ten Mädchens willen, werden wir den ganzen Tag geplagt," und gab ihm mit der Hand ei- nen Stumpf in den Rücken. Da fuhr ihm der garstige Apfelgrütz, den es abgebissen hatte, aus dem Hals, und da war Sneewittchen wie- der lebendig. Da ging es hin zu dem Prin- zen, der wußte gar nicht, was er vor Freuden thun sollte, als sein liebes Sneewittchen le- bendig war, und sie setzten sich zusammen an die Tafel und aßen in Freuden.
Auf den andern Tag ward die Hochzeit bestellt, und Sneewittchens gottlose Mutter, auch eingeladen. Wie sie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und sprach:
"Spieglein, Spieglein an der Wand: wer ist die schönste Frau in dem ganzen Land!"
da antwortete er:
"Frau Königin, Ihr seyd die schönste hier, aber die junge Königin ist tausendmal schöner als Ihr!"
Als sie das hörte, erschrack sie, und es war ihr so Angst, so Angst, daß sie es nicht sagen konnte. Doch trieb sie der Neid, daß sie auf der Hochzeit die junge Königin sehen wollte, und wie sie ankam, sah sie, daß es Sneewitt- chen war; da waren eiserne Pantoffeln im Feuer glühend gemacht, die mußte sie anziehen und darin tanzen, und ihre Füße wurden jämmer-
ten Maͤdchens willen, werden wir den ganzen Tag geplagt,“ und gab ihm mit der Hand ei- nen Stumpf in den Ruͤcken. Da fuhr ihm der garſtige Apfelgruͤtz, den es abgebiſſen hatte, aus dem Hals, und da war Sneewittchen wie- der lebendig. Da ging es hin zu dem Prin- zen, der wußte gar nicht, was er vor Freuden thun ſollte, als ſein liebes Sneewittchen le- bendig war, und ſie ſetzten ſich zuſammen an die Tafel und aßen in Freuden.
Auf den andern Tag ward die Hochzeit beſtellt, und Sneewittchens gottloſe Mutter, auch eingeladen. Wie ſie nun am Morgen vor dem Spiegel trat und ſprach:
„Spieglein, Spieglein an der Wand: wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land!“
da antwortete er:
„Frau Koͤnigin, Ihr ſeyd die ſchoͤnſte hier, aber die junge Koͤnigin iſt tauſendmal ſchoͤner als Ihr!“
Als ſie das hoͤrte, erſchrack ſie, und es war ihr ſo Angſt, ſo Angſt, daß ſie es nicht ſagen konnte. Doch trieb ſie der Neid, daß ſie auf der Hochzeit die junge Koͤnigin ſehen wollte, und wie ſie ankam, ſah ſie, daß es Sneewitt- chen war; da waren eiſerne Pantoffeln im Feuer gluͤhend gemacht, die mußte ſie anziehen und darin tanzen, und ihre Fuͤße wurden jaͤmmer-
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ten Maͤdchens willen, werden wir den ganzen
Tag geplagt,“ und gab ihm mit der Hand ei-
nen Stumpf in den Ruͤcken. Da fuhr ihm
der garſtige Apfelgruͤtz, den es abgebiſſen hatte,
aus dem Hals, und da war Sneewittchen wie-
der lebendig. Da ging es hin zu dem Prin-
zen, der wußte gar nicht, was er vor Freuden
thun ſollte, als ſein liebes Sneewittchen le-
bendig war, und ſie ſetzten ſich zuſammen an
die Tafel und aßen in Freuden.
Auf den andern Tag ward die Hochzeit
beſtellt, und Sneewittchens gottloſe Mutter,
auch eingeladen. Wie ſie nun am Morgen vor
dem Spiegel trat und ſprach:
„Spieglein, Spieglein an der Wand:
wer iſt die ſchoͤnſte Frau in dem ganzen Land!“
da antwortete er:
„Frau Koͤnigin, Ihr ſeyd die ſchoͤnſte hier,
aber die junge Koͤnigin iſt tauſendmal ſchoͤner
als Ihr!“
Als ſie das hoͤrte, erſchrack ſie, und es war ihr
ſo Angſt, ſo Angſt, daß ſie es nicht ſagen
konnte. Doch trieb ſie der Neid, daß ſie auf
der Hochzeit die junge Koͤnigin ſehen wollte,
und wie ſie ankam, ſah ſie, daß es Sneewitt-
chen war; da waren eiſerne Pantoffeln im Feuer
gluͤhend gemacht, die mußte ſie anziehen und
darin tanzen, und ihre Fuͤße wurden jaͤmmer-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 249. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/283>, abgerufen am 22.07.2024.
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