Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843.

Bild:
<< vorherige Seite

auf die Klinke, trat hinein, und gieng, ohne ein Wort zu sprechen, geradezu an das Bett der Großmutter, und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett, und zog die Vorhänge vor.

Rothkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich daß die Thüre aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dacht; 'ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mirs heute zu Muth, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!' Darauf gieng es zum Bett, und zog die Vorhänge zurück: da lag die Großmutter, und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt, und sah so wunderlich aus. 'Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!' 'Daß ich dich besser hören kann.' 'Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!' 'Daß ich dich besser sehen kann.' 'Ei, Großmutter, was hast du für große Hände!' 'Daß ich dich besser packen kann.' 'Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!' 'Daß ich dich besser fressen kann.' Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er aus dem Bette und auf das arme Rothkäppchen, und verschlang es.

Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein, und fieng an überlaut zu schnarchen. Der Jäger gieng eben vorbei, und dachte bei sich 'wie kann die alte Frau so schnarchen, du mußt einmal nachsehen ob ihr etwas fehlt.' Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so lag der Wolf

auf die Klinke, trat hinein, und gieng, ohne ein Wort zu sprechen, geradezu an das Bett der Großmutter, und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett, und zog die Vorhänge vor.

Rothkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich daß die Thüre aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dacht; ‘ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mirs heute zu Muth, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!’ Darauf gieng es zum Bett, und zog die Vorhänge zurück: da lag die Großmutter, und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt, und sah so wunderlich aus. ‘Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!’ ‘Daß ich dich besser hören kann.’ ‘Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!’ ‘Daß ich dich besser sehen kann.’ ‘Ei, Großmutter, was hast du für große Hände!’ ‘Daß ich dich besser packen kann.’ ‘Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!’ ‘Daß ich dich besser fressen kann.’ Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er aus dem Bette und auf das arme Rothkäppchen, und verschlang es.

Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein, und fieng an überlaut zu schnarchen. Der Jäger gieng eben vorbei, und dachte bei sich ‘wie kann die alte Frau so schnarchen, du mußt einmal nachsehen ob ihr etwas fehlt.’ Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so lag der Wolf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0203" n="165"/>
auf die Klinke, trat hinein, und gieng, ohne ein Wort zu sprechen, geradezu an das Bett der Großmutter, und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett, und zog die Vorhänge vor.</p><lb/>
        <p>Rothkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich daß die Thüre aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dacht; &#x2018;ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mirs heute zu Muth, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!&#x2019; Darauf gieng es zum Bett, und zog die Vorhänge zurück: da lag die Großmutter, und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt, und sah so wunderlich aus. &#x2018;Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!&#x2019; &#x2018;Daß ich dich besser hören kann.&#x2019; &#x2018;Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!&#x2019; &#x2018;Daß ich dich besser sehen kann.&#x2019; &#x2018;Ei, Großmutter, was hast du für große Hände!&#x2019; &#x2018;Daß ich dich besser packen kann.&#x2019; &#x2018;Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!&#x2019; &#x2018;Daß ich dich besser fressen kann.&#x2019; Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er aus dem Bette und auf das arme Rothkäppchen, und verschlang es.</p><lb/>
        <p>Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein, und fieng an überlaut zu schnarchen. Der Jäger gieng eben vorbei, und dachte bei sich &#x2018;wie kann die alte Frau so schnarchen, du mußt einmal nachsehen ob ihr etwas fehlt.&#x2019; Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so lag der Wolf
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[165/0203] auf die Klinke, trat hinein, und gieng, ohne ein Wort zu sprechen, geradezu an das Bett der Großmutter, und verschluckte sie. Dann nahm er ihre Kleider, that sie an, setzte ihre Haube auf, legte sich in ihr Bett, und zog die Vorhänge vor. Rothkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen, und als es so viel hatte, daß es keine mehr tragen konnte, fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich auf den Weg zu ihr. Es wunderte sich daß die Thüre aufstand, und wie es in die Stube trat, so kam es ihm so seltsam darin vor, daß es dacht; ‘ei, du mein Gott, wie ängstlich wird mirs heute zu Muth, und bin sonst so gerne bei der Großmutter!’ Darauf gieng es zum Bett, und zog die Vorhänge zurück: da lag die Großmutter, und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt, und sah so wunderlich aus. ‘Ei, Großmutter, was hast du für große Ohren!’ ‘Daß ich dich besser hören kann.’ ‘Ei, Großmutter, was hast du für große Augen!’ ‘Daß ich dich besser sehen kann.’ ‘Ei, Großmutter, was hast du für große Hände!’ ‘Daß ich dich besser packen kann.’ ‘Aber, Großmutter, was hast du für ein entsetzlich großes Maul!’ ‘Daß ich dich besser fressen kann.’ Und wie der Wolf das gesagt hatte, sprang er aus dem Bette und auf das arme Rothkäppchen, und verschlang es. Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte, legte er sich wieder ins Bett, schlief ein, und fieng an überlaut zu schnarchen. Der Jäger gieng eben vorbei, und dachte bei sich ‘wie kann die alte Frau so schnarchen, du mußt einmal nachsehen ob ihr etwas fehlt.’ Da trat er in die Stube, und wie er vor das Bette kam, so lag der Wolf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2016-06-01T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/203
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 5. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1843, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1843/203>, abgerufen am 02.05.2024.