Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

Bild:
<< vorherige Seite

geträumt ein Marktbrunnen, aus dem sonst Wein quoll, sey versiegt, und es habe nicht einmal Wasser daraus quellen wollen, was ist wohl Schuld daran?' 'Ha, wenn sies wüßten!' antwortete der Teufel, 'es sitzt eine Kröte unter einem Stein im Brunnen, wenn sie die tödten, so wird der Wein schon wieder anfangen zu fließen.' Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte daß die Fenster zitterten. Da riß sie ihm das zweite Haar aus. 'Hu! was machst du?' schrie der Teufel zornig. 'Nimms nicht übel,' antwortete sie, 'ich habe es im Traum gethan.' 'Was hat dir wieder geträumt?' fragte er. 'Mir hat geträumt in einem Königreiche ständ ein Obstbaum, der hätte sonst goldene Aepfel getragen, und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben. Was war wohl die Ursache davon?' 'He, wenn sies wüßten!' antwortete der Teufel, 'an der Wurzel nagt eine Maus, wenn sie die tödten, so wird er schon wieder goldene Aepfel tragen, nagt sie aber noch länger, so verdorrt der Baum gänzlich. Aber laß mich mit deinen Träumen in Ruhe, wenn du mich noch einmal im Schlafe störst, so kriegst du eine Ohrfeige.' Die Ellermutter sprach ihn zu gut, und lauste ihn wieder bis er eingeschlafen war und schnarchte. Da faßte sie das dritte goldene Haar und riß es ihm aus. Der Teufel fuhr in die Höhe, und wollte übel mit ihr wirthschaften, aber sie besänftigte ihn nochmals, und sprach, 'wer kann für böse Träume!' 'Was hat dir denn geträumt' fragte er, und war doch neugierig. 'Mir hat von einem Fährmann geträumt, der sich beklagte daß er immer hin und her fahren müsse und

