Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

'laß nur das Weinen, ich sehe wohl du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Königs Schloß gewesen, und habe gefragt ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen sie wollten dich dazu nehmen, dafür bekommst du freies Essen.'

Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie was ihr von dem übrig gebliebenen zu Theil ward nach Haus und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden, da gieng die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthüre, und sah zu. Als nun die Lichter angezündet wurden, und immer einer schöner als der andere hereintrat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz und Übermuth, der sie erniedrigt und in diese Armuth gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das that sie in ihr Töpfchen, und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Ketten daher, und als er die schöne Frau in der Thüre stehen sah, ergriff er sie bei der Hand, und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht, und erschrak, denn sie sah daß es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Als sie sich sträubte, zog er sie herein, da gieng das Band auf, welches die Taschen hielt, und die Töpfe fielen heraus, daß

‘laß nur das Weinen, ich sehe wohl du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Königs Schloß gewesen, und habe gefragt ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen sie wollten dich dazu nehmen, dafür bekommst du freies Essen.’

Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie was ihr von dem übrig gebliebenen zu Theil ward nach Haus und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden, da gieng die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthüre, und sah zu. Als nun die Lichter angezündet wurden, und immer einer schöner als der andere hereintrat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz und Übermuth, der sie erniedrigt und in diese Armuth gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das that sie in ihr Töpfchen, und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Ketten daher, und als er die schöne Frau in der Thüre stehen sah, ergriff er sie bei der Hand, und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht, und erschrak, denn sie sah daß es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Als sie sich sträubte, zog er sie herein, da gieng das Band auf, welches die Taschen hielt, und die Töpfe fielen heraus, daß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0344" n="306"/>
&#x2018;laß nur das Weinen, ich sehe wohl du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Königs Schloß gewesen, und habe gefragt ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen sie wollten dich dazu nehmen, dafür bekommst du freies Essen.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie was ihr von dem übrig gebliebenen zu Theil ward nach Haus und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden, da gieng die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthüre, und sah zu. Als nun die Lichter angezündet wurden, und immer einer schöner als der andere hereintrat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz und Übermuth, der sie erniedrigt und in diese Armuth gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das that sie in ihr Töpfchen, und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Ketten daher, und als er die schöne Frau in der Thüre stehen sah, ergriff er sie bei der Hand, und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht, und erschrak, denn sie sah daß es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Als sie sich sträubte, zog er sie herein, da gieng das Band auf, welches die Taschen hielt, und die Töpfe fielen heraus, daß
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[306/0344] ‘laß nur das Weinen, ich sehe wohl du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen; da bin ich in unseres Königs Schloß gewesen, und habe gefragt ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten, und sie haben mir versprochen sie wollten dich dazu nehmen, dafür bekommst du freies Essen.’ Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd, mußte dem Koch zur Hand gehen und die sauerste Arbeit thun. Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Töpfchen fest, darin brachte sie was ihr von dem übrig gebliebenen zu Theil ward nach Haus und sie lebten zusammen davon. Es trug sich zu, daß die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden, da gieng die arme Frau hinauf, stellte sich vor die Saalthüre, und sah zu. Als nun die Lichter angezündet wurden, und immer einer schöner als der andere hereintrat, und alles voll Pracht und Herrlichkeit war, da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal und verwünschte ihren Stolz und Übermuth, der sie erniedrigt und in diese Armuth gestürzt hatte. Von den köstlichen Speisen, die da ein und ausgetragen wurden, erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt, das that sie in ihr Töpfchen, und wollte es heim tragen. Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Ketten daher, und als er die schöne Frau in der Thüre stehen sah, ergriff er sie bei der Hand, und wollte mit ihr tanzen, aber sie wollte nicht, und erschrak, denn sie sah daß es der König Drosselbart war, der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte. Als sie sich sträubte, zog er sie herein, da gieng das Band auf, welches die Taschen hielt, und die Töpfe fielen heraus, daß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/344
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/344>, abgerufen am 25.11.2024.