘Recht gut,’ antwortete er, seine Nacht wäre herum, die zwei andern werden auch herum gehen.’ Als er nun zum Wirth kam, machte der große Augen, und sprach ‘ich dachte nicht, daß ich dich wieder lebendig sehen würde; hast du nun gelernt, was Gruseln ist?’ ‘Nein,’ sagte er, ‘ich weiß es nicht, wenn mirs nur einer sagen könnte!’ Die zweite Nacht gieng er wieder hinauf ins alte Schloß, setzte sich zum Feuer, und fieng sein altes Lied wieder an ‘wenn mirs nur gruselte!’ Wie Mitternacht herankam, ließ sich ein Lärm und Gepolter hören, erst sachte, dann immer stärker, dann wars ein bischen still, endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab, und fiel vor ihn hin. ‘Heda!’ rief er, ‘noch ein halber gehört dazu, das ist zu wenig.’ Da gieng der Lärm von frischem an, es tobte und heulte, und fiel die andere Hälfte auch herab. ‘Wart,’ sprach er, ‘ich will dir erst das Feuer ein wenig anblasen.’ Wie er das gethan hatte, und sich wieder umsah, da waren die beiden Stücke zusammen gefahren, und saß da ein gräulicher Mann auf seinem Platz. ‘So ists nicht gemeint,’

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/63
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/63>, abgerufen am 28.04.2024.