Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite
63.
Die drei Federn.

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, davon waren zwei klug und gescheidt, aber der dritte sprach nicht viel, war einfältig, und wurde der Dummling genannt. Als der König nun alt wurde, daß er an sein Ende dachte, wußte er nicht welcher von seinen Söhnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen 'ziehet aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod König seyn.' Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, führte er sie vor sein Schloß, blies drei Federn in die Luft, und sprach 'wie die fliegen, so sollt ihr ziehen.' Die eine Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber gerad aus, und flog nicht so weit als die andern, sondern fiel zur Erde. Nun gieng der eine Bruder rechts, der andere gieng links, und sie lachten den Dummling aus, der da bei der dritten Feder auf der Erde bleiben müßte.

Der Dummling setzte sich nieder, und war traurig. Da bemerkte er auf einmal neben der Feder eine Thüre in der Erde. Er öffnete sie, fand eine Treppe, und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Thüre, wo er anklopfte, und hörte wie es inwendig rief

'Jungfer grün und klein,
Hutzelbein,
63.
Die drei Federn.

Es war einmal ein Koͤnig, der hatte drei Soͤhne, davon waren zwei klug und gescheidt, aber der dritte sprach nicht viel, war einfaͤltig, und wurde der Dummling genannt. Als der Koͤnig nun alt wurde, daß er an sein Ende dachte, wußte er nicht welcher von seinen Soͤhnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen ‘ziehet aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod Koͤnig seyn.’ Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, fuͤhrte er sie vor sein Schloß, blies drei Federn in die Luft, und sprach ‘wie die fliegen, so sollt ihr ziehen.’ Die eine Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber gerad aus, und flog nicht so weit als die andern, sondern fiel zur Erde. Nun gieng der eine Bruder rechts, der andere gieng links, und sie lachten den Dummling aus, der da bei der dritten Feder auf der Erde bleiben muͤßte.

Der Dummling setzte sich nieder, und war traurig. Da bemerkte er auf einmal neben der Feder eine Thuͤre in der Erde. Er oͤffnete sie, fand eine Treppe, und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Thuͤre, wo er anklopfte, und hoͤrte wie es inwendig rief

‘Jungfer gruͤn und klein,
Hutzelbein,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0438" n="407"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">63.<lb/>
Die drei Federn.</hi> </head><lb/>
        <p><hi rendition="#in">E</hi>s war einmal ein Ko&#x0364;nig, der hatte drei So&#x0364;hne, davon waren zwei klug und gescheidt, aber der dritte sprach nicht viel, war einfa&#x0364;ltig, und wurde der <hi rendition="#g">Dummling</hi> genannt. Als der Ko&#x0364;nig nun alt wurde, daß er an sein Ende dachte, wußte er nicht welcher von seinen So&#x0364;hnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen &#x2018;ziehet aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod Ko&#x0364;nig seyn.&#x2019; Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, fu&#x0364;hrte er sie vor sein Schloß, blies drei Federn in die Luft, und sprach &#x2018;wie die fliegen, so sollt ihr ziehen.&#x2019; Die eine Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber gerad aus, und flog nicht so weit als die andern, sondern fiel zur Erde. Nun gieng der eine Bruder rechts, der andere gieng links, und sie lachten den Dummling aus, der da bei der dritten Feder auf der Erde bleiben mu&#x0364;ßte.</p><lb/>
        <p>Der Dummling setzte sich nieder, und war traurig. Da bemerkte er auf einmal neben der Feder eine Thu&#x0364;re in der Erde. Er o&#x0364;ffnete sie, fand eine Treppe, und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Thu&#x0364;re, wo er anklopfte, und ho&#x0364;rte wie es inwendig rief</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Jungfer gru&#x0364;n und klein,</l><lb/>
          <l>Hutzelbein,</l><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[407/0438] 63. Die drei Federn. Es war einmal ein Koͤnig, der hatte drei Soͤhne, davon waren zwei klug und gescheidt, aber der dritte sprach nicht viel, war einfaͤltig, und wurde der Dummling genannt. Als der Koͤnig nun alt wurde, daß er an sein Ende dachte, wußte er nicht welcher von seinen Soͤhnen nach ihm das Reich erben sollte. Da sprach er zu ihnen ‘ziehet aus, und wer mir den feinsten Teppich bringt, der soll nach meinem Tod Koͤnig seyn.’ Und damit es keinen Streit unter ihnen gab, fuͤhrte er sie vor sein Schloß, blies drei Federn in die Luft, und sprach ‘wie die fliegen, so sollt ihr ziehen.’ Die eine Feder flog nach Osten, die andere nach Westen, die dritte flog aber gerad aus, und flog nicht so weit als die andern, sondern fiel zur Erde. Nun gieng der eine Bruder rechts, der andere gieng links, und sie lachten den Dummling aus, der da bei der dritten Feder auf der Erde bleiben muͤßte. Der Dummling setzte sich nieder, und war traurig. Da bemerkte er auf einmal neben der Feder eine Thuͤre in der Erde. Er oͤffnete sie, fand eine Treppe, und stieg hinab. Da kam er vor eine andere Thuͤre, wo er anklopfte, und hoͤrte wie es inwendig rief ‘Jungfer gruͤn und klein, Hutzelbein,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/438
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/438>, abgerufen am 25.11.2024.