die schönen Haare Rapunzels, schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit der rechten und ritsch, ritsch, waren sie abge- schnitten. Darauf verwieß sie Rapunzel in eine Wüstenei, wo es ihr sehr kümmerlich erging und sie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge, einen Knaben und ein Mädchen gebar.
Denselben Tag aber, wo sie Rapunzel ver- stoßen hatte, machte die Fee Abends die abge- schnittenen Haare oben am Haken fest, und als der Königssohn kam;
["]Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter!["]
so ließ sie zwar die Haare nieder, allein wie erstaunte der Prinz, als er statt seines gelieb- ten Rapunzels die Fee oben fand. "Weißt du was, sprach die erzürnte Fee, Rapunzel ist für dich Bösewicht auf immer verloren!"
Da wurde der Königssohn ganz verzwei- felnd, und stürzte sich gleich den Thurm hinab, das Leben brachte er davon, aber die beiden Augen hatte er sich ausgefallen, traurig irrte er im Wald herum, aß nichts als Gras und Wurzeln, und that nichts als weinen. Einige Jahre nachher geräth er in jene Wüstenei, wo Rapunzel kümmerlich mit ihren Kindern lebte, ihre Stimme däuchte ihm so bekannt, in dem- selben Augenblick erkannte sie ihn auch und fällt ihm um den Hals. Zwei von ihren Thrä-
die ſchoͤnen Haare Rapunzels, ſchlug ſie ein paar Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit der rechten und ritſch, ritſch, waren ſie abge- ſchnitten. Darauf verwieß ſie Rapunzel in eine Wuͤſtenei, wo es ihr ſehr kuͤmmerlich erging und ſie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge, einen Knaben und ein Maͤdchen gebar.
Denſelben Tag aber, wo ſie Rapunzel ver- ſtoßen hatte, machte die Fee Abends die abge- ſchnittenen Haare oben am Haken feſt, und als der Koͤnigsſohn kam;
[„]Rapunzel, Rapunzel, laß dein Haar herunter![“]
ſo ließ ſie zwar die Haare nieder, allein wie erſtaunte der Prinz, als er ſtatt ſeines gelieb- ten Rapunzels die Fee oben fand. „Weißt du was, ſprach die erzuͤrnte Fee, Rapunzel iſt fuͤr dich Boͤſewicht auf immer verloren!“
Da wurde der Koͤnigsſohn ganz verzwei- felnd, und ſtuͤrzte ſich gleich den Thurm hinab, das Leben brachte er davon, aber die beiden Augen hatte er ſich ausgefallen, traurig irrte er im Wald herum, aß nichts als Gras und Wurzeln, und that nichts als weinen. Einige Jahre nachher geraͤth er in jene Wuͤſtenei, wo Rapunzel kuͤmmerlich mit ihren Kindern lebte, ihre Stimme daͤuchte ihm ſo bekannt, in dem- ſelben Augenblick erkannte ſie ihn auch und faͤllt ihm um den Hals. Zwei von ihren Thraͤ-
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die ſchoͤnen Haare Rapunzels, ſchlug ſie ein paar
Mal um ihre linke Hand, griff eine Scheere mit
der rechten und ritſch, ritſch, waren ſie abge-
ſchnitten. Darauf verwieß ſie Rapunzel in eine
Wuͤſtenei, wo es ihr ſehr kuͤmmerlich erging und
ſie nach Verlauf einiger Zeit Zwillinge, einen
Knaben und ein Maͤdchen gebar.
Denſelben Tag aber, wo ſie Rapunzel ver-
ſtoßen hatte, machte die Fee Abends die abge-
ſchnittenen Haare oben am Haken feſt, und als
der Koͤnigsſohn kam;
„Rapunzel, Rapunzel,
laß dein Haar herunter!“
ſo ließ ſie zwar die Haare nieder, allein wie
erſtaunte der Prinz, als er ſtatt ſeines gelieb-
ten Rapunzels die Fee oben fand. „Weißt du
was, ſprach die erzuͤrnte Fee, Rapunzel iſt fuͤr
dich Boͤſewicht auf immer verloren!“
Da wurde der Koͤnigsſohn ganz verzwei-
felnd, und ſtuͤrzte ſich gleich den Thurm hinab,
das Leben brachte er davon, aber die beiden
Augen hatte er ſich ausgefallen, traurig irrte
er im Wald herum, aß nichts als Gras und
Wurzeln, und that nichts als weinen. Einige
Jahre nachher geraͤth er in jene Wuͤſtenei, wo
Rapunzel kuͤmmerlich mit ihren Kindern lebte,
ihre Stimme daͤuchte ihm ſo bekannt, in dem-
ſelben Augenblick erkannte ſie ihn auch und
faͤllt ihm um den Hals. Zwei von ihren Thraͤ-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/76>, abgerufen am 23.11.2024.
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