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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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Als aber der junge König gar nicht wieder kam, ward die Angst und Sorge der Königin immer größer. Nun trug sich zu daß gerade in dieser Zeit der andere Bruder, der bei der Trennung gen Osten gewandelt war, in das Königreich kam. Er hatte einen Dienst gesucht, und keinen gefunden, war dann herumgezogen hin und her, und hatte seine Thiere tanzen lassen. Da fiel ihm ein er wollte einmal nach dem Messer sehen, das sie bei ihrer Trennung in einen Baumstamm gestoßen hatten, um zu erfahren wie es seinem Bruder gienge. Wie er dahin kam, war seines Bruders Seite halb verrostet und halb war sie noch blank. Da erschrak er, und dachte 'meinem Bruder muß ein großes Unglück zugestoßen sein, doch kann ich ihn vielleicht noch retten, denn die Hälfte des Messers ist noch blank,' und zog mit seinen Thieren gen Westen. Als er in das Stadtthor kam, trat ihm die Wache entgegen, und fragte ob sie ihn bei seiner Gemahlin melden sollte, die junge Königin wäre schon seit ein paar Tagen in großer Angst über sein Ausbleiben, und fürchtete er wäre im Zauberwald umgekommen; denn die Wache glaubte nicht anders, als er wäre der junge König selbst, so ähnlich sah er ihm, und hatte auch die wilden Thiere hinter sich laufen. Da merkte er daß von seinem Bruder die Rede war, und dachte 'es ist das beste, ich gebe mich für ihn aus, so kann ich ihn wohl leichter erretten.' Also ließ er sich von der Wache ins Schloß begleiten, und ward mit großen Freuden empfangen. Die junge Königin meinte nicht anders als es wäre ihr Gemahl. Er erzählte ihr daß er sich in dem Wald verirrt hätte und nicht eher wieder sich herausfinden können. Abends ward er in das königliche

Als aber der junge König gar nicht wieder kam, ward die Angst und Sorge der Königin immer größer. Nun trug sich zu daß gerade in dieser Zeit der andere Bruder, der bei der Trennung gen Osten gewandelt war, in das Königreich kam. Er hatte einen Dienst gesucht, und keinen gefunden, war dann herumgezogen hin und her, und hatte seine Thiere tanzen lassen. Da fiel ihm ein er wollte einmal nach dem Messer sehen, das sie bei ihrer Trennung in einen Baumstamm gestoßen hatten, um zu erfahren wie es seinem Bruder gienge. Wie er dahin kam, war seines Bruders Seite halb verrostet und halb war sie noch blank. Da erschrak er, und dachte ‘meinem Bruder muß ein großes Unglück zugestoßen sein, doch kann ich ihn vielleicht noch retten, denn die Hälfte des Messers ist noch blank,’ und zog mit seinen Thieren gen Westen. Als er in das Stadtthor kam, trat ihm die Wache entgegen, und fragte ob sie ihn bei seiner Gemahlin melden sollte, die junge Königin wäre schon seit ein paar Tagen in großer Angst über sein Ausbleiben, und fürchtete er wäre im Zauberwald umgekommen; denn die Wache glaubte nicht anders, als er wäre der junge König selbst, so ähnlich sah er ihm, und hatte auch die wilden Thiere hinter sich laufen. Da merkte er daß von seinem Bruder die Rede war, und dachte ‘es ist das beste, ich gebe mich für ihn aus, so kann ich ihn wohl leichter erretten.’ Also ließ er sich von der Wache ins Schloß begleiten, und ward mit großen Freuden empfangen. Die junge Königin meinte nicht anders als es wäre ihr Gemahl. Er erzählte ihr daß er sich in dem Wald verirrt hätte und nicht eher wieder sich herausfinden können. Abends ward er in das königliche

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[385/0423] Als aber der junge König gar nicht wieder kam, ward die Angst und Sorge der Königin immer größer. Nun trug sich zu daß gerade in dieser Zeit der andere Bruder, der bei der Trennung gen Osten gewandelt war, in das Königreich kam. Er hatte einen Dienst gesucht, und keinen gefunden, war dann herumgezogen hin und her, und hatte seine Thiere tanzen lassen. Da fiel ihm ein er wollte einmal nach dem Messer sehen, das sie bei ihrer Trennung in einen Baumstamm gestoßen hatten, um zu erfahren wie es seinem Bruder gienge. Wie er dahin kam, war seines Bruders Seite halb verrostet und halb war sie noch blank. Da erschrak er, und dachte ‘meinem Bruder muß ein großes Unglück zugestoßen sein, doch kann ich ihn vielleicht noch retten, denn die Hälfte des Messers ist noch blank,’ und zog mit seinen Thieren gen Westen. Als er in das Stadtthor kam, trat ihm die Wache entgegen, und fragte ob sie ihn bei seiner Gemahlin melden sollte, die junge Königin wäre schon seit ein paar Tagen in großer Angst über sein Ausbleiben, und fürchtete er wäre im Zauberwald umgekommen; denn die Wache glaubte nicht anders, als er wäre der junge König selbst, so ähnlich sah er ihm, und hatte auch die wilden Thiere hinter sich laufen. Da merkte er daß von seinem Bruder die Rede war, und dachte ‘es ist das beste, ich gebe mich für ihn aus, so kann ich ihn wohl leichter erretten.’ Also ließ er sich von der Wache ins Schloß begleiten, und ward mit großen Freuden empfangen. Die junge Königin meinte nicht anders als es wäre ihr Gemahl. Er erzählte ihr daß er sich in dem Wald verirrt hätte und nicht eher wieder sich herausfinden können. Abends ward er in das königliche

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 385. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/423>, abgerufen am 10.05.2024.