feingeschnitztem Dialog zusammenkräuselt (man sehe nur das Gespräch zwischen Riquet a la houpe und der dummen Prinzessin, so wie das Ende von petit poucet), wohl nichts schwerer, als naiv und gerad, das heißt in der That, nicht mit der Prätension darauf, Kindermärchen zu erzählen; außerdem sind sie manchmal unnöthig gedehnt und breit. Eine Analyse, die vor einer Ausgabe steht, sieht es so an, als habe Perrault sie zuerst erfunden, und von ihm (geb. 1633, gestor- ben 1703.) seyen sie zuerst unter das Volk gekommen; bei dem Däumling wird sogar eine absichtliche Nachahmung Homers be- hauptet, welche Kindern die Noth des Odys- seus beim Polyphem habe verständlich ma- chen wollen; eine bessere Ansicht hat Johan- neau. Reicher als alle anderen sind ältere italiänische Sammlungen, erstlich in den Nächten des Straparola, die manches gute enthalten, dann aber besonders im Penta- merone des Basile, einem in Italien eben so bekannten und beliebten, als in Deutschland seltenen und unbekannten, in neapolitanischen Dialect geschriebenen, und in jeder Hinsicht vortrefflichen Buch. Der Inhalt ist fast oh-
Kindermärchen. b
feingeſchnitztem Dialog zuſammenkraͤuſelt (man ſehe nur das Geſpraͤch zwiſchen Riquet à la houpe und der dummen Prinzeſſin, ſo wie das Ende von petit poucet), wohl nichts ſchwerer, als naiv und gerad, das heißt in der That, nicht mit der Praͤtenſion darauf, Kindermaͤrchen zu erzaͤhlen; außerdem ſind ſie manchmal unnoͤthig gedehnt und breit. Eine Analyſe, die vor einer Ausgabe ſteht, ſieht es ſo an, als habe Perrault ſie zuerſt erfunden, und von ihm (geb. 1633, geſtor- ben 1703.) ſeyen ſie zuerſt unter das Volk gekommen; bei dem Daͤumling wird ſogar eine abſichtliche Nachahmung Homers be- hauptet, welche Kindern die Noth des Odyſ- ſeus beim Polyphem habe verſtaͤndlich ma- chen wollen; eine beſſere Anſicht hat Johan- neau. Reicher als alle anderen ſind aͤltere italiaͤniſche Sammlungen, erſtlich in den Naͤchten des Straparola, die manches gute enthalten, dann aber beſonders im Penta- merone des Baſile, einem in Italien eben ſo bekannten und beliebten, als in Deutſchland ſeltenen und unbekannten, in neapolitaniſchen Dialect geſchriebenen, und in jeder Hinſicht vortrefflichen Buch. Der Inhalt iſt faſt oh-
Kindermärchen. b
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[XVII/0023]
feingeſchnitztem Dialog zuſammenkraͤuſelt (man
ſehe nur das Geſpraͤch zwiſchen Riquet à la
houpe und der dummen Prinzeſſin, ſo wie
das Ende von petit poucet), wohl nichts
ſchwerer, als naiv und gerad, das heißt in
der That, nicht mit der Praͤtenſion darauf,
Kindermaͤrchen zu erzaͤhlen; außerdem ſind
ſie manchmal unnoͤthig gedehnt und breit.
Eine Analyſe, die vor einer Ausgabe ſteht,
ſieht es ſo an, als habe Perrault ſie zuerſt
erfunden, und von ihm (geb. 1633, geſtor-
ben 1703.) ſeyen ſie zuerſt unter das Volk
gekommen; bei dem Daͤumling wird ſogar
eine abſichtliche Nachahmung Homers be-
hauptet, welche Kindern die Noth des Odyſ-
ſeus beim Polyphem habe verſtaͤndlich ma-
chen wollen; eine beſſere Anſicht hat Johan-
neau. Reicher als alle anderen ſind aͤltere
italiaͤniſche Sammlungen, erſtlich in den
Naͤchten des Straparola, die manches gute
enthalten, dann aber beſonders im Penta-
merone des Baſile, einem in Italien eben ſo
bekannten und beliebten, als in Deutſchland
ſeltenen und unbekannten, in neapolitaniſchen
Dialect geſchriebenen, und in jeder Hinſicht
vortrefflichen Buch. Der Inhalt iſt faſt oh-
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/23>, abgerufen am 22.11.2024.
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