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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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sprach zu ihm: "ich habe den Drachen getödtet und die Jungfrau und das ganze Reich befreit, darum fordere ich sie zur Gemahlin, so wie es versprochen ist." Der König fragte die Jungfrau: "ist das wahr, was er spricht?" "Ach ja, antwortete sie, aber ich halte mir aus daß erst über Jahr und Tag die Hochzeit gefeiert wird;" denn sie dachte in der Zeit etwas von ihrem lieben Jäger zu hören.

Auf dem Drachenberg aber lagen noch die Thiere und schliefen bei ihrem todten Herrn, da kam eine große Hummel, setzte sich dem Hasen auf die Nase, aber der Hase wischte sie mit der Pfote ab und schlief weiter. Die Hummel kam zum zweitenmal, aber der Hase wischte sie wieder ab und schlief fort. Da kam sie zum drittenmal und stach ihm in die Nase, daß er aufwachte und alsobald weckte er den Fuchs, und der Fuchs den Wolf, und der Wolf den Bär und der Bär den Löwen. Und als der Löwe aufwachte und sah, daß die Jungfrau fort war und sein Herr getödtet, fing er fürchterlich an zu brüllen und rief: "wer hat das gethan? Bär, warum hast du mich nicht geweckt?" Der Bär fragte den Wolf: "warum hast du mich nicht geweckt?" und der Wolf den Fuchs: "warum hast du mich nicht geweckt?" und der Fuchs den Hasen: "warum hast du mich nicht geweckt?" Der arme Has wußte allein nichts zu antworten und die Schuld blieb auf ihm hangen. Da wollten sie über ihn herfallen, aber er bat sie und sprach: "bringt mich nicht um, ich will unserm Herrn das Leben wieder verschaffen; ich weiß einen Berg, da wächst eine Wurzel, wer die im Mund hat, der wird von aller Krankheit und allen Wunden geheilt. Aber der Berg liegt

sprach zu ihm: „ich habe den Drachen getoͤdtet und die Jungfrau und das ganze Reich befreit, darum fordere ich sie zur Gemahlin, so wie es versprochen ist.“ Der Koͤnig fragte die Jungfrau: „ist das wahr, was er spricht?“ „Ach ja, antwortete sie, aber ich halte mir aus daß erst uͤber Jahr und Tag die Hochzeit gefeiert wird;“ denn sie dachte in der Zeit etwas von ihrem lieben Jaͤger zu hoͤren.

Auf dem Drachenberg aber lagen noch die Thiere und schliefen bei ihrem todten Herrn, da kam eine große Hummel, setzte sich dem Hasen auf die Nase, aber der Hase wischte sie mit der Pfote ab und schlief weiter. Die Hummel kam zum zweitenmal, aber der Hase wischte sie wieder ab und schlief fort. Da kam sie zum drittenmal und stach ihm in die Nase, daß er aufwachte und alsobald weckte er den Fuchs, und der Fuchs den Wolf, und der Wolf den Baͤr und der Baͤr den Loͤwen. Und als der Loͤwe aufwachte und sah, daß die Jungfrau fort war und sein Herr getoͤdtet, fing er fuͤrchterlich an zu bruͤllen und rief: „wer hat das gethan? Baͤr, warum hast du mich nicht geweckt?“ Der Baͤr fragte den Wolf: „warum hast du mich nicht geweckt?“ und der Wolf den Fuchs: „warum hast du mich nicht geweckt?“ und der Fuchs den Hasen: „warum hast du mich nicht geweckt?“ Der arme Has wußte allein nichts zu antworten und die Schuld blieb auf ihm hangen. Da wollten sie uͤber ihn herfallen, aber er bat sie und sprach: „bringt mich nicht um, ich will unserm Herrn das Leben wieder verschaffen; ich weiß einen Berg, da waͤchst eine Wurzel, wer die im Mund hat, der wird von aller Krankheit und allen Wunden geheilt. Aber der Berg liegt

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[321/0385] sprach zu ihm: „ich habe den Drachen getoͤdtet und die Jungfrau und das ganze Reich befreit, darum fordere ich sie zur Gemahlin, so wie es versprochen ist.“ Der Koͤnig fragte die Jungfrau: „ist das wahr, was er spricht?“ „Ach ja, antwortete sie, aber ich halte mir aus daß erst uͤber Jahr und Tag die Hochzeit gefeiert wird;“ denn sie dachte in der Zeit etwas von ihrem lieben Jaͤger zu hoͤren. Auf dem Drachenberg aber lagen noch die Thiere und schliefen bei ihrem todten Herrn, da kam eine große Hummel, setzte sich dem Hasen auf die Nase, aber der Hase wischte sie mit der Pfote ab und schlief weiter. Die Hummel kam zum zweitenmal, aber der Hase wischte sie wieder ab und schlief fort. Da kam sie zum drittenmal und stach ihm in die Nase, daß er aufwachte und alsobald weckte er den Fuchs, und der Fuchs den Wolf, und der Wolf den Baͤr und der Baͤr den Loͤwen. Und als der Loͤwe aufwachte und sah, daß die Jungfrau fort war und sein Herr getoͤdtet, fing er fuͤrchterlich an zu bruͤllen und rief: „wer hat das gethan? Baͤr, warum hast du mich nicht geweckt?“ Der Baͤr fragte den Wolf: „warum hast du mich nicht geweckt?“ und der Wolf den Fuchs: „warum hast du mich nicht geweckt?“ und der Fuchs den Hasen: „warum hast du mich nicht geweckt?“ Der arme Has wußte allein nichts zu antworten und die Schuld blieb auf ihm hangen. Da wollten sie uͤber ihn herfallen, aber er bat sie und sprach: „bringt mich nicht um, ich will unserm Herrn das Leben wieder verschaffen; ich weiß einen Berg, da waͤchst eine Wurzel, wer die im Mund hat, der wird von aller Krankheit und allen Wunden geheilt. Aber der Berg liegt

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/385>, abgerufen am 26.05.2024.