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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812.

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55.
Rumpelstilzchen.

Es war einmal ein Müller, der war arm,
aber er hatte eine schöne Tochter. Und es traf
sich, daß er mit dem König zu sprechen kam
und ihm sagte: "ich habe eine Tochter, die weiß
die Kunst, Stroh in Gold zu verwandeln."
Da ließ der König die Müllerstochter alsogleich
kommen, und befahl ihr, eine ganze Kammer
voll Stroh in einer Nacht in Gold zu ver-
wandeln, und könne sie es nicht, so müsse sie
sterben. Sie wurde in die Kammer eingesperrt,
saß da und weinte, denn sie wußte um ihr Le-
ben keinen Rath, wie das Stroh zu Gold
werden sollte. Da trat auf einmal ein klein
Männlein zu ihr, das sprach: "was giebst du
mir, daß ich alles zu Gold mache?" Sie that
ihr Halsband ab und gabs dem Männlein, und
es that, wie es versprochen hatte. Am andern
Morgen fand der König die ganze Kammer
voll Gold; aber sein Herz wurde dadurch nur
noch begieriger, und er ließ die Müllerstochter
in eine andere, noch größere Kammer voll Stroh
thun, das sollte sie auch zu Gold machen. Und
das Männlein kam wieder, sie gab ihm ihren
Ring von der Hand, und alles wurde wieder
zu Gold. Der König aber hieß sie die dritte

55.
Rumpelſtilzchen.

Es war einmal ein Muͤller, der war arm,
aber er hatte eine ſchoͤne Tochter. Und es traf
ſich, daß er mit dem Koͤnig zu ſprechen kam
und ihm ſagte: „ich habe eine Tochter, die weiß
die Kunſt, Stroh in Gold zu verwandeln.“
Da ließ der Koͤnig die Muͤllerstochter alſogleich
kommen, und befahl ihr, eine ganze Kammer
voll Stroh in einer Nacht in Gold zu ver-
wandeln, und koͤnne ſie es nicht, ſo muͤſſe ſie
ſterben. Sie wurde in die Kammer eingeſperrt,
ſaß da und weinte, denn ſie wußte um ihr Le-
ben keinen Rath, wie das Stroh zu Gold
werden ſollte. Da trat auf einmal ein klein
Maͤnnlein zu ihr, das ſprach: „was giebſt du
mir, daß ich alles zu Gold mache?“ Sie that
ihr Halsband ab und gabs dem Maͤnnlein, und
es that, wie es verſprochen hatte. Am andern
Morgen fand der Koͤnig die ganze Kammer
voll Gold; aber ſein Herz wurde dadurch nur
noch begieriger, und er ließ die Muͤllerstochter
in eine andere, noch groͤßere Kammer voll Stroh
thun, das ſollte ſie auch zu Gold machen. Und
das Maͤnnlein kam wieder, ſie gab ihm ihren
Ring von der Hand, und alles wurde wieder
zu Gold. Der Koͤnig aber hieß ſie die dritte

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[253/0287] 55. Rumpelſtilzchen. Es war einmal ein Muͤller, der war arm, aber er hatte eine ſchoͤne Tochter. Und es traf ſich, daß er mit dem Koͤnig zu ſprechen kam und ihm ſagte: „ich habe eine Tochter, die weiß die Kunſt, Stroh in Gold zu verwandeln.“ Da ließ der Koͤnig die Muͤllerstochter alſogleich kommen, und befahl ihr, eine ganze Kammer voll Stroh in einer Nacht in Gold zu ver- wandeln, und koͤnne ſie es nicht, ſo muͤſſe ſie ſterben. Sie wurde in die Kammer eingeſperrt, ſaß da und weinte, denn ſie wußte um ihr Le- ben keinen Rath, wie das Stroh zu Gold werden ſollte. Da trat auf einmal ein klein Maͤnnlein zu ihr, das ſprach: „was giebſt du mir, daß ich alles zu Gold mache?“ Sie that ihr Halsband ab und gabs dem Maͤnnlein, und es that, wie es verſprochen hatte. Am andern Morgen fand der Koͤnig die ganze Kammer voll Gold; aber ſein Herz wurde dadurch nur noch begieriger, und er ließ die Muͤllerstochter in eine andere, noch groͤßere Kammer voll Stroh thun, das ſollte ſie auch zu Gold machen. Und das Maͤnnlein kam wieder, ſie gab ihm ihren Ring von der Hand, und alles wurde wieder zu Gold. Der Koͤnig aber hieß ſie die dritte

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 253. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/287>, abgerufen am 22.11.2024.