Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

Bild:
<< vorherige Seite

die Asen und dem Thron für Odin. Ferner ist Gimli zu vergleichen, heller als die Sonne, nach dem Weltende, als die Wohnung der Guten noch fortbestehend; auch das Goldhaus Sindri auf dem Jdagebürge und jenes, welches nach der deutschen Sage (B. II. St. 447.) dem heidnischen Friesenherzog Radbot gezeigt ward. Endlich scheint der nordische Gläsisvöllr, welcher als das vorodinische Paradies betrachtet wird und worin der Acker der Unsterblichkeit (udainsakur) lag, hierher zu gehören. Heilige-Himmels-Berge kommen dem Namen nach so gut bei uns als in den altnordischen Dichtungen vor, wenn gleich manchmal nur in der bloß sinnlichen Bedeutung von hohen*).

Die Frau Holle oder Hulda hat auch noch aber schwerlich in andern Ländern Deutschlands als in Hessen, Thüringen und Franken, den Namen aus der Vorzeit behalten. Sie ist eine gnädige und freundliche, aber auch furchtbare und entsetzliche Göttin; sie wohnt in den Tiefen und auf den Höhen, in den Seen und auf den Bergen, theilt Unglück oder Segen und Fruchtbarkeit aus, jenachdem sie urtheilt, daß es die Menschen verdient haben. Sie umspannt die ganze Erde, und wann sie ihr Bett macht, daß die Federn fliegen, dann schneit es bei den Menschen. Aehnlich träufelt Thau und Regen herab und befruchtet das Land,

*) S. die Anmerkung zu dem ersten Helgelied S. 37. in unserer Ausgabe. -- Jn Schottland sieht man noch jetzt auf den Spitzen hoher Berge Ruinen von wirklichen Glasburgen (vitrified forts) deren Mauern nämlich mit Glas künstlich überzogen waren. Sie sind vom höchsten Alter. Vergl. gloss eddicum II. p. 879. Note. Jm Wigalois Mauern wie Glas glänzend und ein Haus von hellen Kristallen gebaut. 4594 -- 4606.

die Asen und dem Thron fuͤr Odin. Ferner ist Gimli zu vergleichen, heller als die Sonne, nach dem Weltende, als die Wohnung der Guten noch fortbestehend; auch das Goldhaus Sindri auf dem Jdagebuͤrge und jenes, welches nach der deutschen Sage (B. II. St. 447.) dem heidnischen Friesenherzog Radbot gezeigt ward. Endlich scheint der nordische Glaͤsisvoͤllr, welcher als das vorodinische Paradies betrachtet wird und worin der Acker der Unsterblichkeit (udainsakur) lag, hierher zu gehoͤren. Heilige-Himmels-Berge kommen dem Namen nach so gut bei uns als in den altnordischen Dichtungen vor, wenn gleich manchmal nur in der bloß sinnlichen Bedeutung von hohen*).

Die Frau Holle oder Hulda hat auch noch aber schwerlich in andern Laͤndern Deutschlands als in Hessen, Thuͤringen und Franken, den Namen aus der Vorzeit behalten. Sie ist eine gnaͤdige und freundliche, aber auch furchtbare und entsetzliche Goͤttin; sie wohnt in den Tiefen und auf den Hoͤhen, in den Seen und auf den Bergen, theilt Ungluͤck oder Segen und Fruchtbarkeit aus, jenachdem sie urtheilt, daß es die Menschen verdient haben. Sie umspannt die ganze Erde, und wann sie ihr Bett macht, daß die Federn fliegen, dann schneit es bei den Menschen. Aehnlich traͤufelt Thau und Regen herab und befruchtet das Land,

