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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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Das geschah etwa um Mittag als der Herr gerade mit den Erzengeln und dem himmlischen Heer in dem Garten sich ergehen und erlustigen wollte. Er befahl dem Schneider, dieweil niemand zugegen wäre, den Himmel in Ordnung zu halten, und darauf zu achten, daß nicht jemand käme und etwas hinaus trüge. 'Ja, Herr,' sprach der Schneider, 'es soll alles gar wohl besorgt werden.' Als der Herr mit dem Gefolge fortgegangen und der Schneider allein war, so besah er sich alle Gelegenheit im Himmel, und stieg zuletzt vollends auf den Stuhl des Herrn, von welchem herab man alles sehen konnte, was auf dem ganzen Erdreich geschah. Da sah er unten auf der Welt ein altes, wüstes Weib bei einem Bache stehen und waschen, und sah wie es heimlich zwei Frauenschleier bei Seite that und stahl. Und ob nun gleich der Schneider bei Lebzeiten sich oft mit diesem Geschäft abgegeben, und der heilige Petrus ihm deshalb den Eingang zum Himmel fast versagt hatte, so gerieth er doch in einen solchen Zorn daß er des Herrn Schemel, der vor dem Stuhl stand, erwischte, und ihn der alten Diebin hinab in die Rippen warf daß sie umfiel. Das Weib erschrack, wußte nicht welcher Teufel nach ihr geworfen, lief heim, und ließ die beiden Schleier liegen, welche nun wieder an die Eigenthümerin kamen.

Als der Herr und Meister mit dem himmlischen Heer zurückkam, sah er daß vor seinem Stuhl der Schemel mangelte, und fragte den Schneider wer ihn weggethan hätte. 'O Herr,' antwortete er freudig, 'ich habe ihn nach einem alten Weibe geworfen,

Das geschah etwa um Mittag als der Herr gerade mit den Erzengeln und dem himmlischen Heer in dem Garten sich ergehen und erlustigen wollte. Er befahl dem Schneider, dieweil niemand zugegen waͤre, den Himmel in Ordnung zu halten, und darauf zu achten, daß nicht jemand kaͤme und etwas hinaus truͤge. ‘Ja, Herr,’ sprach der Schneider, ‘es soll alles gar wohl besorgt werden.’ Als der Herr mit dem Gefolge fortgegangen und der Schneider allein war, so besah er sich alle Gelegenheit im Himmel, und stieg zuletzt vollends auf den Stuhl des Herrn, von welchem herab man alles sehen konnte, was auf dem ganzen Erdreich geschah. Da sah er unten auf der Welt ein altes, wuͤstes Weib bei einem Bache stehen und waschen, und sah wie es heimlich zwei Frauenschleier bei Seite that und stahl. Und ob nun gleich der Schneider bei Lebzeiten sich oft mit diesem Geschaͤft abgegeben, und der heilige Petrus ihm deshalb den Eingang zum Himmel fast versagt hatte, so gerieth er doch in einen solchen Zorn daß er des Herrn Schemel, der vor dem Stuhl stand, erwischte, und ihn der alten Diebin hinab in die Rippen warf daß sie umfiel. Das Weib erschrack, wußte nicht welcher Teufel nach ihr geworfen, lief heim, und ließ die beiden Schleier liegen, welche nun wieder an die Eigenthuͤmerin kamen.

Als der Herr und Meister mit dem himmlischen Heer zuruͤckkam, sah er daß vor seinem Stuhl der Schemel mangelte, und fragte den Schneider wer ihn weggethan haͤtte. ‘O Herr,’ antwortete er freudig, ‘ich habe ihn nach einem alten Weibe geworfen,

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[212/0243] Das geschah etwa um Mittag als der Herr gerade mit den Erzengeln und dem himmlischen Heer in dem Garten sich ergehen und erlustigen wollte. Er befahl dem Schneider, dieweil niemand zugegen waͤre, den Himmel in Ordnung zu halten, und darauf zu achten, daß nicht jemand kaͤme und etwas hinaus truͤge. ‘Ja, Herr,’ sprach der Schneider, ‘es soll alles gar wohl besorgt werden.’ Als der Herr mit dem Gefolge fortgegangen und der Schneider allein war, so besah er sich alle Gelegenheit im Himmel, und stieg zuletzt vollends auf den Stuhl des Herrn, von welchem herab man alles sehen konnte, was auf dem ganzen Erdreich geschah. Da sah er unten auf der Welt ein altes, wuͤstes Weib bei einem Bache stehen und waschen, und sah wie es heimlich zwei Frauenschleier bei Seite that und stahl. Und ob nun gleich der Schneider bei Lebzeiten sich oft mit diesem Geschaͤft abgegeben, und der heilige Petrus ihm deshalb den Eingang zum Himmel fast versagt hatte, so gerieth er doch in einen solchen Zorn daß er des Herrn Schemel, der vor dem Stuhl stand, erwischte, und ihn der alten Diebin hinab in die Rippen warf daß sie umfiel. Das Weib erschrack, wußte nicht welcher Teufel nach ihr geworfen, lief heim, und ließ die beiden Schleier liegen, welche nun wieder an die Eigenthuͤmerin kamen. Als der Herr und Meister mit dem himmlischen Heer zuruͤckkam, sah er daß vor seinem Stuhl der Schemel mangelte, und fragte den Schneider wer ihn weggethan haͤtte. ‘O Herr,’ antwortete er freudig, ‘ich habe ihn nach einem alten Weibe geworfen,

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/243>, abgerufen am 28.11.2024.