Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Königin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und nähte. Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe im weißen Schnee so schön aussah, dachte sie bei sich 'hätt ich ein Kind so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarz wie der Rahmen.' Bald darauf bekam sie ein Töchterlein, das war so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz, und wurde darum das Sneewittchen (Schneeweißchen) genannt. Und wie das Kind geboren war, starb die Königin.
Ueber ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin. Es war eine schöne Frau, aber sie war stolz und übermüthig, und konnte nicht leiden daß sie an Schönheit von jemand sollte übertroffen werden. Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie
'Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schönste im ganzen Land?'
53. Sneewittchen.
Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Koͤnigin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und naͤhte. Und wie sie so naͤhte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe im weißen Schnee so schoͤn aussah, dachte sie bei sich ‘haͤtt ich ein Kind so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarz wie der Rahmen.’ Bald darauf bekam sie ein Toͤchterlein, das war so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz, und wurde darum das Sneewittchen (Schneeweißchen) genannt. Und wie das Kind geboren war, starb die Koͤnigin.
Ueber ein Jahr nahm sich der Koͤnig eine andere Gemahlin. Es war eine schoͤne Frau, aber sie war stolz und uͤbermuͤthig, und konnte nicht leiden daß sie an Schoͤnheit von jemand sollte uͤbertroffen werden. Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie
‘Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die schoͤnste im ganzen Land?’
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53.
Sneewittchen.
Es war einmal mitten im Winter, und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab, da saß eine Koͤnigin an einem Fenster, das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte, und naͤhte. Und wie sie so naͤhte und nach dem Schnee aufblickte, stach sie sich mit der Nadel in den Finger, und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee. Und weil das Rothe im weißen Schnee so schoͤn aussah, dachte sie bei sich ‘haͤtt ich ein Kind so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarz wie der Rahmen.’ Bald darauf bekam sie ein Toͤchterlein, das war so weiß wie Schnee, so roth wie Blut, und so schwarzhaarig wie Ebenholz, und wurde darum das Sneewittchen (Schneeweißchen) genannt. Und wie das Kind geboren war, starb die Koͤnigin.
Ueber ein Jahr nahm sich der Koͤnig eine andere Gemahlin. Es war eine schoͤne Frau, aber sie war stolz und uͤbermuͤthig, und konnte nicht leiden daß sie an Schoͤnheit von jemand sollte uͤbertroffen werden. Sie hatte einen wunderbaren Spiegel, wenn sie vor den trat und sich darin beschaute, sprach sie
‘Spieglein, Spieglein an der Wand,
wer ist die schoͤnste im ganzen Land?’
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 313. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/344>, abgerufen am 16.02.2025.
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