es wär' ihre Schwester; darüber freuten sie sich alle, und waren froh, daß sie es nicht getödtet hatten.
Das Schwesterchen übernahm nun den Haushalt, und wenn die Brüder auf der Jagd waren, sammelte es Holz und Kräuter, stellte zu am Feuer, deckte die Bettlein hübsch weiß und rein, und thät alles unverdrossen und flei- ßig. Einmal geschah es, daß es fertig war mit aller Arbeit, da ging es in den Wald spazieren. Es kam an einen Platz, wo zwölf schöne hohe, weiße Lilien standen, und weil sie ihr so wohl gefielen, brach sie alle miteinander ab. Kaum aber war das geschehen, so stand eine alte Frau vor ihr: "ach meine Tochter, sagte sie, warum hast du die zwölf Studentenblumen nicht ste- hen lassen! das sind deine zwölf Brüder, die sind nun alle in Raben verwandelt worden und sind verloren auf ewig." Das Schwesterchen fing an zu weinen, "ach! sagte es, giebts denn kein Mittel sie zu erlösen?" "Nein, es ist kein Mittel auf der Welt, als ein einziges, das ist so schwer, das du sie nicht damit befreien wirst: du mußt zwölf ganzer Jahr stumm seyn, sprichst du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine Stunde daran, so ist alles umsonst und deine Brüder sind in dem Augenblick todt."
Das Schwesterchen setzte sich da auf einen hohen Baum im Wald und spann und wollte
es waͤr' ihre Schweſter; daruͤber freuten ſie ſich alle, und waren froh, daß ſie es nicht getoͤdtet hatten.
Das Schweſterchen uͤbernahm nun den Haushalt, und wenn die Bruͤder auf der Jagd waren, ſammelte es Holz und Kraͤuter, ſtellte zu am Feuer, deckte die Bettlein huͤbſch weiß und rein, und thaͤt alles unverdroſſen und flei- ßig. Einmal geſchah es, daß es fertig war mit aller Arbeit, da ging es in den Wald ſpazieren. Es kam an einen Platz, wo zwoͤlf ſchoͤne hohe, weiße Lilien ſtanden, und weil ſie ihr ſo wohl gefielen, brach ſie alle miteinander ab. Kaum aber war das geſchehen, ſo ſtand eine alte Frau vor ihr: „ach meine Tochter, ſagte ſie, warum haſt du die zwoͤlf Studentenblumen nicht ſte- hen laſſen! das ſind deine zwoͤlf Bruͤder, die ſind nun alle in Raben verwandelt worden und ſind verloren auf ewig.“ Das Schweſterchen fing an zu weinen, „ach! ſagte es, giebts denn kein Mittel ſie zu erloͤſen?“ „Nein, es iſt kein Mittel auf der Welt, als ein einziges, das iſt ſo ſchwer, das du ſie nicht damit befreien wirſt: du mußt zwoͤlf ganzer Jahr ſtumm ſeyn, ſprichſt du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine Stunde daran, ſo iſt alles umſonſt und deine Bruͤder ſind in dem Augenblick todt.“
Das Schweſterchen ſetzte ſich da auf einen hohen Baum im Wald und ſpann und wollte
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es waͤr' ihre Schweſter; daruͤber freuten ſie ſich
alle, und waren froh, daß ſie es nicht getoͤdtet
hatten.
Das Schweſterchen uͤbernahm nun den
Haushalt, und wenn die Bruͤder auf der Jagd
waren, ſammelte es Holz und Kraͤuter, ſtellte
zu am Feuer, deckte die Bettlein huͤbſch weiß
und rein, und thaͤt alles unverdroſſen und flei-
ßig. Einmal geſchah es, daß es fertig war mit
aller Arbeit, da ging es in den Wald ſpazieren.
Es kam an einen Platz, wo zwoͤlf ſchoͤne hohe,
weiße Lilien ſtanden, und weil ſie ihr ſo wohl
gefielen, brach ſie alle miteinander ab. Kaum
aber war das geſchehen, ſo ſtand eine alte Frau
vor ihr: „ach meine Tochter, ſagte ſie, warum
haſt du die zwoͤlf Studentenblumen nicht ſte-
hen laſſen! das ſind deine zwoͤlf Bruͤder, die
ſind nun alle in Raben verwandelt worden und
ſind verloren auf ewig.“ Das Schweſterchen
fing an zu weinen, „ach! ſagte es, giebts denn
kein Mittel ſie zu erloͤſen?“ „Nein, es iſt kein
Mittel auf der Welt, als ein einziges, das iſt
ſo ſchwer, das du ſie nicht damit befreien wirſt:
du mußt zwoͤlf ganzer Jahr ſtumm ſeyn, ſprichſt
du ein einziges Wort, und es fehlt nur eine
Stunde daran, ſo iſt alles umſonſt und deine
Bruͤder ſind in dem Augenblick todt.“
Das Schweſterchen ſetzte ſich da auf einen
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/62>, abgerufen am 18.12.2024.
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