*) S. die Anmerkung zu dem ersten Helgelied S. 37. in unserer Ausgabe. — Jn Schottland sieht man noch jetzt auf den Spitzen hoher Berge Ruinen von wirklichen Glasburgen (vitrified forts) deren Mauern naͤmlich mit Glas kuͤnstlich uͤberzogen waren. Sie sind vom hoͤchsten Alter. Vergl. gloss eddicum II. p. 879. Note. Jm Wigalois Mauern wie Glas glaͤnzend und ein Haus von hellen Kristallen gebaut. 4594 — 4606.
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0048" n="XL"/>
die Asen und dem Thron fu&#x0364;r Odin. Ferner ist Gimli zu vergleichen, heller als die Sonne, nach dem Weltende, als die Wohnung der Guten noch fortbestehend; auch das Goldhaus Sindri auf dem Jdagebu&#x0364;rge und jenes, welches nach der deutschen Sage (B. <hi rendition="#aq">II.</hi> St. 447.) dem heidnischen Friesenherzog Radbot gezeigt ward. Endlich scheint der nordische Gla&#x0364;sisvo&#x0364;llr, welcher als das vorodinische Paradies betrachtet wird und worin der Acker der Unsterblichkeit (udainsakur) lag, hierher zu geho&#x0364;ren. <hi rendition="#g">Heilige-Himmels-Berge</hi> kommen dem Namen nach so gut bei uns als in den altnordischen Dichtungen vor, wenn gleich manchmal nur in der bloß sinnlichen Bedeutung von hohen<note place="foot" n="*)">S. die Anmerkung zu dem ersten Helgelied S. 37. in unserer Ausgabe. &#x2014; Jn Schottland sieht man noch jetzt auf den Spitzen hoher Berge Ruinen von wirklichen Glasburgen (<hi rendition="#aq">vitrified forts</hi>) deren Mauern na&#x0364;mlich mit Glas ku&#x0364;nstlich u&#x0364;berzogen waren. Sie sind vom ho&#x0364;chsten Alter. Vergl. <hi rendition="#aq">gloss eddicum II. p. 879</hi>. Note. Jm Wigalois Mauern wie Glas gla&#x0364;nzend und ein Haus von hellen Kristallen gebaut. 4594 &#x2014; 4606.</note>.</p><lb/>
          <p>Die Frau <hi rendition="#g">Holle</hi> oder <hi rendition="#g">Hulda</hi> hat auch noch aber schwerlich in andern La&#x0364;ndern Deutschlands als in Hessen, Thu&#x0364;ringen und Franken, den Namen aus der Vorzeit behalten. Sie ist eine gna&#x0364;dige und freundliche, aber auch furchtbare und entsetzliche Go&#x0364;ttin; sie wohnt in den Tiefen und auf den Ho&#x0364;hen, in den Seen und auf den Bergen, theilt Unglu&#x0364;ck oder Segen und Fruchtbarkeit aus, jenachdem sie urtheilt, daß es die Menschen verdient haben. Sie umspannt die ganze Erde, und wann sie ihr <hi rendition="#g">Bett macht</hi>, daß die Federn fliegen, dann <hi rendition="#g">schneit</hi> es bei den Menschen. Aehnlich tra&#x0364;ufelt Thau und Regen herab und befruchtet das Land,
</p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XL/0048] die Asen und dem Thron fuͤr Odin. Ferner ist Gimli zu vergleichen, heller als die Sonne, nach dem Weltende, als die Wohnung der Guten noch fortbestehend; auch das Goldhaus Sindri auf dem Jdagebuͤrge und jenes, welches nach der deutschen Sage (B. II. St. 447.) dem heidnischen Friesenherzog Radbot gezeigt ward. Endlich scheint der nordische Glaͤsisvoͤllr, welcher als das vorodinische Paradies betrachtet wird und worin der Acker der Unsterblichkeit (udainsakur) lag, hierher zu gehoͤren. Heilige-Himmels-Berge kommen dem Namen nach so gut bei uns als in den altnordischen Dichtungen vor, wenn gleich manchmal nur in der bloß sinnlichen Bedeutung von hohen *). Die Frau Holle oder Hulda hat auch noch aber schwerlich in andern Laͤndern Deutschlands als in Hessen, Thuͤringen und Franken, den Namen aus der Vorzeit behalten. Sie ist eine gnaͤdige und freundliche, aber auch furchtbare und entsetzliche Goͤttin; sie wohnt in den Tiefen und auf den Hoͤhen, in den Seen und auf den Bergen, theilt Ungluͤck oder Segen und Fruchtbarkeit aus, jenachdem sie urtheilt, daß es die Menschen verdient haben. Sie umspannt die ganze Erde, und wann sie ihr Bett macht, daß die Federn fliegen, dann schneit es bei den Menschen. Aehnlich traͤufelt Thau und Regen herab und befruchtet das Land, *) S. die Anmerkung zu dem ersten Helgelied S. 37. in unserer Ausgabe. — Jn Schottland sieht man noch jetzt auf den Spitzen hoher Berge Ruinen von wirklichen Glasburgen (vitrified forts) deren Mauern naͤmlich mit Glas kuͤnstlich uͤberzogen waren. Sie sind vom hoͤchsten Alter. Vergl. gloss eddicum II. p. 879. Note. Jm Wigalois Mauern wie Glas glaͤnzend und ein Haus von hellen Kristallen gebaut. 4594 — 4606.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2015-05-11T18:40:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Bayerische Staatsbibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-05-11T18:40:00Z)
Sandra Balck, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2015-06-15T16:12:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/48
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. XL. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/48>, abgerufen am 24.11.2024.