auch das alte Weib; nun konnte sie nichts mehr zaubern und Jorinde stand da, hatte ihn um den Hals gefaßt, so schön, wie sie ehemals war. Da macht er auch alle die andern Vögel wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit sei- ner Jorinde nach Hause, und lebten lange ver- gnügt zusammen.
70. Der Okerlo.
Eine Königin setzte ihr Kind in einer gol- denen Wiege aufs Meer, und ließ es fort- schwimmen; es ging aber nicht unter, sondern schwamm zu einer Insel, da wohnten lauter Menschenfresser. Wie nun so die Wiege ge- schwommen kam, stand gerade die Frau des Menschenfressers am Ufer, und als sie das Kind sah, welches ein wunderschönes Mädchen war, beschloß sie, es groß zu ziehen für ihren Sohn, der sollte es einmal zur Frau haben. Doch hatte sie große Noth damit, daß sie es sorgfäl- tig vor ihrem Mann, dem alten Okerlo ver- steckte, denn hätte er es zu Gesicht bekommen, so wäre es mit Haut und Haar aufgefressen worden.
Als nun das Mädchen groß geworden war, sollte es mit dem jungen Okerlo verheirathet werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden,
auch das alte Weib; nun konnte ſie nichts mehr zaubern und Jorinde ſtand da, hatte ihn um den Hals gefaßt, ſo ſchoͤn, wie ſie ehemals war. Da macht er auch alle die andern Voͤgel wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit ſei- ner Jorinde nach Hauſe, und lebten lange ver- gnuͤgt zuſammen.
70. Der Okerlo.
Eine Koͤnigin ſetzte ihr Kind in einer gol- denen Wiege aufs Meer, und ließ es fort- ſchwimmen; es ging aber nicht unter, ſondern ſchwamm zu einer Inſel, da wohnten lauter Menſchenfreſſer. Wie nun ſo die Wiege ge- ſchwommen kam, ſtand gerade die Frau des Menſchenfreſſers am Ufer, und als ſie das Kind ſah, welches ein wunderſchoͤnes Maͤdchen war, beſchloß ſie, es groß zu ziehen fuͤr ihren Sohn, der ſollte es einmal zur Frau haben. Doch hatte ſie große Noth damit, daß ſie es ſorgfaͤl- tig vor ihrem Mann, dem alten Okerlo ver- ſteckte, denn haͤtte er es zu Geſicht bekommen, ſo waͤre es mit Haut und Haar aufgefreſſen worden.
Als nun das Maͤdchen groß geworden war, ſollte es mit dem jungen Okerlo verheirathet werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0366"n="332"/>
auch das alte Weib; nun konnte ſie nichts<lb/>
mehr zaubern und Jorinde ſtand da, hatte ihn<lb/>
um den Hals gefaßt, ſo ſchoͤn, wie ſie ehemals<lb/>
war. Da macht er auch alle die andern Voͤgel<lb/>
wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit ſei-<lb/>
ner Jorinde nach Hauſe, und lebten lange ver-<lb/>
gnuͤgt zuſammen.</p></div><lb/><divn="1"><head>70.<lb/><hirendition="#g">Der Okerlo</hi>.</head><lb/><p>Eine Koͤnigin ſetzte ihr Kind in einer gol-<lb/>
denen Wiege aufs Meer, und ließ es fort-<lb/>ſchwimmen; es ging aber nicht unter, ſondern<lb/>ſchwamm zu einer Inſel, da wohnten lauter<lb/>
Menſchenfreſſer. Wie nun ſo die Wiege ge-<lb/>ſchwommen kam, ſtand gerade die Frau des<lb/>
Menſchenfreſſers am Ufer, und als ſie das Kind<lb/>ſah, welches ein wunderſchoͤnes Maͤdchen war,<lb/>
beſchloß ſie, es groß zu ziehen fuͤr ihren Sohn,<lb/>
der ſollte es einmal zur Frau haben. Doch<lb/>
hatte ſie große Noth damit, daß ſie es ſorgfaͤl-<lb/>
tig vor ihrem Mann, dem alten <hirendition="#g">Okerlo</hi> ver-<lb/>ſteckte, denn haͤtte er es zu Geſicht bekommen,<lb/>ſo waͤre es mit Haut und Haar aufgefreſſen<lb/>
worden.</p><lb/><p>Als nun das Maͤdchen groß geworden war,<lb/>ſollte es mit dem jungen Okerlo verheirathet<lb/>
werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[332/0366]
auch das alte Weib; nun konnte ſie nichts
mehr zaubern und Jorinde ſtand da, hatte ihn
um den Hals gefaßt, ſo ſchoͤn, wie ſie ehemals
war. Da macht er auch alle die andern Voͤgel
wieder zu Jungfrauen, und da ging er mit ſei-
ner Jorinde nach Hauſe, und lebten lange ver-
gnuͤgt zuſammen.
70.
Der Okerlo.
Eine Koͤnigin ſetzte ihr Kind in einer gol-
denen Wiege aufs Meer, und ließ es fort-
ſchwimmen; es ging aber nicht unter, ſondern
ſchwamm zu einer Inſel, da wohnten lauter
Menſchenfreſſer. Wie nun ſo die Wiege ge-
ſchwommen kam, ſtand gerade die Frau des
Menſchenfreſſers am Ufer, und als ſie das Kind
ſah, welches ein wunderſchoͤnes Maͤdchen war,
beſchloß ſie, es groß zu ziehen fuͤr ihren Sohn,
der ſollte es einmal zur Frau haben. Doch
hatte ſie große Noth damit, daß ſie es ſorgfaͤl-
tig vor ihrem Mann, dem alten Okerlo ver-
ſteckte, denn haͤtte er es zu Geſicht bekommen,
ſo waͤre es mit Haut und Haar aufgefreſſen
worden.
Als nun das Maͤdchen groß geworden war,
ſollte es mit dem jungen Okerlo verheirathet
werden, es mochte ihn aber gar nicht leiden,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/366>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.