Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte, so saß da ein gewaltiger Riese, und schaute sich ganz gemächlich um. Das Schneiderlein gieng beherzt auf ihn zu, redete ihn an, und sprach 'guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest da, und besiehst dir die weitläuftige Welt? ich bin eben auf dem Wege dahin, und will mich versuchen. Hast du Lust mit zu gehen?' Der Riese sah den Schneider verächtlich an, und sprach 'du miserabler Kerl!' 'Das wäre!' antwortete das Schneiderlein, knöpfte den Rock auf, und zeigte dem Riesen den Gürtel, 'da kannst du lesen was ich für ein Mann bin.' Der Riese las 'sieben auf einen Streich,' meinte das wären Menschen gewesen, die der Schneider erschlagen hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl. Doch wollte er ihn erst prüfen, nahm einen Stein in die Hand, und drückte ihn zusammen daß das Wasser heraus tropfte. 'Das mach mir nach' sprach der Riese, 'wenn du Stärke hast.' 'Jst weiter nichts?' sagte das Schneiderlein 'das ist bei unser einem Spielwerk,' griff in die Tasche, holte den weichen Käs, und drückte ihn daß der Saft heraus lief. 'Gelt,' sprach er, 'das war ein wenig besser?' Der Riese wußte nicht was er sagen sollte, und konnte es von dem Männlein nicht glauben. Da hob der Riese einen Stein auf, und warf ihn so hoch, daß man ihn mit Augen kaum noch sehen konnte: 'nun, du Erpelmännchen, das thu mir nach.' 'Gut geworfen,' sagte der Schneider, 'aber der Stein hat doch wieder

tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte, so saß da ein gewaltiger Riese, und schaute sich ganz gemächlich um. Das Schneiderlein gieng beherzt auf ihn zu, redete ihn an, und sprach ‘guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest da, und besiehst dir die weitläuftige Welt? ich bin eben auf dem Wege dahin, und will mich versuchen. Hast du Lust mit zu gehen?’ Der Riese sah den Schneider verächtlich an, und sprach ‘du miserabler Kerl!’ ‘Das wäre!’ antwortete das Schneiderlein, knöpfte den Rock auf, und zeigte dem Riesen den Gürtel, ‘da kannst du lesen was ich für ein Mann bin.’ Der Riese las ‘sieben auf einen Streich,’ meinte das wären Menschen gewesen, die der Schneider erschlagen hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl. Doch wollte er ihn erst prüfen, nahm einen Stein in die Hand, und drückte ihn zusammen daß das Wasser heraus tropfte. ‘Das mach mir nach’ sprach der Riese, ‘wenn du Stärke hast.’ ‘Jst weiter nichts?’ sagte das Schneiderlein ‘das ist bei unser einem Spielwerk,’ griff in die Tasche, holte den weichen Käs, und drückte ihn daß der Saft heraus lief. ‘Gelt,’ sprach er, ‘das war ein wenig besser?’ Der Riese wußte nicht was er sagen sollte, und konnte es von dem Männlein nicht glauben. Da hob der Riese einen Stein auf, und warf ihn so hoch, daß man ihn mit Augen kaum noch sehen konnte: ‘nun, du Erpelmännchen, das thu mir nach.’ ‘Gut geworfen,’ sagte der Schneider, ‘aber der Stein hat doch wieder

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0176" n="127"/>
tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte, so saß da ein gewaltiger Riese, und schaute sich ganz gemächlich um. Das Schneiderlein gieng beherzt auf ihn zu, redete ihn an, und sprach &#x2018;guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest da, und besiehst dir die weitläuftige Welt? ich bin eben auf dem Wege dahin, und will mich versuchen. Hast du Lust mit zu gehen?&#x2019; Der Riese sah den Schneider verächtlich an, und sprach &#x2018;du miserabler Kerl!&#x2019; &#x2018;Das wäre!&#x2019; antwortete das Schneiderlein, knöpfte den Rock auf, und zeigte dem Riesen den Gürtel, &#x2018;da kannst du lesen was ich für ein Mann bin.&#x2019; Der Riese las &#x2018;sieben auf einen Streich,&#x2019; meinte das wären Menschen gewesen, die der Schneider erschlagen hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl. Doch wollte er ihn erst prüfen, nahm einen Stein in die Hand, und drückte ihn zusammen daß das Wasser heraus tropfte. &#x2018;Das mach mir nach&#x2019; sprach der Riese, &#x2018;wenn du Stärke hast.&#x2019; &#x2018;Jst weiter nichts?&#x2019; sagte das Schneiderlein &#x2018;das ist bei unser einem Spielwerk,&#x2019; griff in die Tasche, holte den weichen Käs, und drückte ihn daß der Saft heraus lief. &#x2018;Gelt,&#x2019; sprach er, &#x2018;das war ein wenig besser?&#x2019; Der Riese wußte nicht was er sagen sollte, und konnte es von dem Männlein nicht glauben. Da hob der Riese einen Stein auf, und warf ihn so hoch, daß man ihn mit Augen kaum noch sehen konnte: &#x2018;nun, du Erpelmännchen, das thu mir nach.&#x2019; &#x2018;Gut geworfen,&#x2019; sagte der Schneider, &#x2018;aber der Stein hat doch wieder
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[127/0176] tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte, so saß da ein gewaltiger Riese, und schaute sich ganz gemächlich um. Das Schneiderlein gieng beherzt auf ihn zu, redete ihn an, und sprach ‘guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest da, und besiehst dir die weitläuftige Welt? ich bin eben auf dem Wege dahin, und will mich versuchen. Hast du Lust mit zu gehen?’ Der Riese sah den Schneider verächtlich an, und sprach ‘du miserabler Kerl!’ ‘Das wäre!’ antwortete das Schneiderlein, knöpfte den Rock auf, und zeigte dem Riesen den Gürtel, ‘da kannst du lesen was ich für ein Mann bin.’ Der Riese las ‘sieben auf einen Streich,’ meinte das wären Menschen gewesen, die der Schneider erschlagen hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl. Doch wollte er ihn erst prüfen, nahm einen Stein in die Hand, und drückte ihn zusammen daß das Wasser heraus tropfte. ‘Das mach mir nach’ sprach der Riese, ‘wenn du Stärke hast.’ ‘Jst weiter nichts?’ sagte das Schneiderlein ‘das ist bei unser einem Spielwerk,’ griff in die Tasche, holte den weichen Käs, und drückte ihn daß der Saft heraus lief. ‘Gelt,’ sprach er, ‘das war ein wenig besser?’ Der Riese wußte nicht was er sagen sollte, und konnte es von dem Männlein nicht glauben. Da hob der Riese einen Stein auf, und warf ihn so hoch, daß man ihn mit Augen kaum noch sehen konnte: ‘nun, du Erpelmännchen, das thu mir nach.’ ‘Gut geworfen,’ sagte der Schneider, ‘aber der Stein hat doch wieder

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Herzogin Anna Amalia Bibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2017-11-08T15:10:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-07-24T14:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/176
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 4. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1840, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1840/176>, abgerufen am 24.11.2024.