zog am Morgen der Müllerspursch fort, und wußte nicht, daß er betrogen war. Als er heim kam zu seinem Vater, sagte er auch: "lebt lu- stig, ich hab das Eselein Bricklebrit und so viel Gold, als ihr wünscht. Da ließ der Vater wieder alle Verwandten einladen, ein großes weißes Tuch ward mitten in die Stube ausge- breitet, der Esel aus dem Stall geholt, und auf das Tuch gestellt. Der Müller sprach: "Brick- lebrit!" aber umsonst, es kam kein Ducaten zum Vorschein. Da sah er, daß er betrogen war, schämte sich und trieb sein Handwerk sich zu ernähren.
Der dritte Sohn war zu einem Drechsler gegangen, der schenkte ihm auf die Wander- schaft einen Sack mit einem Knüppel. So oft er sprach: "Knüppel, aus dem Sack!" so sprang der Knüppel heraus und tanzte unter den Leuten herum, und schlug sie erbärmlich. Der Drechsler aber hatte gehört, daß seine Brüder in einem Wirthshause ihre erworbene Schätze verloren hätten: also zog er in dassel- bige, sagte, daß seine Brüder ein Tischgen deck dich, und den Esel Bricklebrit bekommen, was er aber da in dem Sack mit sich führe, das sey noch köstlicher und noch viel mehr werth. Der Wirth war neugierig, meinte aller guten Dinge wären drei, und wollt sich in der Nacht den Schatz auch noch holen. Der Drechsler aber
zog am Morgen der Muͤllerspurſch fort, und wußte nicht, daß er betrogen war. Als er heim kam zu ſeinem Vater, ſagte er auch: „lebt lu- ſtig, ich hab das Eſelein Bricklebrit und ſo viel Gold, als ihr wuͤnſcht. Da ließ der Vater wieder alle Verwandten einladen, ein großes weißes Tuch ward mitten in die Stube ausge- breitet, der Eſel aus dem Stall geholt, und auf das Tuch geſtellt. Der Muͤller ſprach: „Brick- lebrit!“ aber umſonſt, es kam kein Ducaten zum Vorſchein. Da ſah er, daß er betrogen war, ſchaͤmte ſich und trieb ſein Handwerk ſich zu ernaͤhren.
Der dritte Sohn war zu einem Drechsler gegangen, der ſchenkte ihm auf die Wander- ſchaft einen Sack mit einem Knuͤppel. So oft er ſprach: „Knuͤppel, aus dem Sack!“ ſo ſprang der Knuͤppel heraus und tanzte unter den Leuten herum, und ſchlug ſie erbaͤrmlich. Der Drechsler aber hatte gehoͤrt, daß ſeine Bruͤder in einem Wirthshauſe ihre erworbene Schaͤtze verloren haͤtten: alſo zog er in daſſel- bige, ſagte, daß ſeine Bruͤder ein Tiſchgen deck dich, und den Eſel Bricklebrit bekommen, was er aber da in dem Sack mit ſich fuͤhre, das ſey noch koͤſtlicher und noch viel mehr werth. Der Wirth war neugierig, meinte aller guten Dinge waͤren drei, und wollt ſich in der Nacht den Schatz auch noch holen. Der Drechsler aber
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zog am Morgen der Muͤllerspurſch fort, und
wußte nicht, daß er betrogen war. Als er heim
kam zu ſeinem Vater, ſagte er auch: „lebt lu-
ſtig, ich hab das Eſelein Bricklebrit und ſo viel
Gold, als ihr wuͤnſcht. Da ließ der Vater
wieder alle Verwandten einladen, ein großes
weißes Tuch ward mitten in die Stube ausge-
breitet, der Eſel aus dem Stall geholt, und auf
das Tuch geſtellt. Der Muͤller ſprach: „Brick-
lebrit!“ aber umſonſt, es kam kein Ducaten
zum Vorſchein. Da ſah er, daß er betrogen
war, ſchaͤmte ſich und trieb ſein Handwerk ſich
zu ernaͤhren.
Der dritte Sohn war zu einem Drechsler
gegangen, der ſchenkte ihm auf die Wander-
ſchaft einen Sack mit einem Knuͤppel. So oft
er ſprach: „Knuͤppel, aus dem Sack!“ ſo
ſprang der Knuͤppel heraus und tanzte unter
den Leuten herum, und ſchlug ſie erbaͤrmlich.
Der Drechsler aber hatte gehoͤrt, daß ſeine
Bruͤder in einem Wirthshauſe ihre erworbene
Schaͤtze verloren haͤtten: alſo zog er in daſſel-
bige, ſagte, daß ſeine Bruͤder ein Tiſchgen deck
dich, und den Eſel Bricklebrit bekommen, was
er aber da in dem Sack mit ſich fuͤhre, das ſey
noch koͤſtlicher und noch viel mehr werth. Der
Wirth war neugierig, meinte aller guten Dinge
waͤren drei, und wollt ſich in der Nacht den
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Grimm, Jacob; Grimm, Wilhelm: Kinder- und Haus-Märchen. Bd. 1. Berlin, 1812, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_maerchen01_1812/200>, abgerufen am 25.11.2024.
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