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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837.

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20.
Das tapfere Schneiderlein.

An einem Sommermorgen saß ein Schneiderlein auf seinem Tisch am Fenster, war guter Dinge, und nähte aus Leibeskräften. Da kam eine Bauersfrau die Straße herab, und rief: 'Gut Mus feil! Gut Mus feil!' Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren, es steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus, und rief: 'Hier herauf, liebe Frau, hier wird Sie Jhre Waare los.' Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe zu dem Schneider herauf, und mußte die Töpfe sämtlich vor ihm auspacken. Er besah sie alle, hob sie in die Höhe, hielt die Nase dran und sagte endlich: 'Das Mus scheint mir gut, wieg sie mir doch vier Loth ab, liebe Frau, wenns auch ein Viertelpfund ist, es kommt mir nicht darauf an.' Die Frau, welche gehofft hatte, einen guten Absatz zu finden, gab ihm, was er verlangte, gieng aber ganz ärgerlich und brummig fort. 'Nun das Mus soll mir Gott gesegnen,' rief das Schneiderlein, 'und soll mir Kraft und Stärke geben,' holte das Brot aus dem Schrank, schnitt sich ein Stück über den ganzen Laib, und strich das Mus darüber. 'Das wird nicht bitter schmecken,' sprach er, 'aber erst will ich den Wams fertigmachen, eh ich anbeiße.'

20.
Das tapfere Schneiderlein.

An einem Sommermorgen saß ein Schneiderlein auf seinem Tisch am Fenster, war guter Dinge, und naͤhte aus Leibeskraͤften. Da kam eine Bauersfrau die Straße herab, und rief: ‘Gut Mus feil! Gut Mus feil!’ Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren, es steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus, und rief: ‘Hier herauf, liebe Frau, hier wird Sie Jhre Waare los.’ Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe zu dem Schneider herauf, und mußte die Toͤpfe saͤmtlich vor ihm auspacken. Er besah sie alle, hob sie in die Hoͤhe, hielt die Nase dran und sagte endlich: ‘Das Mus scheint mir gut, wieg sie mir doch vier Loth ab, liebe Frau, wenns auch ein Viertelpfund ist, es kommt mir nicht darauf an.’ Die Frau, welche gehofft hatte, einen guten Absatz zu finden, gab ihm, was er verlangte, gieng aber ganz aͤrgerlich und brummig fort. ‘Nun das Mus soll mir Gott gesegnen,’ rief das Schneiderlein, ‘und soll mir Kraft und Staͤrke geben,’ holte das Brot aus dem Schrank, schnitt sich ein Stuͤck uͤber den ganzen Laib, und strich das Mus daruͤber. ‘Das wird nicht bitter schmecken,’ sprach er, ‘aber erst will ich den Wams fertigmachen, eh ich anbeiße.’

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[125/0156] 20. Das tapfere Schneiderlein. An einem Sommermorgen saß ein Schneiderlein auf seinem Tisch am Fenster, war guter Dinge, und naͤhte aus Leibeskraͤften. Da kam eine Bauersfrau die Straße herab, und rief: ‘Gut Mus feil! Gut Mus feil!’ Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren, es steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus, und rief: ‘Hier herauf, liebe Frau, hier wird Sie Jhre Waare los.’ Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe zu dem Schneider herauf, und mußte die Toͤpfe saͤmtlich vor ihm auspacken. Er besah sie alle, hob sie in die Hoͤhe, hielt die Nase dran und sagte endlich: ‘Das Mus scheint mir gut, wieg sie mir doch vier Loth ab, liebe Frau, wenns auch ein Viertelpfund ist, es kommt mir nicht darauf an.’ Die Frau, welche gehofft hatte, einen guten Absatz zu finden, gab ihm, was er verlangte, gieng aber ganz aͤrgerlich und brummig fort. ‘Nun das Mus soll mir Gott gesegnen,’ rief das Schneiderlein, ‘und soll mir Kraft und Staͤrke geben,’ holte das Brot aus dem Schrank, schnitt sich ein Stuͤck uͤber den ganzen Laib, und strich das Mus daruͤber. ‘Das wird nicht bitter schmecken,’ sprach er, ‘aber erst will ich den Wams fertigmachen, eh ich anbeiße.’

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder und Hausmärchen. 3. Aufl. Bd. 1. Göttingen, 1837, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1837/156>, abgerufen am 27.11.2024.