Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.49. Die sechs Schwäne. Es jagte einmal ein König in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend war, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der König redete sie an, und sprach 'liebe Frau, könnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen?' 'O ja, Herr König,' antwortete sie, 'das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfüllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und müßt darin Hungers sterben.' 'Was ist das für eine Bedingung?' fragte der König. 'Jch habe eine Tochter,' sagte die Alte, 'die so schön ist wie ihr eine auf der Welt finden könnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Königin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.' Der König sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte führte ihn zu ihrem Häuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den König als wenn sie ihn erwartet hätte, und er sah wohl daß sie sehr schön war, aber sie gefiel ihm 49. Die sechs Schwäne. Es jagte einmal ein König in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend war, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der König redete sie an, und sprach ‘liebe Frau, könnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen?’ ‘O ja, Herr König,’ antwortete sie, ‘das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfüllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und müßt darin Hungers sterben.’ ‘Was ist das für eine Bedingung?’ fragte der König. ‘Jch habe eine Tochter,’ sagte die Alte, ‘die so schön ist wie ihr eine auf der Welt finden könnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Königin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.’ Der König sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte führte ihn zu ihrem Häuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den König als wenn sie ihn erwartet hätte, und er sah wohl daß sie sehr schön war, aber sie gefiel ihm <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0324" n="286"/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b">49.<lb/> Die sechs Schwäne.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">E</hi>s jagte einmal ein König in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend war, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der König redete sie an, und sprach ‘liebe Frau, könnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen?’ ‘O ja, Herr König,’ antwortete sie, ‘das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfüllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und müßt darin Hungers sterben.’ ‘Was ist das für eine Bedingung?’ fragte der König. ‘Jch habe eine Tochter,’ sagte die Alte, ‘die so schön ist wie ihr eine auf der Welt finden könnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Königin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.’ Der König sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte führte ihn zu ihrem Häuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den König als wenn sie ihn erwartet hätte, und er sah wohl daß sie sehr schön war, aber sie gefiel ihm </p> </div> </body> </text> </TEI> [286/0324]
49.
Die sechs Schwäne.
Es jagte einmal ein König in einem großen Wald, und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte. Und als es Abend war, und er still hielt und um sich blickte, so sah er daß er sich verirrt hatte. Er suchte einen Ausgang, konnte aber keinen finden. Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe, die auf ihn zu kam; das war aber eine Hexe. Der König redete sie an, und sprach ‘liebe Frau, könnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen?’ ‘O ja, Herr König,’ antwortete sie, ‘das kann ich wohl, aber es ist eine Bedingung dabei, wenn ihr die nicht erfüllt, so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald, und müßt darin Hungers sterben.’ ‘Was ist das für eine Bedingung?’ fragte der König. ‘Jch habe eine Tochter,’ sagte die Alte, ‘die so schön ist wie ihr eine auf der Welt finden könnt, und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden, wollt ihr die heirathen und zur Frau Königin machen, so zeige ich euch den Weg aus dem Walde.’ Der König sagte in der Angst seines Herzens ja, und die Alte führte ihn zu ihrem Häuschen, wo ihre Tochter beim Feuer saß. Sie empfieng den König als wenn sie ihn erwartet hätte, und er sah wohl daß sie sehr schön war, aber sie gefiel ihm
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