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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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Er nahm sie mit sich in sein königliches Schloß, und weil sie so schön und fromm war, liebte er sie von Herzen, ließ ihr silberne Hände machen, und nahm sie zu seiner Gemahlin.

Nach einem Jahre mußte der König über Feld ziehen, da befahl er die junge Königin seiner Mutter, und sprach 'wenn sie ins Kindbett kommt, so haltet und verpflegt sie wohl, und schreibt mirs gleich in einem Briefe.' Nun gebar sie einen schönen Sohn. Da schrieb es die alte Mutter eilig, und meldete ihm die frohe Nachricht. Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bache, und da er von dem langen Wege ermüdet war, schlief er ein. Da kam der Teufel, welcher der frommen Königin immer zu schaden trachtete, und vertauschte den Brief mit einem andern, darin stand daß die Königin einen Wechselbalg zur Welt gebracht hätte. Als der König den Brief las, erschrak er und betrübte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort, sie sollten die Königin wohl halten und pflegen bis zu seiner Ankunft. Der Bote gieng mit dem Brief zurück, ruhte an der nämlichen Stelle, und schlief wieder ein. Da kam der Teufel abermals, und legte ihm einen andern Brief in die Tasche, darin stand sie sollten die Königin mit ihrem Kinde tödten. Die alte Mutter erschrak heftig als sie den Brief erhielt, konnte es nicht glauben, und schrieb dem Könige noch einmal, aber sie bekam keine andere Antwort, da der Teufel dem Boten jedesmal einen falschen Brief unterschob, und in dem letzten Briefe stand noch sie sollten zum Wahrzeichen Zunge und Augen der Königin aufheben.

Aber die alte Mutter weinte daß so unschuldiges Blut sollte

Er nahm sie mit sich in sein koͤnigliches Schloß, und weil sie so schoͤn und fromm war, liebte er sie von Herzen, ließ ihr silberne Haͤnde machen, und nahm sie zu seiner Gemahlin.

Nach einem Jahre mußte der Koͤnig uͤber Feld ziehen, da befahl er die junge Koͤnigin seiner Mutter, und sprach ‘wenn sie ins Kindbett kommt, so haltet und verpflegt sie wohl, und schreibt mirs gleich in einem Briefe.’ Nun gebar sie einen schoͤnen Sohn. Da schrieb es die alte Mutter eilig, und meldete ihm die frohe Nachricht. Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bache, und da er von dem langen Wege ermuͤdet war, schlief er ein. Da kam der Teufel, welcher der frommen Koͤnigin immer zu schaden trachtete, und vertauschte den Brief mit einem andern, darin stand daß die Koͤnigin einen Wechselbalg zur Welt gebracht haͤtte. Als der Koͤnig den Brief las, erschrak er und betruͤbte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort, sie sollten die Koͤnigin wohl halten und pflegen bis zu seiner Ankunft. Der Bote gieng mit dem Brief zuruͤck, ruhte an der naͤmlichen Stelle, und schlief wieder ein. Da kam der Teufel abermals, und legte ihm einen andern Brief in die Tasche, darin stand sie sollten die Koͤnigin mit ihrem Kinde toͤdten. Die alte Mutter erschrak heftig als sie den Brief erhielt, konnte es nicht glauben, und schrieb dem Koͤnige noch einmal, aber sie bekam keine andere Antwort, da der Teufel dem Boten jedesmal einen falschen Brief unterschob, und in dem letzten Briefe stand noch sie sollten zum Wahrzeichen Zunge und Augen der Koͤnigin aufheben.

Aber die alte Mutter weinte daß so unschuldiges Blut sollte

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[193/0224] Er nahm sie mit sich in sein koͤnigliches Schloß, und weil sie so schoͤn und fromm war, liebte er sie von Herzen, ließ ihr silberne Haͤnde machen, und nahm sie zu seiner Gemahlin. Nach einem Jahre mußte der Koͤnig uͤber Feld ziehen, da befahl er die junge Koͤnigin seiner Mutter, und sprach ‘wenn sie ins Kindbett kommt, so haltet und verpflegt sie wohl, und schreibt mirs gleich in einem Briefe.’ Nun gebar sie einen schoͤnen Sohn. Da schrieb es die alte Mutter eilig, und meldete ihm die frohe Nachricht. Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bache, und da er von dem langen Wege ermuͤdet war, schlief er ein. Da kam der Teufel, welcher der frommen Koͤnigin immer zu schaden trachtete, und vertauschte den Brief mit einem andern, darin stand daß die Koͤnigin einen Wechselbalg zur Welt gebracht haͤtte. Als der Koͤnig den Brief las, erschrak er und betruͤbte sich sehr, doch schrieb er zur Antwort, sie sollten die Koͤnigin wohl halten und pflegen bis zu seiner Ankunft. Der Bote gieng mit dem Brief zuruͤck, ruhte an der naͤmlichen Stelle, und schlief wieder ein. Da kam der Teufel abermals, und legte ihm einen andern Brief in die Tasche, darin stand sie sollten die Koͤnigin mit ihrem Kinde toͤdten. Die alte Mutter erschrak heftig als sie den Brief erhielt, konnte es nicht glauben, und schrieb dem Koͤnige noch einmal, aber sie bekam keine andere Antwort, da der Teufel dem Boten jedesmal einen falschen Brief unterschob, und in dem letzten Briefe stand noch sie sollten zum Wahrzeichen Zunge und Augen der Koͤnigin aufheben. Aber die alte Mutter weinte daß so unschuldiges Blut sollte

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 193. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/224>, abgerufen am 28.11.2024.