Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

Herr mit seiner Frau ins Heu, und sie nehmen ihr kleines Kind mit, weil niemand im Hause zurückbleibt. Sie pflegen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu legen: leg dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen. Jch will dann aus dem Walde heraustraben, und das Kind rauben, du mußt mir eifrig nachspringen als wolltest du mir es wieder abjagen. Jch lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück, die glauben dann du hättest es gerettet, und sind viel zu dankbar als daß sie dir ein Leid anthun sollten: im Gegentheil, du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen.'

Der Anschlag gefiel dem Hund, und wie er ausgedacht war so wurde er auch ausgeführt. Der Vater schrie als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah, als es aber der alte Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn, und sagte 'dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnadenbrot essen, so lange du lebst.' Zu seiner Frau aber sprach er 'geh gleich heim, und koche dem alten Sultan einen Weckbrei, den braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus meinem Bette, das schenk ich ihm zu seinem Lager.' Von nun an hatte es der alte Sultan so gut als er sichs nur wünschen konnte. Bald hernach besuchte ihn der Wolf, und freute sich daß alles so wohl gelungen war. 'Aber Gevatter,' sagte er, 'du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole. Es wird einem heutzutage schwer sich durchzuschlagen.' 'Darauf rechne nicht,' antwortete der Hund, 'meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zugeben.'

Herr mit seiner Frau ins Heu, und sie nehmen ihr kleines Kind mit, weil niemand im Hause zurückbleibt. Sie pflegen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu legen: leg dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen. Jch will dann aus dem Walde heraustraben, und das Kind rauben, du mußt mir eifrig nachspringen als wolltest du mir es wieder abjagen. Jch lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück, die glauben dann du hättest es gerettet, und sind viel zu dankbar als daß sie dir ein Leid anthun sollten: im Gegentheil, du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen.’

Der Anschlag gefiel dem Hund, und wie er ausgedacht war so wurde er auch ausgeführt. Der Vater schrie als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah, als es aber der alte Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn, und sagte ‘dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnadenbrot essen, so lange du lebst.’ Zu seiner Frau aber sprach er ‘geh gleich heim, und koche dem alten Sultan einen Weckbrei, den braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus meinem Bette, das schenk ich ihm zu seinem Lager.’ Von nun an hatte es der alte Sultan so gut als er sichs nur wünschen konnte. Bald hernach besuchte ihn der Wolf, und freute sich daß alles so wohl gelungen war. ‘Aber Gevatter,’ sagte er, ‘du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole. Es wird einem heutzutage schwer sich durchzuschlagen.’ ‘Darauf rechne nicht,’ antwortete der Hund, ‘meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zugeben.’

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0321" n="283"/>
Herr mit seiner Frau ins Heu, und sie nehmen ihr kleines Kind mit, weil niemand im Hause zurückbleibt. Sie pflegen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu legen: leg dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen. Jch will dann aus dem Walde heraustraben, und das Kind rauben, du mußt mir eifrig nachspringen als wolltest du mir es wieder abjagen. Jch lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück, die glauben dann du hättest es gerettet, und sind viel zu dankbar als daß sie dir ein Leid anthun sollten: im Gegentheil, du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen.&#x2019;</p><lb/>
        <p>Der Anschlag gefiel dem Hund, und wie er ausgedacht war so wurde er auch ausgeführt. Der Vater schrie als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah, als es aber der alte Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn, und sagte &#x2018;dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnadenbrot essen, so lange du lebst.&#x2019; Zu seiner Frau aber sprach er &#x2018;geh gleich heim, und koche dem alten Sultan einen Weckbrei, den braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus meinem Bette, das schenk ich ihm zu seinem Lager.&#x2019; Von nun an hatte es der alte Sultan so gut als er sichs nur wünschen konnte. Bald hernach besuchte ihn der Wolf, und freute sich daß alles so wohl gelungen war. &#x2018;Aber Gevatter,&#x2019; sagte er, &#x2018;du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole. Es wird einem heutzutage schwer sich durchzuschlagen.&#x2019; &#x2018;Darauf rechne nicht,&#x2019; antwortete der Hund, &#x2018;meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zugeben.&#x2019;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0321] Herr mit seiner Frau ins Heu, und sie nehmen ihr kleines Kind mit, weil niemand im Hause zurückbleibt. Sie pflegen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu legen: leg dich daneben, gleich als wolltest du es bewachen. Jch will dann aus dem Walde heraustraben, und das Kind rauben, du mußt mir eifrig nachspringen als wolltest du mir es wieder abjagen. Jch lasse es fallen, und du bringst es den Eltern wieder zurück, die glauben dann du hättest es gerettet, und sind viel zu dankbar als daß sie dir ein Leid anthun sollten: im Gegentheil, du kommst in völlige Gnade, und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen.’ Der Anschlag gefiel dem Hund, und wie er ausgedacht war so wurde er auch ausgeführt. Der Vater schrie als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah, als es aber der alte Sultan zurückbrachte, da war er froh, streichelte ihn, und sagte ‘dir soll kein Härchen gekrümmt werden, du sollst das Gnadenbrot essen, so lange du lebst.’ Zu seiner Frau aber sprach er ‘geh gleich heim, und koche dem alten Sultan einen Weckbrei, den braucht er nicht zu beißen, und bring das Kopfkissen aus meinem Bette, das schenk ich ihm zu seinem Lager.’ Von nun an hatte es der alte Sultan so gut als er sichs nur wünschen konnte. Bald hernach besuchte ihn der Wolf, und freute sich daß alles so wohl gelungen war. ‘Aber Gevatter,’ sagte er, ‘du wirst doch ein Auge zudrücken, wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole. Es wird einem heutzutage schwer sich durchzuschlagen.’ ‘Darauf rechne nicht,’ antwortete der Hund, ‘meinem Herrn bleibe ich treu, das darf ich nicht zugeben.’

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/321
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/321>, abgerufen am 03.12.2024.