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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

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aber in einem halb zerrissenen Rock kam, das schäbige Hütlein auf dem Kopf, den alten Ranzen auf dem Rücken, so wollten sie ihn nicht für ihren Bruder anerkennen. Sie spotteten, und sagten 'du giebst dich für unsern Bruder aus, der Silber und Gold verschmähte, und für sich ein besseres Glück verlangte; der kommt gewiß in voller Pracht als ein mächtiger König angefahren, nicht als ein Bettelmann;' und jagten ihn zur Thüre hinaus. Da gerieth er in Zorn, klopfte auf seinen Ranzen so lange bis hundert und funfzig Mann in Reih und Glied vor ihm standen. Er befahl ihnen das Haus seiner Brüder zu umzingeln, und zwei sollten Haselgerten mitnehmen und den beiden übermüthigen die Haut auf dem Leib so lange weich gerben, bis sie wüßten wer er wäre. Es entstand ein gewaltiger Lärm, die Leute liefen zusammen, und wollten den beiden in der Noth Beistand leisten, aber sie konnten gegen die Soldaten nichts ausrichten. Es geschah aber dem Könige Meldung davon, der ward unwillig, und ließ einen Hauptmann mit seiner Schaar ausrücken; aber der Mann mit dem Ranzen hatte bald eine größere Mannschaft zusammen, die schlug den Hauptmann mit seinen Leuten zurück, daß sie mit blutigen Nasen abziehen mußten. Der König sprach 'der hergelaufene Kerl ist noch zu bändigen,' und schickte am andern Tage eine größere Schaar gegen ihn aus, aber sie konnte noch weniger ausrichten. Er stellte noch mehr Volk entgegen, und dann drehte er ein paarmal sein Hütlein auf dem Kopf herum, da fieng das schwere Geschütz an zu spielen, und des Königs Leute wurden geschlagen und in die Flucht gejagt. 'Jetzt mache ich nicht eher Frieden,' sprach er, 'als bis

aber in einem halb zerrissenen Rock kam, das schäbige Hütlein auf dem Kopf, den alten Ranzen auf dem Rücken, so wollten sie ihn nicht für ihren Bruder anerkennen. Sie spotteten, und sagten ‘du giebst dich für unsern Bruder aus, der Silber und Gold verschmähte, und für sich ein besseres Glück verlangte; der kommt gewiß in voller Pracht als ein mächtiger König angefahren, nicht als ein Bettelmann;’ und jagten ihn zur Thüre hinaus. Da gerieth er in Zorn, klopfte auf seinen Ranzen so lange bis hundert und funfzig Mann in Reih und Glied vor ihm standen. Er befahl ihnen das Haus seiner Brüder zu umzingeln, und zwei sollten Haselgerten mitnehmen und den beiden übermüthigen die Haut auf dem Leib so lange weich gerben, bis sie wüßten wer er wäre. Es entstand ein gewaltiger Lärm, die Leute liefen zusammen, und wollten den beiden in der Noth Beistand leisten, aber sie konnten gegen die Soldaten nichts ausrichten. Es geschah aber dem Könige Meldung davon, der ward unwillig, und ließ einen Hauptmann mit seiner Schaar ausrücken; aber der Mann mit dem Ranzen hatte bald eine größere Mannschaft zusammen, die schlug den Hauptmann mit seinen Leuten zurück, daß sie mit blutigen Nasen abziehen mußten. Der König sprach ‘der hergelaufene Kerl ist noch zu bändigen,’ und schickte am andern Tage eine größere Schaar gegen ihn aus, aber sie konnte noch weniger ausrichten. Er stellte noch mehr Volk entgegen, und dann drehte er ein paarmal sein Hütlein auf dem Kopf herum, da fieng das schwere Geschütz an zu spielen, und des Königs Leute wurden geschlagen und in die Flucht gejagt. ‘Jetzt mache ich nicht eher Frieden,’ sprach er, ‘als bis

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[325/0363] aber in einem halb zerrissenen Rock kam, das schäbige Hütlein auf dem Kopf, den alten Ranzen auf dem Rücken, so wollten sie ihn nicht für ihren Bruder anerkennen. Sie spotteten, und sagten ‘du giebst dich für unsern Bruder aus, der Silber und Gold verschmähte, und für sich ein besseres Glück verlangte; der kommt gewiß in voller Pracht als ein mächtiger König angefahren, nicht als ein Bettelmann;’ und jagten ihn zur Thüre hinaus. Da gerieth er in Zorn, klopfte auf seinen Ranzen so lange bis hundert und funfzig Mann in Reih und Glied vor ihm standen. Er befahl ihnen das Haus seiner Brüder zu umzingeln, und zwei sollten Haselgerten mitnehmen und den beiden übermüthigen die Haut auf dem Leib so lange weich gerben, bis sie wüßten wer er wäre. Es entstand ein gewaltiger Lärm, die Leute liefen zusammen, und wollten den beiden in der Noth Beistand leisten, aber sie konnten gegen die Soldaten nichts ausrichten. Es geschah aber dem Könige Meldung davon, der ward unwillig, und ließ einen Hauptmann mit seiner Schaar ausrücken; aber der Mann mit dem Ranzen hatte bald eine größere Mannschaft zusammen, die schlug den Hauptmann mit seinen Leuten zurück, daß sie mit blutigen Nasen abziehen mußten. Der König sprach ‘der hergelaufene Kerl ist noch zu bändigen,’ und schickte am andern Tage eine größere Schaar gegen ihn aus, aber sie konnte noch weniger ausrichten. Er stellte noch mehr Volk entgegen, und dann drehte er ein paarmal sein Hütlein auf dem Kopf herum, da fieng das schwere Geschütz an zu spielen, und des Königs Leute wurden geschlagen und in die Flucht gejagt. ‘Jetzt mache ich nicht eher Frieden,’ sprach er, ‘als bis

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 325. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/363>, abgerufen am 11.05.2024.