Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

stach sie sich in die Finger, und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen, und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese, und gieng auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder 'ach, zieh mich raus, zieh mich raus sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.' Die Faule aber antwortete 'da hätt ich Lust mich schmutzig zu machen,' und gieng fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief 'ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.' Sie antwortete aber 'du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,' und gieng damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen: sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht, und schüttelte es nicht daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde, und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden, und meinte nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. 'Das ist zur Belohnung deiner Dienste' sagte die Frau Holle, und schloß das Thor zu. Da

stach sie sich in die Finger, und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen, und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese, und gieng auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder ‘ach, zieh mich raus, zieh mich raus sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.’ Die Faule aber antwortete ‘da hätt ich Lust mich schmutzig zu machen,’ und gieng fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief ‘ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.’ Sie antwortete aber ‘du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,’ und gieng damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen: sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht, und schüttelte es nicht daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde, und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden, und meinte nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. ‘Das ist zur Belohnung deiner Dienste’ sagte die Frau Holle, und schloß das Thor zu. Da

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0206" n="157"/>
stach sie sich in die Finger, und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen, und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese, und gieng auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder &#x2018;ach, zieh mich raus, zieh mich raus sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.&#x2019; Die Faule aber antwortete &#x2018;da hätt ich Lust mich schmutzig zu machen,&#x2019; und gieng fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief &#x2018;ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.&#x2019; Sie antwortete aber &#x2018;du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,&#x2019; und gieng damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen: sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht, und schüttelte es nicht daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde, und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden, und meinte nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. &#x2018;Das ist zur Belohnung deiner Dienste&#x2019; sagte die Frau Holle, und schloß das Thor zu. Da
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[157/0206] stach sie sich in die Finger, und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke. Dann warf sie die Spule in den Brunnen, und sprang selber hinein. Sie kam, wie die andere, auf die schöne Wiese, und gieng auf demselben Pfade weiter. Als sie zu dem Backofen gelangte, schrie das Brot wieder ‘ach, zieh mich raus, zieh mich raus sonst verbrenn ich, ich bin schon längst ausgebacken.’ Die Faule aber antwortete ‘da hätt ich Lust mich schmutzig zu machen,’ und gieng fort. Bald kam sie zu dem Apfelbaum, der rief ‘ach, schüttel mich, schüttel mich, wir Aepfel sind alle mit einander reif.’ Sie antwortete aber ‘du kommst mir recht, es könnte mir einer auf den Kopf fallen,’ und gieng damit weiter. Als sie vor der Frau Holle Haus kam, fürchtete sie sich nicht, weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte, und verdingte sich gleich zu ihr. Am ersten Tag that sie sich Gewalt an, war fleißig und folgte der Frau Holle, wenn sie ihr etwas sagte, denn sie dachte an das viele Gold, das sie ihr schenken würde; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen, am dritten noch mehr, da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen: sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht, und schüttelte es nicht daß die Federn aufflogen. Das ward die Frau Holle bald müde, und sagte der Faulen den Dienst auf. Die war es wohl zufrieden, und meinte nun würde der Goldregen kommen; die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor, als sie aber darunter stand, ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet. ‘Das ist zur Belohnung deiner Dienste’ sagte die Frau Holle, und schloß das Thor zu. Da

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/206
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/206>, abgerufen am 08.05.2024.