Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr, und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles nichts; das liebe Kind war todt und blieb todt. Sie legten es auf eine Bahre, und setzten sich alle siebene daran, und beweinten es, und weinten drei Tage lang. Da wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus, wie ein lebender Mensch, und hatte noch seine schönen rothen Backen. Sie sprachen 'das können wir nicht in die schwarze Erde versenken,' und ließen einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, daß man es von allen Seiten sehen konnte, legten es hinein, und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf, und daß es eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg hinaus auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte ihn. Und die Thiere kamen auch, und beweinten Sneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen. Nun lag Sneewittchen lange lange Zeit in dem Sarg, und verweste nicht, sondern sah aus als wenn es schliefe, denn es war noch so weiß als Schnee, so roth als Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Es geschah aber, daß ein Königssohn in den Wald gerieth, und zu dem Zwergenhaus kam, da zu übernachten. Er sah auf dem Berg den Sarg, und das schöne Sneewittchen darin, und las was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war. Da sprach er zu den Zwergen 'laßt mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt.' Aber die Zwerge antworteten 'wir geben ihn nicht um alles Gold Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr, und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles nichts; das liebe Kind war todt und blieb todt. Sie legten es auf eine Bahre, und setzten sich alle siebene daran, und beweinten es, und weinten drei Tage lang. Da wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus, wie ein lebender Mensch, und hatte noch seine schönen rothen Backen. Sie sprachen ‘das können wir nicht in die schwarze Erde versenken,’ und ließen einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, daß man es von allen Seiten sehen konnte, legten es hinein, und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf, und daß es eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg hinaus auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte ihn. Und die Thiere kamen auch, und beweinten Sneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen. Nun lag Sneewittchen lange lange Zeit in dem Sarg, und verweste nicht, sondern sah aus als wenn es schliefe, denn es war noch so weiß als Schnee, so roth als Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Es geschah aber, daß ein Königssohn in den Wald gerieth, und zu dem Zwergenhaus kam, da zu übernachten. Er sah auf dem Berg den Sarg, und das schöne Sneewittchen darin, und las was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war. Da sprach er zu den Zwergen ‘laßt mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt.’ Aber die Zwerge antworteten ‘wir geben ihn nicht um alles Gold <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0355" n="317"/> Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr, und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles nichts; das liebe Kind war todt und blieb todt. Sie legten es auf eine Bahre, und setzten sich alle siebene daran, und beweinten es, und weinten drei Tage lang. Da wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus, wie ein lebender Mensch, und hatte noch seine schönen rothen Backen. Sie sprachen ‘das können wir nicht in die schwarze Erde versenken,’ und ließen einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, daß man es von allen Seiten sehen konnte, legten es hinein, und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf, und daß es eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg hinaus auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte ihn. Und die Thiere kamen auch, und beweinten Sneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen.</p><lb/> <p>Nun lag Sneewittchen lange lange Zeit in dem Sarg, und verweste nicht, sondern sah aus als wenn es schliefe, denn es war noch so weiß als Schnee, so roth als Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Es geschah aber, daß ein Königssohn in den Wald gerieth, und zu dem Zwergenhaus kam, da zu übernachten. Er sah auf dem Berg den Sarg, und das schöne Sneewittchen darin, und las was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war. Da sprach er zu den Zwergen ‘laßt mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt.’ Aber die Zwerge antworteten ‘wir geben ihn nicht um alles Gold </p> </div> </body> </text> </TEI> [317/0355]
Sneewittchen auf der Erde liegen, und regte sich kein Athem mehr, und es war todt. Sie hoben es auf, suchten ob sie was giftiges fänden, schnürten es auf, kämmten ihm die Haare, wuschen es mit Wasser und Wein, aber es half alles nichts; das liebe Kind war todt und blieb todt. Sie legten es auf eine Bahre, und setzten sich alle siebene daran, und beweinten es, und weinten drei Tage lang. Da wollten sie es begraben, aber es sah noch so frisch aus, wie ein lebender Mensch, und hatte noch seine schönen rothen Backen. Sie sprachen ‘das können wir nicht in die schwarze Erde versenken,’ und ließen einen durchsichtigen Sarg von Glas machen, daß man es von allen Seiten sehen konnte, legten es hinein, und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf, und daß es eine Königstochter wäre. Dann setzten sie den Sarg hinaus auf den Berg, und einer von ihnen blieb immer dabei und bewachte ihn. Und die Thiere kamen auch, und beweinten Sneewittchen, erst eine Eule, dann ein Rabe, zuletzt ein Täubchen.
Nun lag Sneewittchen lange lange Zeit in dem Sarg, und verweste nicht, sondern sah aus als wenn es schliefe, denn es war noch so weiß als Schnee, so roth als Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz. Es geschah aber, daß ein Königssohn in den Wald gerieth, und zu dem Zwergenhaus kam, da zu übernachten. Er sah auf dem Berg den Sarg, und das schöne Sneewittchen darin, und las was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war. Da sprach er zu den Zwergen ‘laßt mir den Sarg, ich will euch geben, was ihr dafür haben wollt.’ Aber die Zwerge antworteten ‘wir geben ihn nicht um alles Gold
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2015-05-11T18:40:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2016-06-01T14:12:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |