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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. partikelcomposition. -- part. mit nom.
lich jenen be- und ze-, welche sich hauptsächlich in com-
positis zeigen. Tonloses ahd. in, mhd. en, findet nur für
den fall der wirklichen praeposition statt, wo diese mit
dem von ihr regierten nomen zusammenwachsend ein
lebloses adv. bildet, z. b. ahd. in-bore (dat. sg. von bor,
cacumen) N. Boeth. 197, mhd. en-bor, nhd. em-por; ahd.
in-kakan, mhd. en-gegen, nhd. ent-gegen; und so mhd.
en-wec, en-wette, en-zeit etc. analog den ahd. pi-halpu,
zi-leipu. Solche vereinigungen der praep. und ihres casus
find keine wahre composition (s. 699. note.). 2) die par-
tikel in wird für den praepositionsgebrauch nie verlängert,
unähnlich dem ahd. pei, nhd. bei und nhd. zu. Als par-
tikel leidet sie allerdings verlängerung, deren erster be-
ginn unsicher auszumitteln ist. Das nhd. ein (intro) un-
terliegt keinem zweifel, ahd. ein läßt sich nicht beweisen,
(J. 387. steht die praep. und Rostg. liest in, nicht iin),
mhd. ein stehet im reim, z. b. troj. 23a 55c (die praep. ein:
schein Reinfr. a. w. 2, 91. mag ungenauer reim sein?) und
gleicht der verlängerung des drin (tribus) in drein oder
des -win der eigennamen eber-win, sige-win in eber-wein
MS. 2, 74a. b. nhd. eber-wein, balde-wein. Daß aber alle
mhd. dichter und namentlich bei der composition -ein für
in- gebrauchen, wo es nhd. ein- entspricht, bezweifle ich.
3) für das ahd. vermehrt sich die schwierigkeit noch
durch vergleichung des goth., welches seine praep. in
von dem adv. inn (intro) Matth. 9, 25. Marc. 5, 40. 16,
43. Luc. 1, 28. unterscheidet, in der composition aber ei-
nigemahl zwischen beiden formen schwankt. Dem ahd.
in (intro) scheint bloß durch den auslaut der consonant
vereinfacht (1, 122.), wie die daraus weiter entspringen-
den partikelformen inni, innana bestätigen, und dieses
in = inn widerstrebt der mhd. ein-form. 4) die ältesten
ags. denkmähler gebrauchen noch die praep. in (allmäh-
lig wird sie durch on = ahd. ana vertreten) und die part.
inn (intro) wofür jedoch in der zus. setzung meistens in-
gesetzt wird. 5) altn. wird ei (= in) nicht nur als praep.
sondern auch in der composition genau von inn (intro)
geschieden. -- Dies vorausgeschickt führe ich die mit der
partikel zusammengesetzten nomina an. Goth. in-keiltho
(praegnans); in-sahts (historia) Luc. 1, 1; in-vinds (inju-
stus). Ahd. in-chneht (apparitor) hrab. 951a mons. 326.
doc. 220b in-kneht (domigena) herrad. 183a; in-goumen
(lares) N. Cap. 142; in-heim oder in-heimi? (domicilium,
tabernaculum) O. I. 18, 47. V. 9, 39. N. 90, 10; in-huct
(conscientia) K. 28a; in-haus (penetrale) doc. 221a; in-kanc

III. partikelcompoſition. — part. mit nom.
lich jenen be- und ze-, welche ſich hauptſächlich in com-
poſitis zeigen. Tonloſes ahd. in, mhd. ën, findet nur für
den fall der wirklichen praepoſition ſtatt, wo dieſe mit
dem von ihr regierten nomen zuſammenwachſend ein
lebloſes adv. bildet, z. b. ahd. in-bore (dat. ſg. von bor,
cacumen) N. Boeth. 197, mhd. ën-bor, nhd. em-por; ahd.
in-kakan, mhd. ën-gegen, nhd. ent-gegen; und ſo mhd.
ën-wëc, ën-wette, ën-zît etc. analog den ahd. pi-halpu,
zi-leipu. Solche vereinigungen der praep. und ihres caſus
find keine wahre compoſition (ſ. 699. note.). 2) die par-
tikel in wird für den praepoſitionsgebrauch nie verlängert,
unähnlich dem ahd. pî, nhd. bei und nhd. zu. Als par-
tikel leidet ſie allerdings verlängerung, deren erſter be-
ginn unſicher auszumitteln iſt. Das nhd. ein (intro) un-
terliegt keinem zweifel, ahd. în läßt ſich nicht beweiſen,
(J. 387. ſteht die praep. und Roſtg. lieſt in, nicht iin),
mhd. în ſtehet im reim, z. b. troj. 23a 55c (die praep. în:
ſchîn Reinfr. a. w. 2, 91. mag ungenauer reim ſein?) und
gleicht der verlängerung des drin (tribus) in drîn oder
des -win der eigennamen ëber-win, ſige-win in ëber-wîn
MS. 2, 74a. b. nhd. eber-wein, balde-wein. Daß aber alle
mhd. dichter und namentlich bei der compoſition -în für
in- gebrauchen, wo es nhd. ein- entſpricht, bezweifle ich.
