nen, zu verbinden. Das goth. faskja (lat. fascia) kann mit fisks (piscis) nichts gemein haben. Manche sehr frühe aufgenommene wörter verbergen aber ihren ausländischen ursprung, wenige, wie screiben, preisen, haben sich ausnahmsweise starke conjugation errungen. Ueber einzelne bleibt die untersuchung zweifelhaft, so z. b. scheint das alth. weit (isatis) verglichen dem ags. vad, engl. woad echtdeutsch auch formell mit alth. weit, ags. veid (amplus) vereinbar, schwerer mit alth. witu, ags. vudu (lignum), alle bedeutungen sträuben sich, man müste denn weitein, das gewöhnlich durch caeru- leus (hrab. 956b) zuweilen durch aereus (doc. 243a) glossiert wird, dem begriffe raum, weite, luft verwandt erklären; woher aber das s, welches romanische for- men jenes wortes einschalten: guaisda, waisda, guesde, guastum? vgl. Bruns beitr. zum deutschen recht p. 386. --
Schlußbemerkungen.
1. Etymologie will die mannigfaltigkeit der gereiften sprache auf anfängliche einfachheit der formen und be- griffe zurückführen. Daß es hier um zweierlei zu thun sei, um den buchstaben und um den geist, haben leicht alle eingesehen. Das leibliche mit seinen stufen und far- ben reicht nimmer aus, die gänge und wege von sinn auf sinn, von gestalt auf gedanken zu deuten, denen sich die menschliche seele ergibt; dahingegen in dem meere der begriffe alle bedeutungen, wenn sie nicht durch die formen der sprache geordnet und festgehalten werden, fehl und irre schweifen. In der deutschen etymologie ist aber bisher das körperliche princip zur ungebühr ge- ring geschätzt worden; von einer groben einsicht in laut und formverhältnisse ausgehend hat man sich ihrer an- wendung auf den begriff unterfangen und viel zu frühe die vergleichung fremder verwandter sprachen hineinge- zogen. Unerkannt blieben die gemeßene färbung der vocale, die so tief eingreift, die genaue abstufung der consonantischen organe, die der untersuchung förderliche dialectische abweichung in beiden *). Vocale nach orien- talischer weise für gleichgültig angesehen, in den conso-
*) Ten Kate hat die ablaute zuerst in ihrer wichtigkeit her- vorgehoben, nur die vocalunterschiede nicht strenge genug, am wenigsten die der consonanten beobachtet.
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III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
nen, zu verbinden. Das goth. faſkja (lat. faſcia) kann mit fiſks (piſcis) nichts gemein haben. Manche ſehr frühe aufgenommene wörter verbergen aber ihren ausländiſchen urſprung, wenige, wie ſcrîben, prîſen, haben ſich ausnahmsweiſe ſtarke conjugation errungen. Ueber einzelne bleibt die unterſuchung zweifelhaft, ſo z. b. ſcheint das alth. weit (iſatis) verglichen dem agſ. vâd, engl. woad echtdeutſch auch formell mit alth. wît, agſ. vîd (amplus) vereinbar, ſchwerer mit alth. witu, agſ. vudu (lignum), alle bedeutungen ſträuben ſich, man müſte denn weitîn, das gewöhnlich durch caeru- leus (hrab. 956b) zuweilen durch aëreus (doc. 243a) gloſſiert wird, dem begriffe raum, weite, luft verwandt erklären; woher aber das ſ, welches romaniſche for- men jenes wortes einſchalten: guaiſda, waiſda, gueſde, guaſtum? vgl. Bruns beitr. zum deutſchen recht p. 386. —
Schlußbemerkungen.