getraͤumt ein Marktbrunnen, aus dem sonst Wein quoll, sey versiegt, und es habe nicht einmal Wasser daraus quellen wollen, was ist wohl Schuld daran?’ ‘Ha, wenn sies wuͤßten!’ antwortete der Teufel, ‘es sitzt eine Kroͤte unter einem Stein im Brunnen, wenn sie die toͤdten, so wird der Wein schon wieder anfangen zu fließen.’ Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte daß die Fenster zitterten. Da riß sie ihm das zweite Haar aus. ‘Hu! was machst du?’ schrie der Teufel zornig. ‘Nimms nicht uͤbel,’ antwortete sie, ‘ich habe es im Traum gethan.’ ‘Was hat dir wieder getraͤumt?’ fragte er. ‘Mir hat getraͤumt in einem Koͤnigreiche staͤnd ein Obstbaum, der haͤtte sonst goldene Aepfel getragen, und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben. Was war wohl die Ursache davon?’ ‘He, wenn sies wuͤßten!’ antwortete der Teufel, ‘an der Wurzel nagt eine Maus, wenn sie die toͤdten, so wird er schon wieder goldene Aepfel tragen, nagt sie aber noch laͤnger, so verdorrt der Baum gaͤnzlich. Aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruhe, wenn du mich noch einmal im Schlafe stoͤrst, so kriegst du eine Ohrfeige.’ Die Ellermutter sprach ihn zu gut, und lauste ihn wieder bis er eingeschlafen war und schnarchte. Da faßte sie das dritte goldene Haar und riß es ihm aus. Der Teufel fuhr in die Hoͤhe, und wollte uͤbel mit ihr wirthschaften, aber sie besaͤnftigte ihn nochmals, und sprach, ‘wer kann fuͤr boͤse Traͤume!’ ‘Was hat dir denn getraͤumt’ fragte er, und war doch neugierig. ‘Mir hat von einem Faͤhrmann getraͤumt, der sich beklagte daß er immer hin und her fahren muͤsse und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0213" n="180"/>
getra&#x0364;umt ein Marktbrunnen, aus dem sonst Wein quoll, sey versiegt, und es habe nicht einmal Wasser daraus quellen wollen, was ist wohl Schuld daran?&#x2019; &#x2018;Ha, wenn sies wu&#x0364;ßten!&#x2019; antwortete der Teufel, &#x2018;es sitzt eine Kro&#x0364;te unter einem Stein im Brunnen, wenn sie die to&#x0364;dten, so wird der Wein schon wieder anfangen zu fließen.&#x2019; Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte daß die Fenster zitterten. Da riß sie ihm das zweite Haar aus. &#x2018;Hu! was machst du?&#x2019; schrie der Teufel zornig. &#x2018;Nimms nicht u&#x0364;bel,&#x2019; antwortete sie, &#x2018;ich habe es im Traum gethan.&#x2019; &#x2018;Was hat dir wieder getra&#x0364;umt?&#x2019; fragte er. &#x2018;Mir hat getra&#x0364;umt in einem Ko&#x0364;nigreiche sta&#x0364;nd ein Obstbaum, der ha&#x0364;tte sonst goldene Aepfel getragen, und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben. Was war wohl die Ursache davon?&#x2019; &#x2018;He, wenn sies wu&#x0364;ßten!&#x2019; antwortete der Teufel, &#x2018;an der Wurzel nagt eine Maus, wenn sie die to&#x0364;dten, so wird er schon wieder goldene Aepfel tragen, nagt sie aber noch la&#x0364;nger, so verdorrt der Baum ga&#x0364;nzlich. Aber laß mich mit deinen Tra&#x0364;umen in Ruhe, wenn du mich noch einmal im Schlafe sto&#x0364;rst, so kriegst du eine Ohrfeige.&#x2019; Die Ellermutter sprach ihn zu gut, und lauste ihn wieder bis er eingeschlafen war und schnarchte. Da faßte sie das dritte goldene Haar und riß es ihm aus. Der Teufel fuhr in die Ho&#x0364;he, und wollte u&#x0364;bel mit ihr wirthschaften, aber sie besa&#x0364;nftigte ihn nochmals, und sprach, &#x2018;wer kann fu&#x0364;r bo&#x0364;se Tra&#x0364;ume!&#x2019; &#x2018;Was hat dir denn getra&#x0364;umt&#x2019; fragte er, und war doch neugierig. &#x2018;Mir hat von einem Fa&#x0364;hrmann getra&#x0364;umt, der sich beklagte daß er immer hin und her fahren mu&#x0364;sse und
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[180/0213] getraͤumt ein Marktbrunnen, aus dem sonst Wein quoll, sey versiegt, und es habe nicht einmal Wasser daraus quellen wollen, was ist wohl Schuld daran?’ ‘Ha, wenn sies wuͤßten!’ antwortete der Teufel, ‘es sitzt eine Kroͤte unter einem Stein im Brunnen, wenn sie die toͤdten, so wird der Wein schon wieder anfangen zu fließen.’ Die Ellermutter lauste ihn wieder, bis er einschlief und schnarchte daß die Fenster zitterten. Da riß sie ihm das zweite Haar aus. ‘Hu! was machst du?’ schrie der Teufel zornig. ‘Nimms nicht uͤbel,’ antwortete sie, ‘ich habe es im Traum gethan.’ ‘Was hat dir wieder getraͤumt?’ fragte er. ‘Mir hat getraͤumt in einem Koͤnigreiche staͤnd ein Obstbaum, der haͤtte sonst goldene Aepfel getragen, und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben. Was war wohl die Ursache davon?’ ‘He, wenn sies wuͤßten!’ antwortete der Teufel, ‘an der Wurzel nagt eine Maus, wenn sie die toͤdten, so wird er schon wieder goldene Aepfel tragen, nagt sie aber noch laͤnger, so verdorrt der Baum gaͤnzlich. Aber laß mich mit deinen Traͤumen in Ruhe, wenn du mich noch einmal im Schlafe stoͤrst, so kriegst du eine Ohrfeige.’ Die Ellermutter sprach ihn zu gut, und lauste ihn wieder bis er eingeschlafen war und schnarchte. Da faßte sie das dritte goldene Haar und riß es ihm aus. Der Teufel fuhr in die Hoͤhe, und wollte uͤbel mit ihr wirthschaften, aber sie besaͤnftigte ihn nochmals, und sprach, ‘wer kann fuͤr boͤse Traͤume!’ ‘Was hat dir denn getraͤumt’ fragte er, und war doch neugierig. ‘Mir hat von einem Faͤhrmann getraͤumt, der sich beklagte daß er immer hin und her fahren muͤsse und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Göttinger Digitalisierungszentrum: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/213
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/213>, abgerufen am 05.05.2024.