3) für das ahd. vermehrt ſich die ſchwierigkeit noch
durch vergleichung des goth., welches ſeine praep. ïn
von dem adv. ïnn (intro) Matth. 9, 25. Marc. 5, 40. 16,
43. Luc. 1, 28. unterſcheidet, in der compoſition aber ei-
nigemahl zwiſchen beiden formen ſchwankt. Dem ahd.
in (intro) ſcheint bloß durch den auslaut der conſonant
vereinfacht (1, 122.), wie die daraus weiter entſpringen-
den partikelformen inni, innana beſtätigen, und dieſes
in = inn widerſtrebt der mhd. în-form. 4) die älteſten
agſ. denkmähler gebrauchen noch die praep. in (allmäh-
lig wird ſie durch on = ahd. ana vertreten) und die part.
inn (intro) wofür jedoch in der zuſ. ſetzung meiſtens in-
geſetzt wird. 5) altn. wird î (= in) nicht nur als praep.
ſondern auch in der compoſition genau von inn (intro)
geſchieden. — Dies vorausgeſchickt führe ich die mit der
partikel zuſammengeſetzten nomina an. Goth. in-kîlþô
(praegnans); ïn-ſahts (hiſtoria) Luc. 1, 1; ïn-vinds (inju-
ſtus). Ahd. in-chnëht (apparitor) hrab. 951a monſ. 326.
doc. 220b in-knëht (domigena) herrad. 183a; in-goumen
(lares) N. Cap. 142; in-heim oder in-heimi? (domicilium,
tabernaculum) O. I. 18, 47. V. 9, 39. N. 90, 10; in-huct
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[759/0777] III. partikelcompoſition. — part. mit nom. lich jenen be- und ze-, welche ſich hauptſächlich in com- poſitis zeigen. Tonloſes ahd. in, mhd. ën, findet nur für den fall der wirklichen praepoſition ſtatt, wo dieſe mit dem von ihr regierten nomen zuſammenwachſend ein lebloſes adv. bildet, z. b. ahd. in-bore (dat. ſg. von bor, cacumen) N. Boeth. 197, mhd. ën-bor, nhd. em-por; ahd. in-kakan, mhd. ën-gegen, nhd. ent-gegen; und ſo mhd. ën-wëc, ën-wette, ën-zît etc. analog den ahd. pi-halpu, zi-leipu. Solche vereinigungen der praep. und ihres caſus find keine wahre compoſition (ſ. 699. note.). 2) die par- tikel in wird für den praepoſitionsgebrauch nie verlängert, unähnlich dem ahd. pî, nhd. bei und nhd. zu. Als par- tikel leidet ſie allerdings verlängerung, deren erſter be- ginn unſicher auszumitteln iſt. Das nhd. ein (intro) un- terliegt keinem zweifel, ahd. în läßt ſich nicht beweiſen, (J. 387. ſteht die praep. und Roſtg. lieſt in, nicht iin), mhd. în ſtehet im reim, z. b. troj. 23a 55c (die praep. în: ſchîn Reinfr. a. w. 2, 91. mag ungenauer reim ſein?) und gleicht der verlängerung des drin (tribus) in drîn oder des -win der eigennamen ëber-win, ſige-win in ëber-wîn MS. 2, 74a. b. nhd. eber-wein, balde-wein. Daß aber alle mhd. dichter und namentlich bei der compoſition -în für in- gebrauchen, wo es nhd. ein- entſpricht, bezweifle ich. 3) für das ahd. vermehrt ſich die ſchwierigkeit noch durch vergleichung des goth., welches ſeine praep. ïn von dem adv. ïnn (intro) Matth. 9, 25. Marc. 5, 40. 16, 43. Luc. 1, 28. unterſcheidet, in der compoſition aber ei- nigemahl zwiſchen beiden formen ſchwankt. Dem ahd. in (intro) ſcheint bloß durch den auslaut der conſonant vereinfacht (1, 122.), wie die daraus weiter entſpringen- den partikelformen inni, innana beſtätigen, und dieſes in = inn widerſtrebt der mhd. în-form. 4) die älteſten agſ. denkmähler gebrauchen noch die praep. in (allmäh- lig wird ſie durch on = ahd. ana vertreten) und die part. inn (intro) wofür jedoch in der zuſ. ſetzung meiſtens in- geſetzt wird. 5) altn. wird î (= in) nicht nur als praep. ſondern auch in der compoſition genau von inn (intro) geſchieden. — Dies vorausgeſchickt führe ich die mit der partikel zuſammengeſetzten nomina an. Goth. in-kîlþô (praegnans); ïn-ſahts (hiſtoria) Luc. 1, 1; ïn-vinds (inju- ſtus). Ahd. in-chnëht (apparitor) hrab. 951a monſ. 326. doc. 220b in-knëht (domigena) herrad. 183a; in-goumen (lares) N. Cap. 142; in-heim oder in-heimi? (domicilium, tabernaculum) O. I. 18, 47. V. 9, 39. N. 90, 10; in-huct (conſcientia) K. 28a; in-hûs (penetrale) doc. 221a; in-kanc

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 759. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/777>, abgerufen am 16.07.2024.