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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rothkäppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf, Rothkäppchen aber wußte nicht, was er für ein böses Thier war und fürchtete sich nicht vor ihm. "Guten Tag, Rothkäppchen," sprach er -- "Schönen Dank, Wolf." -- "Wo willst du so früh hinaus, Rothkäppchen," -- "zur Großmutter." -- Was trägst du unter der Schürze? -- "Kuchen und Wein, für die kranke und schwache Großmutter; gestern haben wir gebacken, da soll sie sich stärken." -- "Rothkäppchen, wo wohnt deine Großmutter?" -- "Noch eine gute Viertelstunde im Wald, unter den drei großen Eichbäumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen," sagte Rothkäppchen. Der Wolf dachte bei sich, das junge, zarte Mädchen, das ist ein guter, fetter Bissen für dich, wie fängst du's an, daß du den kriegst. Da ging er ein Weilchen neben Rothkäppchen her, dann sprach er: Rothkäppchen, sieh' einmal die schönen Blumen, die im Walde stehen, warum guckst du nicht um dich; ich glaube, du hörst gar nicht darauf, wie die Vöglein so lieblich singen? du gehst ja für dich hin als wie zur Schule und ist so lustig haußen in dem Wald."

Rothkäppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonne durch die Bäume hin und her sprang und alles voll schöner Blumen stand, dachte es: ei! wenn ich der Großmutter einen Strauß mitbringe, der wird ihr auch lieb seyn; es ist noch früh, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme, und sprang in den Wald und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meint es, dort stünd noch eine schönere und lief darnach und lief immer weiter

wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rothkaͤppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf, Rothkaͤppchen aber wußte nicht, was er fuͤr ein boͤses Thier war und fuͤrchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rothkaͤppchen,“ sprach er — „Schoͤnen Dank, Wolf.“ — „Wo willst du so fruͤh hinaus, Rothkaͤppchen,“ — „zur Großmutter.“ — Was traͤgst du unter der Schuͤrze? — „Kuchen und Wein, fuͤr die kranke und schwache Großmutter; gestern haben wir gebacken, da soll sie sich staͤrken.“ — „Rothkaͤppchen, wo wohnt deine Großmutter?“ — „Noch eine gute Viertelstunde im Wald, unter den drei großen Eichbaͤumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen,“ sagte Rothkaͤppchen. Der Wolf dachte bei sich, das junge, zarte Maͤdchen, das ist ein guter, fetter Bissen fuͤr dich, wie faͤngst du’s an, daß du den kriegst. Da ging er ein Weilchen neben Rothkaͤppchen her, dann sprach er: Rothkaͤppchen, sieh’ einmal die schoͤnen Blumen, die im Walde stehen, warum guckst du nicht um dich; ich glaube, du hoͤrst gar nicht darauf, wie die Voͤglein so lieblich singen? du gehst ja fuͤr dich hin als wie zur Schule und ist so lustig haußen in dem Wald.“

Rothkaͤppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonne durch die Baͤume hin und her sprang und alles voll schoͤner Blumen stand, dachte es: ei! wenn ich der Großmutter einen Strauß mitbringe, der wird ihr auch lieb seyn; es ist noch fruͤh, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme, und sprang in den Wald und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meint es, dort stuͤnd noch eine schoͤnere und lief darnach und lief immer weiter

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[137/0201] wohnte draußen im Wald, eine halbe Stunde vom Dorf. Wie nun Rothkaͤppchen in den Wald kam, begegnete ihm der Wolf, Rothkaͤppchen aber wußte nicht, was er fuͤr ein boͤses Thier war und fuͤrchtete sich nicht vor ihm. „Guten Tag, Rothkaͤppchen,“ sprach er — „Schoͤnen Dank, Wolf.“ — „Wo willst du so fruͤh hinaus, Rothkaͤppchen,“ — „zur Großmutter.“ — Was traͤgst du unter der Schuͤrze? — „Kuchen und Wein, fuͤr die kranke und schwache Großmutter; gestern haben wir gebacken, da soll sie sich staͤrken.“ — „Rothkaͤppchen, wo wohnt deine Großmutter?“ — „Noch eine gute Viertelstunde im Wald, unter den drei großen Eichbaͤumen, da steht ihr Haus, unten sind die Nußhecken, das wirst du ja wissen,“ sagte Rothkaͤppchen. Der Wolf dachte bei sich, das junge, zarte Maͤdchen, das ist ein guter, fetter Bissen fuͤr dich, wie faͤngst du’s an, daß du den kriegst. Da ging er ein Weilchen neben Rothkaͤppchen her, dann sprach er: Rothkaͤppchen, sieh’ einmal die schoͤnen Blumen, die im Walde stehen, warum guckst du nicht um dich; ich glaube, du hoͤrst gar nicht darauf, wie die Voͤglein so lieblich singen? du gehst ja fuͤr dich hin als wie zur Schule und ist so lustig haußen in dem Wald.“ Rothkaͤppchen schlug die Augen auf, und als es sah, wie die Sonne durch die Baͤume hin und her sprang und alles voll schoͤner Blumen stand, dachte es: ei! wenn ich der Großmutter einen Strauß mitbringe, der wird ihr auch lieb seyn; es ist noch fruͤh, daß ich doch zu rechter Zeit ankomme, und sprang in den Wald und suchte Blumen. Und wenn es eine gebrochen hatte, meint es, dort stuͤnd noch eine schoͤnere und lief darnach und lief immer weiter

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 137. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/201>, abgerufen am 22.11.2024.