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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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er regte und bewegte sich nicht. Da sprach er 'was willst du hier in der Nacht? mach daß du fortkommst, oder ich werfe dich hinunter.' Der Küster dachte 'es wird so arg nicht gemeit seyn,' schwieg und blieb unbeweglich stehn; da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als er immer noch keine Antwort erhielt, nahm er Anlauf, und stieß das Gespenst hinab, daß es Hals und Bein brach. Darauf läutete er die Glocke, und wie das geschehen war, stieg er wieder hinab, legte sich ohne ein Wort zu sprechen ins Bett, und schlief fort. Die Küsterfrau wartete auf ihren Mann lange Zeit, aber der kam immer nicht wieder. Da ward ihr endlich Angst, daß sie den Jungen weckte und fragte 'weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist mit auf den Thurm gestiegen.' 'Nein,' antwortete der Bube, 'aber da hat einer dem Schallloch gestanden, und weil er nicht weggehn und keine Antwort geben wollte, so habe ich ihn herunter geschmissen; geht einmal hin, so werdet ihr sehen, ob ers ist.' Die Frau eilte voll Angst auf den Kirchhof, und fand ihren Mann todt auf der Erde liegen.

Da lief sie schreiend zu dem Vater des Jungen, und weckte ihn, und sprach 'ach, was hat euer Taugenichts für ein Unglück angerichtet! meinen Mann hat er zum Schallloch hinunter gestürzt, daß er todt auf dem Kirchhof liegt.' Der Vater erschrak, kam herbei gelaufen, und schalt den Jungen, 'was sind das für gottlose Streiche! die muß dir der Böse eingegeben haben.' 'Vater,' antwortete er, 'ich bin ganz unschuldig: er stand da in der Nacht, wie einer der Böses vor hat, ich wußte nicht wers war, ich

er regte und bewegte sich nicht. Da sprach er ‘was willst du hier in der Nacht? mach daß du fortkommst, oder ich werfe dich hinunter.’ Der Kuͤster dachte ‘es wird so arg nicht gemeit seyn,’ schwieg und blieb unbeweglich stehn; da rief ihn der Junge zum drittenmal an, und als er immer noch keine Antwort erhielt, nahm er Anlauf, und stieß das Gespenst hinab, daß es Hals und Bein brach. Darauf laͤutete er die Glocke, und wie das geschehen war, stieg er wieder hinab, legte sich ohne ein Wort zu sprechen ins Bett, und schlief fort. Die Kuͤsterfrau wartete auf ihren Mann lange Zeit, aber der kam immer nicht wieder. Da ward ihr endlich Angst, daß sie den Jungen weckte und fragte ‘weißt du nicht, wo mein Mann geblieben ist? er ist mit auf den Thurm gestiegen.’ ‘Nein,’ antwortete der Bube, ‘aber da hat einer dem Schallloch gestanden, und weil er nicht weggehn und keine Antwort geben wollte, so habe ich ihn herunter geschmissen; geht einmal hin, so werdet ihr sehen, ob ers ist.’ Die Frau eilte voll Angst auf den Kirchhof, und fand ihren Mann todt auf der Erde liegen.

Da lief sie schreiend zu dem Vater des Jungen, und weckte ihn, und sprach ‘ach, was hat euer Taugenichts fuͤr ein Ungluͤck angerichtet! meinen Mann hat er zum Schallloch hinunter gestuͤrzt, daß er todt auf dem Kirchhof liegt.’ Der Vater erschrak, kam herbei gelaufen, und schalt den Jungen, ‘was sind das fuͤr gottlose Streiche! die muß dir der Boͤse eingegeben haben.’ ‘Vater,’ antwortete er, ‘ich bin ganz unschuldig: er stand da in der Nacht, wie einer der Boͤses vor hat, ich wußte nicht wers war, ich

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/51>, abgerufen am 28.04.2024.