Sie winkte ihm mit ihrem weißen Tüchlein noch aus dem Wagen, und dann gings fort, als wär der Wind vorgespannt, immer in den Zau- berwald hinein. Dem König aber wars recht schwer ums Herz, daß er seine Tochter an einen Bären hingegeben hatte, und weinte drei Tage mit der Königin, so traurig war er. Am vier- ten Tag aber als er sich ausgeweint hatte, dachte er, was geschehen, ist einmal nicht zu ändern, stieg hinab in den Hof, da stand eine Kiste von Ebenholz und war gewaltig schwer zu heben, alsbald fiel ihm ein, was ihm der Bär versprochen hatte, und machte sie auf, da lag ein Centner Goldes darin und glimmerte und flimmerte.
Wie der König das Gold erblickte, ward er getröstet und löste seine Städte und sein Reich ein, und fing das vorige Wohlleben von vorne an. Das dauerte so lang als der Cent- ner Gold dauerte, darnach mußte er wieder alles verpfänden und auf das Waldschloß zurückzie- hen und Kartoffeln essen. Der König hatte noch einen Falken, den nahm er eines Tags mit hinaus auf das Feld und wollte mit ihm jagen, damit er etwas Besseres zu essen hätte. Der Falk stieg auf, und flog nach dem dunkeln Zauberwald zu, in den sich der König nicht mehr getraute, kaum aber war er dort so schoß ein Adler hervor und verfolgte den Falken, der
Sie winkte ihm mit ihrem weißen Tuͤchlein noch aus dem Wagen, und dann gings fort, als waͤr der Wind vorgeſpannt, immer in den Zau- berwald hinein. Dem Koͤnig aber wars recht ſchwer ums Herz, daß er ſeine Tochter an einen Baͤren hingegeben hatte, und weinte drei Tage mit der Koͤnigin, ſo traurig war er. Am vier- ten Tag aber als er ſich ausgeweint hatte, dachte er, was geſchehen, iſt einmal nicht zu aͤndern, ſtieg hinab in den Hof, da ſtand eine Kiſte von Ebenholz und war gewaltig ſchwer zu heben, alsbald fiel ihm ein, was ihm der Baͤr verſprochen hatte, und machte ſie auf, da lag ein Centner Goldes darin und glimmerte und flimmerte.
Wie der Koͤnig das Gold erblickte, ward er getroͤſtet und loͤſte ſeine Staͤdte und ſein Reich ein, und fing das vorige Wohlleben von vorne an. Das dauerte ſo lang als der Cent- ner Gold dauerte, darnach mußte er wieder alles verpfaͤnden und auf das Waldſchloß zuruͤckzie- hen und Kartoffeln eſſen. Der Koͤnig hatte noch einen Falken, den nahm er eines Tags mit hinaus auf das Feld und wollte mit ihm jagen, damit er etwas Beſſeres zu eſſen haͤtte. Der Falk ſtieg auf, und flog nach dem dunkeln Zauberwald zu, in den ſich der Koͤnig nicht mehr getraute, kaum aber war er dort ſo ſchoß ein Adler hervor und verfolgte den Falken, der
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Sie winkte ihm mit ihrem weißen Tuͤchlein
noch aus dem Wagen, und dann gings fort, als
waͤr der Wind vorgeſpannt, immer in den Zau-
berwald hinein. Dem Koͤnig aber wars recht
ſchwer ums Herz, daß er ſeine Tochter an einen
Baͤren hingegeben hatte, und weinte drei Tage
mit der Koͤnigin, ſo traurig war er. Am vier-
ten Tag aber als er ſich ausgeweint hatte,
dachte er, was geſchehen, iſt einmal nicht zu
aͤndern, ſtieg hinab in den Hof, da ſtand eine
Kiſte von Ebenholz und war gewaltig ſchwer
zu heben, alsbald fiel ihm ein, was ihm der
Baͤr verſprochen hatte, und machte ſie auf, da
lag ein Centner Goldes darin und glimmerte
und flimmerte.
Wie der Koͤnig das Gold erblickte, ward
er getroͤſtet und loͤſte ſeine Staͤdte und ſein
Reich ein, und fing das vorige Wohlleben von
vorne an. Das dauerte ſo lang als der Cent-
ner Gold dauerte, darnach mußte er wieder alles
verpfaͤnden und auf das Waldſchloß zuruͤckzie-
hen und Kartoffeln eſſen. Der Koͤnig hatte
noch einen Falken, den nahm er eines Tags
mit hinaus auf das Feld und wollte mit ihm
jagen, damit er etwas Beſſeres zu eſſen haͤtte.
Der Falk ſtieg auf, und flog nach dem dunkeln
Zauberwald zu, in den ſich der Koͤnig nicht
mehr getraute, kaum aber war er dort ſo ſchoß
ein Adler hervor und verfolgte den Falken, der
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/401>, abgerufen am 24.11.2024.
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