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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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hervor und streckte der Frau Meisterin die Zunge heraus. Sie hob schnell den Fingerhut auf und wollte ihn packen, aber der Daumerling hüpfte in die Lappen und wie die Meisterin die Lappen auseinander warf und ihn suchte, machte er sich in den Tischritz; "he! he! Frau Meisterin," rief er und steckte den Kopf in die Höhe, und wenn sie zuschlagen wollte, sprang er immer in die Schublade hinunter. Endlich aber erwischte sie ihn doch, und jagte ihn zum Haus hinaus.

Das Schneiderlein wanderte und kam in einen großen Wald, da begegnete ihm ein Haufen Räuber, die hatten vor, des Königs Schatz zu bestehlen. Als sie das Schneiderlein sahen, dachten sie, so ein Jnstrument kann uns viel nützen. "Heda, rief einer, du gewaltiger Kerl, willst du mit zur Schatzkammer gehen, du kannst dich hineinschleichen und das Geld herauswerfen." Der Daumling besann sich, endlich sagte er ja und ging mit zu der Schatzkammer. Da besah er die Thüre oben und unten, ob kein Ritzen darin wäre, glücklicherweise fand er einen und wollte gleich einsteigen, aber die eine Schildwache sprach zur andern: "was kriegt da für eine garstige Spinne? die will ich todt treten." -- "Ei, laß doch das arme Thier gehen, sagte die andere, es hat dir ja nichts gethan." Nun kam der Daumerling durch den Ritz glücklich in die Schatzkammer, machte das Fenster, unter welchem die Räuber standen, auf und warf ihnen einen Thaler nach dem andern hinaus. Als das Schneiderlein in der besten Arbeit war, hörte es den König kommen, der seine Schatzkammer besehen wollte, und es mußte sich einstweilen verkriechen. Der

hervor und streckte der Frau Meisterin die Zunge heraus. Sie hob schnell den Fingerhut auf und wollte ihn packen, aber der Daumerling huͤpfte in die Lappen und wie die Meisterin die Lappen auseinander warf und ihn suchte, machte er sich in den Tischritz; „he! he! Frau Meisterin,“ rief er und steckte den Kopf in die Hoͤhe, und wenn sie zuschlagen wollte, sprang er immer in die Schublade hinunter. Endlich aber erwischte sie ihn doch, und jagte ihn zum Haus hinaus.

Das Schneiderlein wanderte und kam in einen großen Wald, da begegnete ihm ein Haufen Raͤuber, die hatten vor, des Koͤnigs Schatz zu bestehlen. Als sie das Schneiderlein sahen, dachten sie, so ein Jnstrument kann uns viel nuͤtzen. „Heda, rief einer, du gewaltiger Kerl, willst du mit zur Schatzkammer gehen, du kannst dich hineinschleichen und das Geld herauswerfen.“ Der Daumling besann sich, endlich sagte er ja und ging mit zu der Schatzkammer. Da besah er die Thuͤre oben und unten, ob kein Ritzen darin waͤre, gluͤcklicherweise fand er einen und wollte gleich einsteigen, aber die eine Schildwache sprach zur andern: „was kriegt da fuͤr eine garstige Spinne? die will ich todt treten.“ — „Ei, laß doch das arme Thier gehen, sagte die andere, es hat dir ja nichts gethan.“ Nun kam der Daumerling durch den Ritz gluͤcklich in die Schatzkammer, machte das Fenster, unter welchem die Raͤuber standen, auf und warf ihnen einen Thaler nach dem andern hinaus. Als das Schneiderlein in der besten Arbeit war, hoͤrte es den Koͤnig kommen, der seine Schatzkammer besehen wollte, und es mußte sich einstweilen verkriechen. Der

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[220/0284] hervor und streckte der Frau Meisterin die Zunge heraus. Sie hob schnell den Fingerhut auf und wollte ihn packen, aber der Daumerling huͤpfte in die Lappen und wie die Meisterin die Lappen auseinander warf und ihn suchte, machte er sich in den Tischritz; „he! he! Frau Meisterin,“ rief er und steckte den Kopf in die Hoͤhe, und wenn sie zuschlagen wollte, sprang er immer in die Schublade hinunter. Endlich aber erwischte sie ihn doch, und jagte ihn zum Haus hinaus. Das Schneiderlein wanderte und kam in einen großen Wald, da begegnete ihm ein Haufen Raͤuber, die hatten vor, des Koͤnigs Schatz zu bestehlen. Als sie das Schneiderlein sahen, dachten sie, so ein Jnstrument kann uns viel nuͤtzen. „Heda, rief einer, du gewaltiger Kerl, willst du mit zur Schatzkammer gehen, du kannst dich hineinschleichen und das Geld herauswerfen.“ Der Daumling besann sich, endlich sagte er ja und ging mit zu der Schatzkammer. Da besah er die Thuͤre oben und unten, ob kein Ritzen darin waͤre, gluͤcklicherweise fand er einen und wollte gleich einsteigen, aber die eine Schildwache sprach zur andern: „was kriegt da fuͤr eine garstige Spinne? die will ich todt treten.“ — „Ei, laß doch das arme Thier gehen, sagte die andere, es hat dir ja nichts gethan.“ Nun kam der Daumerling durch den Ritz gluͤcklich in die Schatzkammer, machte das Fenster, unter welchem die Raͤuber standen, auf und warf ihnen einen Thaler nach dem andern hinaus. Als das Schneiderlein in der besten Arbeit war, hoͤrte es den Koͤnig kommen, der seine Schatzkammer besehen wollte, und es mußte sich einstweilen verkriechen. Der

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/284>, abgerufen am 24.06.2024.