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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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die Jagd. nach einem prächtigem Hirsch, und als er am Morgen erwachte, sprach er zu seiner Braut 'nun will ich auf die Jagd.' Jhr aber war Angst, und sie bat ihn da, zu bleiben, und sagte 'leicht kann dir ein großes Unglück begegnen,' aber er antwortete 'ich soll und muß fort.' Da stand er auf, und zog hinaus in den Wald, und gar nicht lange, so hielt auch ein stolzer Hirsch vor ihm, ganz nach seinem Traume. Er legte an, und wollte ihn schießen, aber der Hirsch sprang fort. Da jagte er ihm nach, über Graben und durch Gebüsche, und ward nicht müde den ganzen Tag; am Abend aber verschwand der Hirsch vor seinen Augen. Und als das Goldkind sich umsah, so stand er vor einem kleinen Haus, darin saß eine Hexe. Er klopfte an, und ein Mütterchen kam heraus, und fragte 'was wollt ihr so spät noch mitten in dem großen Wald?' Er sprach 'habt ihr keinen Hirsch gesehen?' 'Ja,' antwortete sie, 'den Hirsch kenne ich wohl,' und ein Hündlein, das mit ihr aus dem Haus gekommen war, bellte dabei den Mann so heftig an. 'Willst du schweigen, du böse Kröte,' sprach er, 'sonst schieß ich dich todt.' Da rief die Hexe zornig 'was, mein Hündlein willst du tödten' und verwandelte ihn alsbald, daß er da lag wie ein Stein, und seine Braut erwartete ihn umsonst, und dachte 'es ist gewiß eingetroffen, was mir so Angst machte, und so schwer auf dem Herzen lag.'

Daheim aber stand der andere Bruder bei den Goldlilien, als plötzlich eine davon umfiel. 'Ach Gott,' sprach er, 'meinem Bruder ist ein großes Unglück zugestoßen, ich muß fort, ob ich ihn vielleicht errette.' Da sagte der Vater 'bleib hier, wenn ich auch dich verliere, was soll

die Jagd. nach einem prächtigem Hirsch, und als er am Morgen erwachte, sprach er zu seiner Braut ‘nun will ich auf die Jagd.’ Jhr aber war Angst, und sie bat ihn da, zu bleiben, und sagte ‘leicht kann dir ein großes Unglück begegnen,’ aber er antwortete ‘ich soll und muß fort.’ Da stand er auf, und zog hinaus in den Wald, und gar nicht lange, so hielt auch ein stolzer Hirsch vor ihm, ganz nach seinem Traume. Er legte an, und wollte ihn schießen, aber der Hirsch sprang fort. Da jagte er ihm nach, über Graben und durch Gebüsche, und ward nicht müde den ganzen Tag; am Abend aber verschwand der Hirsch vor seinen Augen. Und als das Goldkind sich umsah, so stand er vor einem kleinen Haus, darin saß eine Hexe. Er klopfte an, und ein Mütterchen kam heraus, und fragte ‘was wollt ihr so spät noch mitten in dem großen Wald?’ Er sprach ‘habt ihr keinen Hirsch gesehen?’ ‘Ja,’ antwortete sie, ‘den Hirsch kenne ich wohl,’ und ein Hündlein, das mit ihr aus dem Haus gekommen war, bellte dabei den Mann so heftig an. ‘Willst du schweigen, du böse Kröte,’ sprach er, ‘sonst schieß ich dich todt.’ Da rief die Hexe zornig ‘was, mein Hündlein willst du tödten’ und verwandelte ihn alsbald, daß er da lag wie ein Stein, und seine Braut erwartete ihn umsonst, und dachte ‘es ist gewiß eingetroffen, was mir so Angst machte, und so schwer auf dem Herzen lag.’

Daheim aber stand der andere Bruder bei den Goldlilien, als plötzlich eine davon umfiel. ‘Ach Gott,’ sprach er, ‘meinem Bruder ist ein großes Unglück zugestoßen, ich muß fort, ob ich ihn vielleicht errette.’ Da sagte der Vater ‘bleib hier, wenn ich auch dich verliere, was soll

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[503/0541] die Jagd. nach einem prächtigem Hirsch, und als er am Morgen erwachte, sprach er zu seiner Braut ‘nun will ich auf die Jagd.’ Jhr aber war Angst, und sie bat ihn da, zu bleiben, und sagte ‘leicht kann dir ein großes Unglück begegnen,’ aber er antwortete ‘ich soll und muß fort.’ Da stand er auf, und zog hinaus in den Wald, und gar nicht lange, so hielt auch ein stolzer Hirsch vor ihm, ganz nach seinem Traume. Er legte an, und wollte ihn schießen, aber der Hirsch sprang fort. Da jagte er ihm nach, über Graben und durch Gebüsche, und ward nicht müde den ganzen Tag; am Abend aber verschwand der Hirsch vor seinen Augen. Und als das Goldkind sich umsah, so stand er vor einem kleinen Haus, darin saß eine Hexe. Er klopfte an, und ein Mütterchen kam heraus, und fragte ‘was wollt ihr so spät noch mitten in dem großen Wald?’ Er sprach ‘habt ihr keinen Hirsch gesehen?’ ‘Ja,’ antwortete sie, ‘den Hirsch kenne ich wohl,’ und ein Hündlein, das mit ihr aus dem Haus gekommen war, bellte dabei den Mann so heftig an. ‘Willst du schweigen, du böse Kröte,’ sprach er, ‘sonst schieß ich dich todt.’ Da rief die Hexe zornig ‘was, mein Hündlein willst du tödten’ und verwandelte ihn alsbald, daß er da lag wie ein Stein, und seine Braut erwartete ihn umsonst, und dachte ‘es ist gewiß eingetroffen, was mir so Angst machte, und so schwer auf dem Herzen lag.’ Daheim aber stand der andere Bruder bei den Goldlilien, als plötzlich eine davon umfiel. ‘Ach Gott,’ sprach er, ‘meinem Bruder ist ein großes Unglück zugestoßen, ich muß fort, ob ich ihn vielleicht errette.’ Da sagte der Vater ‘bleib hier, wenn ich auch dich verliere, was soll

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/541>, abgerufen am 27.04.2024.