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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819.

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Glück noch einen Vogel, der mußte zu dem Käs in die Tasche. Nun nahms den Weg zwischen die Beine und stieg einen hohen Berg hinauf; wie es oben ankam, saß da ein großer Riese auf der Spitze. "Gelt, Kamerad, sprach es zu ihm, du sitzest da und schaust in die Welt? Jch bin willens mich auch hinein zu begeben; hast du Lust mit zu gehen!" der Riese sah es an und sprach: "du bist ein miserabeler Kerl!" "Das wär" sagte das Schneiderlein, knöpfte seinen Rock auf und zeigte dem Riesen seinen Gürtel und sprach: da hast du's schriftlich, was ich für ein Mann bin." Der Riese las: siebene auf einen Streich!" meinte das wären Menschen gewesen, die er erschlagen hätte und kriegte vor dem Schneiderlein doch ein wenig Respect. Erst aber wollt er es prüfen. Da nahm er einen Stein in seine Faust, und drückte ihn zusammen, daß das Wasser heraustropfte. "Das thu mir nach, sprach er zu ihm, wenn du stark seyn willst." "Jsts weiter nichts, sprach das Schneiderlein das kann ich auch;" griff in die Tasche, holte den faulen Käs und drückte ihn, daß der Saft herauslief. "Gelt, sprach es, das war ein bischen besser?" Der Riese wußte nicht, was er sagen sollte und konnts gar nicht von dem Männlein glauben. Da hob er einen Stein auf und warf ihn so hoch, daß er kaum noch zu sehen war. "Du Erpelmännchen, das thu mir nach" sprach er. "Gleich, sagte es, dein Wurf war gut, aber der Stein hat doch wieder zur Erde müssen herabfallen; ich will dir einen werfen, der soll gar nicht wieder herabkommen." Darauf griff es in die Tasche, nahm den Vogel und warf ihn in die Luft, und der Vogel froh, daß er frei geworden, stieg auf und flog fort. "Nun, Kammerad, wie gefällt

Gluͤck noch einen Vogel, der mußte zu dem Kaͤs in die Tasche. Nun nahms den Weg zwischen die Beine und stieg einen hohen Berg hinauf; wie es oben ankam, saß da ein großer Riese auf der Spitze. „Gelt, Kamerad, sprach es zu ihm, du sitzest da und schaust in die Welt? Jch bin willens mich auch hinein zu begeben; hast du Lust mit zu gehen!“ der Riese sah es an und sprach: „du bist ein miserabeler Kerl!“ „Das waͤr“ sagte das Schneiderlein, knoͤpfte seinen Rock auf und zeigte dem Riesen seinen Guͤrtel und sprach: da hast du’s schriftlich, was ich fuͤr ein Mann bin.“ Der Riese las: siebene auf einen Streich!“ meinte das waͤren Menschen gewesen, die er erschlagen haͤtte und kriegte vor dem Schneiderlein doch ein wenig Respect. Erst aber wollt er es pruͤfen. Da nahm er einen Stein in seine Faust, und druͤckte ihn zusammen, daß das Wasser heraustropfte. „Das thu mir nach, sprach er zu ihm, wenn du stark seyn willst.“ „Jsts weiter nichts, sprach das Schneiderlein das kann ich auch;“ griff in die Tasche, holte den faulen Kaͤs und druͤckte ihn, daß der Saft herauslief. „Gelt, sprach es, das war ein bischen besser?“ Der Riese wußte nicht, was er sagen sollte und konnts gar nicht von dem Maͤnnlein glauben. Da hob er einen Stein auf und warf ihn so hoch, daß er kaum noch zu sehen war. „Du Erpelmaͤnnchen, das thu mir nach“ sprach er. „Gleich, sagte es, dein Wurf war gut, aber der Stein hat doch wieder zur Erde muͤssen herabfallen; ich will dir einen werfen, der soll gar nicht wieder herabkommen.“ Darauf griff es in die Tasche, nahm den Vogel und warf ihn in die Luft, und der Vogel froh, daß er frei geworden, stieg auf und flog fort. „Nun, Kammerad, wie gefaͤllt

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[106/0170] Gluͤck noch einen Vogel, der mußte zu dem Kaͤs in die Tasche. Nun nahms den Weg zwischen die Beine und stieg einen hohen Berg hinauf; wie es oben ankam, saß da ein großer Riese auf der Spitze. „Gelt, Kamerad, sprach es zu ihm, du sitzest da und schaust in die Welt? Jch bin willens mich auch hinein zu begeben; hast du Lust mit zu gehen!“ der Riese sah es an und sprach: „du bist ein miserabeler Kerl!“ „Das waͤr“ sagte das Schneiderlein, knoͤpfte seinen Rock auf und zeigte dem Riesen seinen Guͤrtel und sprach: da hast du’s schriftlich, was ich fuͤr ein Mann bin.“ Der Riese las: siebene auf einen Streich!“ meinte das waͤren Menschen gewesen, die er erschlagen haͤtte und kriegte vor dem Schneiderlein doch ein wenig Respect. Erst aber wollt er es pruͤfen. Da nahm er einen Stein in seine Faust, und druͤckte ihn zusammen, daß das Wasser heraustropfte. „Das thu mir nach, sprach er zu ihm, wenn du stark seyn willst.“ „Jsts weiter nichts, sprach das Schneiderlein das kann ich auch;“ griff in die Tasche, holte den faulen Kaͤs und druͤckte ihn, daß der Saft herauslief. „Gelt, sprach es, das war ein bischen besser?“ Der Riese wußte nicht, was er sagen sollte und konnts gar nicht von dem Maͤnnlein glauben. Da hob er einen Stein auf und warf ihn so hoch, daß er kaum noch zu sehen war. „Du Erpelmaͤnnchen, das thu mir nach“ sprach er. „Gleich, sagte es, dein Wurf war gut, aber der Stein hat doch wieder zur Erde muͤssen herabfallen; ich will dir einen werfen, der soll gar nicht wieder herabkommen.“ Darauf griff es in die Tasche, nahm den Vogel und warf ihn in die Luft, und der Vogel froh, daß er frei geworden, stieg auf und flog fort. „Nun, Kammerad, wie gefaͤllt

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Anmerkungen zur Transkription:

Zusätzlich zu dieser historischen Ausgabe gibt es in der 2004 von Prof. Hans-Jörg Uther herausgegebenen und im Olms-Verlag erschienenen Ausgabe (ISBN 978-3-487-12545-9) in Bd. 1, S. 7–27 ein aussagekräftiges Vorwort.




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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. 2. Aufl. Bd. 1. Berlin, 1819, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1819/170>, abgerufen am 06.05.2024.