Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

Bild:
<< vorherige Seite

nicht; endlich riefen sie zum drittenmal, und
da stand es auf und kam heraus. Es sprach
kein Wort, faßte sie aber an und führte sie zu
einem reichbesetzten Tisch, und als sie gegessen
hatten, führte es einen jeglichen in ein eigenes
Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu
dem ältesten, winkte ihm und brachte ihn zu
einer steinernen Tafel, darauf standen die drei
Aufgaben geschrieben, wodurch das Schloß er-
löst werden konnte. Die erste war: in dem
Wald unter dem Moos lagen die tausend Per-
len der Königstochter, die mußten aufgesucht
werden, und vor Sonnenuntergang durfte nicht
eine einzige fehlen, sonst ward der, welcher es
unternahm zu Stein. Der Prinz ging hin
und suchte den ganzen Tag, als aber der Tag
zu Ende war, hatte er erst hundert gefunden,
und ward in einen Stein verwandelt. Am fol-
genden Tag unternahm der zweite Bruder das
Abentheuer; er ward aber wie der älteste zu
Stein, weil er nicht mehr, als zweihundert ge-
funden. Endlich kam auch an den Dummling
die Reihe, der suchte im Moos, es war aber
so schwer, die Perlen zu finden, und ging so
langsam, da setzte er sich auf einen Stein und
weinte. Und wie er so saß kam der Ameisen-
könig, den er einmal erhalten hatte mit fünf-
tausend Ameisen, und es währte gar nicht lang,
so hatten die die Perlen miteinander gefunden

nicht; endlich riefen ſie zum drittenmal, und
da ſtand es auf und kam heraus. Es ſprach
kein Wort, faßte ſie aber an und fuͤhrte ſie zu
einem reichbeſetzten Tiſch, und als ſie gegeſſen
hatten, fuͤhrte es einen jeglichen in ein eigenes
Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu
dem aͤlteſten, winkte ihm und brachte ihn zu
einer ſteinernen Tafel, darauf ſtanden die drei
Aufgaben geſchrieben, wodurch das Schloß er-
loͤſt werden konnte. Die erſte war: in dem
Wald unter dem Moos lagen die tauſend Per-
len der Koͤnigstochter, die mußten aufgeſucht
werden, und vor Sonnenuntergang durfte nicht
eine einzige fehlen, ſonſt ward der, welcher es
unternahm zu Stein. Der Prinz ging hin
und ſuchte den ganzen Tag, als aber der Tag
zu Ende war, hatte er erſt hundert gefunden,
und ward in einen Stein verwandelt. Am fol-
genden Tag unternahm der zweite Bruder das
Abentheuer; er ward aber wie der aͤlteſte zu
Stein, weil er nicht mehr, als zweihundert ge-
funden. Endlich kam auch an den Dummling
die Reihe, der ſuchte im Moos, es war aber
ſo ſchwer, die Perlen zu finden, und ging ſo
langſam, da ſetzte er ſich auf einen Stein und
weinte. Und wie er ſo ſaß kam der Ameiſen-
koͤnig, den er einmal erhalten hatte mit fuͤnf-
tauſend Ameiſen, und es waͤhrte gar nicht lang,
ſo hatten die die Perlen miteinander gefunden

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0332" n="298"/>
nicht; endlich riefen &#x017F;ie zum drittenmal, und<lb/>
da &#x017F;tand es auf und kam heraus. Es &#x017F;prach<lb/>
kein Wort, faßte &#x017F;ie aber an und fu&#x0364;hrte &#x017F;ie zu<lb/>
einem reichbe&#x017F;etzten Ti&#x017F;ch, und als &#x017F;ie gege&#x017F;&#x017F;en<lb/>
hatten, fu&#x0364;hrte es einen jeglichen in ein eigenes<lb/>
Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu<lb/>
dem a&#x0364;lte&#x017F;ten, winkte ihm und brachte ihn zu<lb/>
einer &#x017F;teinernen Tafel, darauf &#x017F;tanden die drei<lb/>
Aufgaben ge&#x017F;chrieben, wodurch das Schloß er-<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;t werden konnte. Die er&#x017F;te war: in dem<lb/>
Wald unter dem Moos lagen die tau&#x017F;end Per-<lb/>
len der Ko&#x0364;nigstochter, die mußten aufge&#x017F;ucht<lb/>
werden, und vor Sonnenuntergang durfte nicht<lb/>
eine einzige fehlen, &#x017F;on&#x017F;t ward der, welcher es<lb/>
unternahm zu Stein. Der Prinz ging hin<lb/>
und &#x017F;uchte den ganzen Tag, als aber der Tag<lb/>
zu Ende war, hatte er er&#x017F;t hundert gefunden,<lb/>
und ward in einen Stein verwandelt. Am fol-<lb/>
genden Tag unternahm der zweite Bruder das<lb/>
Abentheuer; er ward aber wie der a&#x0364;lte&#x017F;te zu<lb/>
Stein, weil er nicht mehr, als zweihundert ge-<lb/>
funden. Endlich kam auch an den Dummling<lb/>
die Reihe, der &#x017F;uchte im Moos, es war aber<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chwer, die Perlen zu finden, und ging &#x017F;o<lb/>
lang&#x017F;am, da &#x017F;etzte er &#x017F;ich auf einen Stein und<lb/>
weinte. Und wie er &#x017F;o &#x017F;aß kam der Amei&#x017F;en-<lb/>
ko&#x0364;nig, den er einmal erhalten hatte mit fu&#x0364;nf-<lb/>
tau&#x017F;end Amei&#x017F;en, und es wa&#x0364;hrte gar nicht lang,<lb/>
&#x017F;o hatten die die Perlen miteinander gefunden<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0332] nicht; endlich riefen ſie zum drittenmal, und da ſtand es auf und kam heraus. Es ſprach kein Wort, faßte ſie aber an und fuͤhrte ſie zu einem reichbeſetzten Tiſch, und als ſie gegeſſen hatten, fuͤhrte es einen jeglichen in ein eigenes Schlafgemach. Am andern Morgen kam es zu dem aͤlteſten, winkte ihm und brachte ihn zu einer ſteinernen Tafel, darauf ſtanden die drei Aufgaben geſchrieben, wodurch das Schloß er- loͤſt werden konnte. Die erſte war: in dem Wald unter dem Moos lagen die tauſend Per- len der Koͤnigstochter, die mußten aufgeſucht werden, und vor Sonnenuntergang durfte nicht eine einzige fehlen, ſonſt ward der, welcher es unternahm zu Stein. Der Prinz ging hin und ſuchte den ganzen Tag, als aber der Tag zu Ende war, hatte er erſt hundert gefunden, und ward in einen Stein verwandelt. Am fol- genden Tag unternahm der zweite Bruder das Abentheuer; er ward aber wie der aͤlteſte zu Stein, weil er nicht mehr, als zweihundert ge- funden. Endlich kam auch an den Dummling die Reihe, der ſuchte im Moos, es war aber ſo ſchwer, die Perlen zu finden, und ging ſo langſam, da ſetzte er ſich auf einen Stein und weinte. Und wie er ſo ſaß kam der Ameiſen- koͤnig, den er einmal erhalten hatte mit fuͤnf- tauſend Ameiſen, und es waͤhrte gar nicht lang, ſo hatten die die Perlen miteinander gefunden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/332
Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/332>, abgerufen am 03.07.2024.