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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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69.
Jorinde und Joringel.

Es war einmal ein altes Schloß mitten in einem großen dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Vögel herbeilocken, und dann schlachtete sies, kochte und bratete es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, so mußte er stille stehen, und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach: wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel, und sperrte sie dann in einen Korb ein, und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. Sie hatte wohl sieben tausend solcher Körbe mit so raren Vögeln im Schlosse.

Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; sie war schöner als alle andere Mädchen, die, und dann ein gar schöner Jüngling, Namens Joringel, hatten sich zusammen versprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am andern. Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden könnten, giengen sie in den

69.
Jorinde und Joringel.

Es war einmal ein altes Schloß mitten in einem großen dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Voͤgel herbeilocken, und dann schlachtete sies, kochte und bratete es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, so mußte er stille stehen, und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach: wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel, und sperrte sie dann in einen Korb ein, und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. Sie hatte wohl sieben tausend solcher Koͤrbe mit so raren Voͤgeln im Schlosse.

Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; sie war schoͤner als alle andere Maͤdchen, die, und dann ein gar schoͤner Juͤngling, Namens Joringel, hatten sich zusammen versprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr groͤßtes Vergnuͤgen eins am andern. Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden koͤnnten, giengen sie in den

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[434/0465] 69. Jorinde und Joringel. Es war einmal ein altes Schloß mitten in einem großen dicken Wald, darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein, das war eine Erzzauberin. Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule, des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet. Sie konnte das Wild und die Voͤgel herbeilocken, und dann schlachtete sies, kochte und bratete es. Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam, so mußte er stille stehen, und konnte sich nicht von der Stelle bewegen, bis sie ihn lossprach: wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam, so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel, und sperrte sie dann in einen Korb ein, und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses. Sie hatte wohl sieben tausend solcher Koͤrbe mit so raren Voͤgeln im Schlosse. Nun war einmal eine Jungfrau, die hieß Jorinde; sie war schoͤner als alle andere Maͤdchen, die, und dann ein gar schoͤner Juͤngling, Namens Joringel, hatten sich zusammen versprochen. Sie waren in den Brauttagen, und sie hatten ihr groͤßtes Vergnuͤgen eins am andern. Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden koͤnnten, giengen sie in den

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/465>, abgerufen am 22.11.2024.