1. Etymologie will die mannigfaltigkeit der gereiften ſprache auf anfängliche einfachheit der formen und be- griffe zurückführen. Daß es hier um zweierlei zu thun ſei, um den buchſtaben und um den geiſt, haben leicht alle eingeſehen. Das leibliche mit ſeinen ſtufen und far- ben reicht nimmer aus, die gänge und wege von ſinn auf ſinn, von geſtalt auf gedanken zu deuten, denen ſich die menſchliche ſeele ergibt; dahingegen in dem meere der begriffe alle bedeutungen, wenn ſie nicht durch die formen der ſprache geordnet und feſtgehalten werden, fehl und irre ſchweifen. In der deutſchen etymologie iſt aber bisher das körperliche princip zur ungebühr ge- ring geſchätzt worden; von einer groben einſicht in laut und formverhältniſſe ausgehend hat man ſich ihrer an- wendung auf den begriff unterfangen und viel zu frühe die vergleichung fremder verwandter ſprachen hineinge- zogen. Unerkannt blieben die gemeßene färbung der vocale, die ſo tief eingreift, die genaue abſtufung der conſonantiſchen organe, die der unterſuchung förderliche dialectiſche abweichung in beiden *). Vocale nach orien- taliſcher weiſe für gleichgültig angeſehen, in den conſo-
*) Ten Kate hat die ablaute zuerſt in ihrer wichtigkeit her- vorgehoben, nur die vocalunterſchiede nicht ſtrenge genug, am wenigſten die der conſonanten beobachtet.
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III. laut u. ablaut. ſchlußbemerkungen.
nen, zu verbinden. Das goth. faſkja (lat. faſcia) kann
mit fiſks (piſcis) nichts gemein haben. Manche ſehr
frühe aufgenommene wörter verbergen aber ihren
ausländiſchen urſprung, wenige, wie ſcrîben, prîſen,
haben ſich ausnahmsweiſe ſtarke conjugation errungen.
Ueber einzelne bleibt die unterſuchung zweifelhaft, ſo
z. b. ſcheint das alth. weit (iſatis) verglichen dem agſ.
vâd, engl. woad echtdeutſch auch formell mit alth. wît,
agſ. vîd (amplus) vereinbar, ſchwerer mit alth. witu,
agſ. vudu (lignum), alle bedeutungen ſträuben ſich,
man müſte denn weitîn, das gewöhnlich durch caeru-
leus (hrab. 956b) zuweilen durch aëreus (doc. 243a)
gloſſiert wird, dem begriffe raum, weite, luft verwandt
erklären; woher aber das ſ, welches romaniſche for-
men jenes wortes einſchalten: guaiſda, waiſda, gueſde,
guaſtum? vgl. Bruns beitr. zum deutſchen recht p. 386. —
Schlußbemerkungen.
1. Etymologie will die mannigfaltigkeit der gereiften
ſprache auf anfängliche einfachheit der formen und be-
griffe zurückführen. Daß es hier um zweierlei zu thun
ſei, um den buchſtaben und um den geiſt, haben leicht
alle eingeſehen. Das leibliche mit ſeinen ſtufen und far-
ben reicht nimmer aus, die gänge und wege von ſinn
auf ſinn, von geſtalt auf gedanken zu deuten, denen ſich
die menſchliche ſeele ergibt; dahingegen in dem meere
der begriffe alle bedeutungen, wenn ſie nicht durch die
formen der ſprache geordnet und feſtgehalten werden,
fehl und irre ſchweifen. In der deutſchen etymologie
iſt aber bisher das körperliche princip zur ungebühr ge-
ring geſchätzt worden; von einer groben einſicht in laut
und formverhältniſſe ausgehend hat man ſich ihrer an-
wendung auf den begriff unterfangen und viel zu frühe
die vergleichung fremder verwandter ſprachen hineinge-
zogen. Unerkannt blieben die gemeßene färbung der
vocale, die ſo tief eingreift, die genaue abſtufung der
conſonantiſchen organe, die der unterſuchung förderliche
dialectiſche abweichung in beiden *). Vocale nach orien-
taliſcher weiſe für gleichgültig angeſehen, in den conſo-
*) Ten Kate hat die ablaute zuerſt in ihrer wichtigkeit her-
vorgehoben, nur die vocalunterſchiede nicht ſtrenge genug, am
wenigſten die der conſonanten beobachtet.
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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/85>, abgerufen am 22.11.2024.
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