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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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unsers Königs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm gekämpft und ihn getödtet, und da soll morgen ihre Vermählung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgehängt.'

Am andern Tag, wo die Hochzeit sein sollte, sprach der Jäger um Mittagszeit zum Wirth 'glaubt er wohl, Herr Wirth, daß ich heut Brot von des Königs Tisch hier bei ihm essen will?' 'Ja,' sprach der Wirth, 'da wollt ich doch noch hundert Goldstücke dran setzen, daß das nicht wahr ist.' Der Jäger nahm die Wette an, und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstücken dagegen. Dann rief er den Hasen, und sprach 'geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der König ißt.' Nun war das Häslein das geringste, und konnte es keinem andern wieder auftragen, sondern mußte sich selbst auf die Beine machen. 'Ei,' dachte es, 'wann ich so allein durch die Straßen springe, da werden die Metzgerhunde hinter mir drein sein.' Wie es dachte, so geschah es auch, und die Hunde kamen hinter ihm drein, und wollten ihm sein gutes Fell flicken. Es sprang aber, hast du nicht gesehen! und flüchtete sich in ein Schilderhaus ohne daß es der Soldat gewahr wurde. Da kamen die Hunde, und wollten es heraus haben, aber der Soldat verstand keinen Spaß, und schlug mit dem Kolben drein, daß sie schreiend und heulend fortliefen. Als der Hase merkte daß die Luft rein war, sprang er zum Schloß hinein und gerade zur Königstochter, und setzte sich unter ihren Stuhl, und kratzte sie am Fuß. Da sagte sie 'willst du fort!' und meinte

unsers Königs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm gekämpft und ihn getödtet, und da soll morgen ihre Vermählung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgehängt.’

Am andern Tag, wo die Hochzeit sein sollte, sprach der Jäger um Mittagszeit zum Wirth ‘glaubt er wohl, Herr Wirth, daß ich heut Brot von des Königs Tisch hier bei ihm essen will?’ ‘Ja,’ sprach der Wirth, ‘da wollt ich doch noch hundert Goldstücke dran setzen, daß das nicht wahr ist.’ Der Jäger nahm die Wette an, und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstücken dagegen. Dann rief er den Hasen, und sprach ‘geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der König ißt.’ Nun war das Häslein das geringste, und konnte es keinem andern wieder auftragen, sondern mußte sich selbst auf die Beine machen. ‘Ei,’ dachte es, ‘wann ich so allein durch die Straßen springe, da werden die Metzgerhunde hinter mir drein sein.’ Wie es dachte, so geschah es auch, und die Hunde kamen hinter ihm drein, und wollten ihm sein gutes Fell flicken. Es sprang aber, hast du nicht gesehen! und flüchtete sich in ein Schilderhaus ohne daß es der Soldat gewahr wurde. Da kamen die Hunde, und wollten es heraus haben, aber der Soldat verstand keinen Spaß, und schlug mit dem Kolben drein, daß sie schreiend und heulend fortliefen. Als der Hase merkte daß die Luft rein war, sprang er zum Schloß hinein und gerade zur Königstochter, und setzte sich unter ihren Stuhl, und kratzte sie am Fuß. Da sagte sie ‘willst du fort!’ und meinte

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[375/0413] unsers Königs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden, aber der Marschall hat mit ihm gekämpft und ihn getödtet, und da soll morgen ihre Vermählung gefeiert werden; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer, und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgehängt.’ Am andern Tag, wo die Hochzeit sein sollte, sprach der Jäger um Mittagszeit zum Wirth ‘glaubt er wohl, Herr Wirth, daß ich heut Brot von des Königs Tisch hier bei ihm essen will?’ ‘Ja,’ sprach der Wirth, ‘da wollt ich doch noch hundert Goldstücke dran setzen, daß das nicht wahr ist.’ Der Jäger nahm die Wette an, und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstücken dagegen. Dann rief er den Hasen, und sprach ‘geh hin, lieber Springer, und hol mir von dem Brot, das der König ißt.’ Nun war das Häslein das geringste, und konnte es keinem andern wieder auftragen, sondern mußte sich selbst auf die Beine machen. ‘Ei,’ dachte es, ‘wann ich so allein durch die Straßen springe, da werden die Metzgerhunde hinter mir drein sein.’ Wie es dachte, so geschah es auch, und die Hunde kamen hinter ihm drein, und wollten ihm sein gutes Fell flicken. Es sprang aber, hast du nicht gesehen! und flüchtete sich in ein Schilderhaus ohne daß es der Soldat gewahr wurde. Da kamen die Hunde, und wollten es heraus haben, aber der Soldat verstand keinen Spaß, und schlug mit dem Kolben drein, daß sie schreiend und heulend fortliefen. Als der Hase merkte daß die Luft rein war, sprang er zum Schloß hinein und gerade zur Königstochter, und setzte sich unter ihren Stuhl, und kratzte sie am Fuß. Da sagte sie ‘willst du fort!’ und meinte

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/413>, abgerufen am 22.11.2024.