Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Bißen hinunter geschluckt, so fielen sie alle todt nieder. Es war niemand mehr im Hause übrig als die Tochter des Wirths, die es redlich meinte, und an den gottlosen Dingen keinen Theil genommen hatte. Sie öffnete dem Fremden alle Thüren, und zeigte ihm die angehäuften Schätze. Der Königssohn aber sagte sie möchte alles behalten, und ritt mit seinem Diener weiter.

Nachdem sie lange herum gezogen waren, kamen sie in eine Stadt, worin eine schöne aber übermüthige Königstochter war, die hatte bekannt machen lassen wer ihr ein Räthsel vorlegte das sie nicht errathen könnte, der sollte ihr Gemahl werden; erriethe sie es aber, so müßte er sich das Haupt abschlagen lassen. Drei Tage hatte sie Zeit sich zu besinnen, sie war aber so klug daß sie immer die vorgelegten Räthsel vor der bestimmten Zeit errieth. Schon hatten neune sich hingeopfert, als der Königssohn kam, und, von ihrer großen Schönheit geblendet, sein Leben daran wagte. Er trat vor sie hin, und gab ihr sein Räthsel auf, 'was ist das,' sagte er, 'einer schlug keinen, und schlug doch zwölfe.' Sie wußte nicht was das war, sie sann und sann, aber sie brachte es nicht heraus: sie schlug ihre Räthselbücher auf, aber es stand nicht darin; kurz, ihr Latein war zu Ende. Da sie sich nicht zu helfen wußte, befahl sie ihrer Magd in das Schlafgemach des Herrn zu schleichen, da sollte sie seine Träume behorchen, und dachte er rede vielleicht im Schlaf, und verrathe das Räthsel. Aber der kluge Diener hatte sich statt des Herrn ins Bett gelegt, und als die Magd heran kam, nahm er ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen

Bißen hinunter geschluckt, so fielen sie alle todt nieder. Es war niemand mehr im Hause übrig als die Tochter des Wirths, die es redlich meinte, und an den gottlosen Dingen keinen Theil genommen hatte. Sie öffnete dem Fremden alle Thüren, und zeigte ihm die angehäuften Schätze. Der Königssohn aber sagte sie möchte alles behalten, und ritt mit seinem Diener weiter.

Nachdem sie lange herum gezogen waren, kamen sie in eine Stadt, worin eine schöne aber übermüthige Königstochter war, die hatte bekannt machen lassen wer ihr ein Räthsel vorlegte das sie nicht errathen könnte, der sollte ihr Gemahl werden; erriethe sie es aber, so müßte er sich das Haupt abschlagen lassen. Drei Tage hatte sie Zeit sich zu besinnen, sie war aber so klug daß sie immer die vorgelegten Räthsel vor der bestimmten Zeit errieth. Schon hatten neune sich hingeopfert, als der Königssohn kam, und, von ihrer großen Schönheit geblendet, sein Leben daran wagte. Er trat vor sie hin, und gab ihr sein Räthsel auf, ‘was ist das,’ sagte er, ‘einer schlug keinen, und schlug doch zwölfe.’ Sie wußte nicht was das war, sie sann und sann, aber sie brachte es nicht heraus: sie schlug ihre Räthselbücher auf, aber es stand nicht darin; kurz, ihr Latein war zu Ende. Da sie sich nicht zu helfen wußte, befahl sie ihrer Magd in das Schlafgemach des Herrn zu schleichen, da sollte sie seine Träume behorchen, und dachte er rede vielleicht im Schlaf, und verrathe das Räthsel. Aber der kluge Diener hatte sich statt des Herrn ins Bett gelegt, und als die Magd heran kam, nahm er ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0198" n="149"/>
Bißen hinunter geschluckt, so fielen sie alle todt nieder. Es war niemand mehr im Hause übrig als die Tochter des Wirths, die es redlich meinte, und an den gottlosen Dingen keinen Theil genommen hatte. Sie öffnete dem Fremden alle Thüren, und zeigte ihm die angehäuften Schätze. Der Königssohn aber sagte sie möchte alles behalten, und ritt mit seinem Diener weiter.</p><lb/>
        <p>Nachdem sie lange herum gezogen waren, kamen sie in eine Stadt, worin eine schöne aber übermüthige Königstochter war, die hatte bekannt machen lassen wer ihr ein Räthsel vorlegte das sie nicht errathen könnte, der sollte ihr Gemahl werden; erriethe sie es aber, so müßte er sich das Haupt abschlagen lassen. Drei Tage hatte sie Zeit sich zu besinnen, sie war aber so klug daß sie immer die vorgelegten Räthsel vor der bestimmten Zeit errieth. Schon hatten neune sich hingeopfert, als der Königssohn kam, und, von ihrer großen Schönheit geblendet, sein Leben daran wagte. Er trat vor sie hin, und gab ihr sein Räthsel auf, &#x2018;was ist das,&#x2019; sagte er, &#x2018;einer schlug keinen, und schlug doch zwölfe.&#x2019; Sie wußte nicht was das war, sie sann und sann, aber sie brachte es nicht heraus: sie schlug ihre Räthselbücher auf, aber es stand nicht darin; kurz, ihr Latein war zu Ende. Da sie sich nicht zu helfen wußte, befahl sie ihrer Magd in das Schlafgemach des Herrn zu schleichen, da sollte sie seine Träume behorchen, und dachte er rede vielleicht im Schlaf, und verrathe das Räthsel. Aber der kluge Diener hatte sich statt des Herrn ins Bett gelegt, und als die Magd heran kam, nahm er ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[149/0198] Bißen hinunter geschluckt, so fielen sie alle todt nieder. Es war niemand mehr im Hause übrig als die Tochter des Wirths, die es redlich meinte, und an den gottlosen Dingen keinen Theil genommen hatte. Sie öffnete dem Fremden alle Thüren, und zeigte ihm die angehäuften Schätze. Der Königssohn aber sagte sie möchte alles behalten, und ritt mit seinem Diener weiter. Nachdem sie lange herum gezogen waren, kamen sie in eine Stadt, worin eine schöne aber übermüthige Königstochter war, die hatte bekannt machen lassen wer ihr ein Räthsel vorlegte das sie nicht errathen könnte, der sollte ihr Gemahl werden; erriethe sie es aber, so müßte er sich das Haupt abschlagen lassen. Drei Tage hatte sie Zeit sich zu besinnen, sie war aber so klug daß sie immer die vorgelegten Räthsel vor der bestimmten Zeit errieth. Schon hatten neune sich hingeopfert, als der Königssohn kam, und, von ihrer großen Schönheit geblendet, sein Leben daran wagte. Er trat vor sie hin, und gab ihr sein Räthsel auf, ‘was ist das,’ sagte er, ‘einer schlug keinen, und schlug doch zwölfe.’ Sie wußte nicht was das war, sie sann und sann, aber sie brachte es nicht heraus: sie schlug ihre Räthselbücher auf, aber es stand nicht darin; kurz, ihr Latein war zu Ende. Da sie sich nicht zu helfen wußte, befahl sie ihrer Magd in das Schlafgemach des Herrn zu schleichen, da sollte sie seine Träume behorchen, und dachte er rede vielleicht im Schlaf, und verrathe das Räthsel. Aber der kluge Diener hatte sich statt des Herrn ins Bett gelegt, und als die Magd heran kam, nahm er ihr den Mantel weg, und jagte sie mit Ruthen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/198
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/198>, abgerufen am 02.05.2024.