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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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Hähnchen mußte einen kleinen Wagen von Nuß-
schaalen bauen. Als er fertig war, setzte sich
Hühnchen hinein und sagte zum Hähnchen:
"du kannst dich nur immer vorspannen." --
"Nein, sagte das Hähnchen, das wäre mir
recht! lieber geh ich zu Fuß nach Haus, als
daß ich mich vorspannen lasse, so haben wir
nicht gewettet; Kutscher will ich wohl seyn und
auf dem Bock sitzen, aber selbst ziehen, das thu
ich nicht."

Wie sie sich so stritten, schnatterte eine En-
te daher: "ihr Diebsvolk, wer hat euch gehei-
ßen in meinen Nußberg gehen, das soll euch
schlecht bekommen", ging damit auf das Hähn-
chen los. Aber Hähnchen war auch nicht faul,
und stieg der Ente tüchtig zu Leib, endlich hack-
te es mit seinem Sporn so gewaltig, daß sie
um Gnade bat und sich gern zur Strafe vor
den Wagen spannen ließ. Hähnchen setzte sich
auf den Bock und war Kutscher, und nun ging
es fort, im Gallop: Ente lauf zu was du
kannst! Als sie ein Stück Wegs gefahren wa-
ren, begegneten sie zwei Fußgängern, einer
Stecknadel und einer Nähnadel. Die riefen
halt und sagten, es werde gleich stichdunkel
werden, da könnten sie keinen Schritt weiter,
dabei wär es so schmutzig auf der Straße, ob
sie nicht ein wenig einsitzen könnten; sie seyen
auf der Schneiderherberge vor dem Thor gewe-

Haͤhnchen mußte einen kleinen Wagen von Nuß-
ſchaalen bauen. Als er fertig war, ſetzte ſich
Huͤhnchen hinein und ſagte zum Haͤhnchen:
„du kannſt dich nur immer vorſpannen.“ —
„Nein, ſagte das Haͤhnchen, das waͤre mir
recht! lieber geh ich zu Fuß nach Haus, als
daß ich mich vorſpannen laſſe, ſo haben wir
nicht gewettet; Kutſcher will ich wohl ſeyn und
auf dem Bock ſitzen, aber ſelbſt ziehen, das thu
ich nicht.“

Wie ſie ſich ſo ſtritten, ſchnatterte eine En-
te daher: „ihr Diebsvolk, wer hat euch gehei-
ßen in meinen Nußberg gehen, das ſoll euch
ſchlecht bekommen“, ging damit auf das Haͤhn-
chen los. Aber Haͤhnchen war auch nicht faul,
und ſtieg der Ente tuͤchtig zu Leib, endlich hack-
te es mit ſeinem Sporn ſo gewaltig, daß ſie
um Gnade bat und ſich gern zur Strafe vor
den Wagen ſpannen ließ. Haͤhnchen ſetzte ſich
auf den Bock und war Kutſcher, und nun ging
es fort, im Gallop: Ente lauf zu was du
kannſt! Als ſie ein Stuͤck Wegs gefahren wa-
ren, begegneten ſie zwei Fußgaͤngern, einer
Stecknadel und einer Naͤhnadel. Die riefen
halt und ſagten, es werde gleich ſtichdunkel
werden, da koͤnnten ſie keinen Schritt weiter,
dabei waͤr es ſo ſchmutzig auf der Straße, ob
ſie nicht ein wenig einſitzen koͤnnten; ſie ſeyen
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[31/0065] Haͤhnchen mußte einen kleinen Wagen von Nuß- ſchaalen bauen. Als er fertig war, ſetzte ſich Huͤhnchen hinein und ſagte zum Haͤhnchen: „du kannſt dich nur immer vorſpannen.“ — „Nein, ſagte das Haͤhnchen, das waͤre mir recht! lieber geh ich zu Fuß nach Haus, als daß ich mich vorſpannen laſſe, ſo haben wir nicht gewettet; Kutſcher will ich wohl ſeyn und auf dem Bock ſitzen, aber ſelbſt ziehen, das thu ich nicht.“ Wie ſie ſich ſo ſtritten, ſchnatterte eine En- te daher: „ihr Diebsvolk, wer hat euch gehei- ßen in meinen Nußberg gehen, das ſoll euch ſchlecht bekommen“, ging damit auf das Haͤhn- chen los. Aber Haͤhnchen war auch nicht faul, und ſtieg der Ente tuͤchtig zu Leib, endlich hack- te es mit ſeinem Sporn ſo gewaltig, daß ſie um Gnade bat und ſich gern zur Strafe vor den Wagen ſpannen ließ. Haͤhnchen ſetzte ſich auf den Bock und war Kutſcher, und nun ging es fort, im Gallop: Ente lauf zu was du kannſt! Als ſie ein Stuͤck Wegs gefahren wa- ren, begegneten ſie zwei Fußgaͤngern, einer Stecknadel und einer Naͤhnadel. Die riefen halt und ſagten, es werde gleich ſtichdunkel werden, da koͤnnten ſie keinen Schritt weiter, dabei waͤr es ſo ſchmutzig auf der Straße, ob ſie nicht ein wenig einſitzen koͤnnten; ſie ſeyen auf der Schneiderherberge vor dem Thor gewe-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/65>, abgerufen am 21.11.2024.