Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

gieng mit ihm, und ihre Hochzeit ward mit großer Pracht und Herrlichkeit angeordnet.

Zu dem Fest war aber auch Sneewittchens gottlose Stiefmutter eingeladen. Wie sie sich nun mit schönen Kleidern angethan hatte, trat sie vor den Spiegel, und sprach

'Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schönste im ganzen Land?'

Der Spiegel antwortete

'Frau Königin, ihr seyd die schönste hier,
aber die junge Königin ist tausendmal schöner als ihr.'

Da stieß das böse Weib einen Fluch aus, und ward ihr so angst, so angst, daß sie sich nicht zu lassen wußte. Sie wollte zuerst gar nicht auf die Hochzeit kommen: doch ließ es ihr keine Ruhe, sie mußte fort und die junge Königin sehen. Und wie sie hineintrat, erkannte sie Sneewittchen, und vor Angst und Schrecken stand sie da, und konnte sich nicht regen. Aber es waren schon eiserne Pantoffel über Kohlenfeuer gestellt, und wurden glühend herein gebracht: da mußte sie die feuerrothen Schuhe anziehen, und darin tanzen, daß ihr die Füße jämmerlich verbrannten: und sie durfte nicht aufhören bis sie sich todt getanzt hatte.



gieng mit ihm, und ihre Hochzeit ward mit großer Pracht und Herrlichkeit angeordnet.

Zu dem Fest war aber auch Sneewittchens gottlose Stiefmutter eingeladen. Wie sie sich nun mit schoͤnen Kleidern angethan hatte, trat sie vor den Spiegel, und sprach

‘Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schoͤnste im ganzen Land?’

Der Spiegel antwortete

‘Frau Koͤnigin, ihr seyd die schoͤnste hier,
aber die junge Koͤnigin ist tausendmal schoͤner als ihr.’

Da stieß das boͤse Weib einen Fluch aus, und ward ihr so angst, so angst, daß sie sich nicht zu lassen wußte. Sie wollte zuerst gar nicht auf die Hochzeit kommen: doch ließ es ihr keine Ruhe, sie mußte fort und die junge Koͤnigin sehen. Und wie sie hineintrat, erkannte sie Sneewittchen, und vor Angst und Schrecken stand sie da, und konnte sich nicht regen. Aber es waren schon eiserne Pantoffel uͤber Kohlenfeuer gestellt, und wurden gluͤhend herein gebracht: da mußte sie die feuerrothen Schuhe anziehen, und darin tanzen, daß ihr die Fuͤße jaͤmmerlich verbrannten: und sie durfte nicht aufhoͤren bis sie sich todt getanzt hatte.



<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0355" n="324"/>
gieng mit ihm, und ihre Hochzeit ward mit großer Pracht und Herrlichkeit angeordnet.</p><lb/>
        <p>Zu dem Fest war aber auch Sneewittchens gottlose Stiefmutter eingeladen. Wie sie sich nun mit scho&#x0364;nen Kleidern angethan hatte, trat sie vor den Spiegel, und sprach</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Spieglein, Spieglein an der Wand,</l><lb/>
          <l>wer ist die scho&#x0364;nste im ganzen Land?&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Der Spiegel antwortete</p><lb/>
        <lg type="poem">
          <l>&#x2018;Frau Ko&#x0364;nigin, ihr seyd die scho&#x0364;nste hier,</l><lb/>
          <l>aber die junge Ko&#x0364;nigin ist tausendmal scho&#x0364;ner als ihr.&#x2019;</l><lb/>
        </lg>
        <p>Da stieß das bo&#x0364;se Weib einen Fluch aus, und ward ihr so angst, so angst, daß sie sich nicht zu lassen wußte. Sie wollte zuerst gar nicht auf die Hochzeit kommen: doch ließ es ihr keine Ruhe, sie mußte fort und die junge Ko&#x0364;nigin sehen. Und wie sie hineintrat, erkannte sie Sneewittchen, und vor Angst und Schrecken stand sie da, und konnte sich nicht regen. Aber es waren schon eiserne Pantoffel u&#x0364;ber Kohlenfeuer gestellt, und wurden glu&#x0364;hend herein gebracht: da mußte sie die feuerrothen Schuhe anziehen, und darin tanzen, daß ihr die Fu&#x0364;ße ja&#x0364;mmerlich verbrannten: und sie durfte nicht aufho&#x0364;ren bis sie sich todt getanzt hatte.</p>
      </div><lb/>
      <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[324/0355] gieng mit ihm, und ihre Hochzeit ward mit großer Pracht und Herrlichkeit angeordnet. Zu dem Fest war aber auch Sneewittchens gottlose Stiefmutter eingeladen. Wie sie sich nun mit schoͤnen Kleidern angethan hatte, trat sie vor den Spiegel, und sprach ‘Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schoͤnste im ganzen Land?’ Der Spiegel antwortete ‘Frau Koͤnigin, ihr seyd die schoͤnste hier, aber die junge Koͤnigin ist tausendmal schoͤner als ihr.’ Da stieß das boͤse Weib einen Fluch aus, und ward ihr so angst, so angst, daß sie sich nicht zu lassen wußte. Sie wollte zuerst gar nicht auf die Hochzeit kommen: doch ließ es ihr keine Ruhe, sie mußte fort und die junge Koͤnigin sehen. Und wie sie hineintrat, erkannte sie Sneewittchen, und vor Angst und Schrecken stand sie da, und konnte sich nicht regen. Aber es waren schon eiserne Pantoffel uͤber Kohlenfeuer gestellt, und wurden gluͤhend herein gebracht: da mußte sie die feuerrothen Schuhe anziehen, und darin tanzen, daß ihr die Fuͤße jaͤmmerlich verbrannten: und sie durfte nicht aufhoͤren bis sie sich todt getanzt hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/355
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/355>, abgerufen am 25.11.2024.