andere wörter. Daher die freie bedeutung verbaler zu- sammensetzungen.
b) aus der participialen und infinitivischen kann umge- kehrt die verbalflexion nicht wegbleiben, da part. und inf. als nomina betrachtet, ihren verbalbestandtheil in sich ver- härten und er dadurch jedem andern derivationsmittel gleichkommt. Daher, wie noch künftige untersuchungen auszumitteln haben, adjectiva der ableitung -an (s. 164. 165.) veraltete starke part. praet. sein mögen. Die zus. setzung mit part. und inf. ist also im grund nominal und wie andere nominale zu beurtheilen, hat auch, wenn sie nicht uneigentlich ist, jede nominalflexion wegzuwerfen.
c) gleichwohl führt die im part. und inf. nie ganz erloschne verbale natur und bedeutung berührungen mit der rein verbalen composition herbei. Diese bildun- gen scheinen sich gegenseitig zu verdrängen und aufzu- reiben, bis endlich in den späteren überresten die sichere spur ihres individuellen ursprungs ausgeht. Ohne die ahd. sprache wüsten wir nicht einmahl bestimmt, daß es vier- erlei formen gebe 1) dola-leih (passibilis) 2) dolent-leih (to- lerandus) 3) kidolet-leih? 4) dolen-leih (luctuosus). Die bedeutungen streifen aneinander und verschwimmen, die sprache genügt sich bald an einer dieser formen für jede bedeutung. Für keine einzelne zusammensetzung laßen sich alle formen nachweisen und kidoletleih im beispiel ist bloß gefolgert aus errahhotleih; furistantleih und farstan- tantleih, beide in K., glossieren beide das lat. intelligibilis. Im ags. schwanken -endlic und -edlic (acvencendlic, ac- vencedlic, avendendleic, avendedlic) ohne unterschied der bedeutung; im ahd. picher-lih (versatilis) archeranleih (flexi- bilis) muß die verschiedenheit der partikel angeschlagen werden. Die comp. mit dem part. praet. sollte mehr das geschehene, bewirkte, die mit dem part. praes. und inf. das geschehende, z. b. erkennenlich (noscibilis) erkantlih (notus), doch das nhd. erkentlich bedeutet offenbar nosci- bilis). Es kommt auf sammlung von alten beispielen aus lebendigem zusammenhang, nicht aus bloßen glossen an.
d) reinverbale composition überhaupt zu leugnen und aus participialer oder infinitivischer durch ausfall der flexion zu deuten, obgleich diese deutung in einzelnen fällen richtig sein kann, scheint unstatthaft. Theils be- weisen die verbalcomponierten subst. (s. 680.) auch für adj., theils wäre das i im mhd. genislich aus inf. und
III. verbale compoſition. anmerkungen.
andere wörter. Daher die freie bedeutung verbaler zu- ſammenſetzungen.
b) aus der participialen und infinitiviſchen kann umge- kehrt die verbalflexion nicht wegbleiben, da part. und inf. als nomina betrachtet, ihren verbalbeſtandtheil in ſich ver- härten und er dadurch jedem andern derivationsmittel gleichkommt. Daher, wie noch künftige unterſuchungen auszumitteln haben, adjectiva der ableitung -an (ſ. 164. 165.) veraltete ſtarke part. praet. ſein mögen. Die zuſ. ſetzung mit part. und inf. iſt alſo im grund nominal und wie andere nominale zu beurtheilen, hat auch, wenn ſie nicht uneigentlich iſt, jede nominalflexion wegzuwerfen.
c) gleichwohl führt die im part. und inf. nie ganz erloſchne verbale natur und bedeutung berührungen mit der rein verbalen compoſition herbei. Dieſe bildun- gen ſcheinen ſich gegenſeitig zu verdrängen und aufzu- reiben, bis endlich in den ſpäteren überreſten die ſichere ſpur ihres individuellen urſprungs ausgeht. Ohne die ahd. ſprache wüſten wir nicht einmahl beſtimmt, daß es vier- erlei formen gebe 1) dola-lîh (paſſibilis) 2) dolênt-lîh (to- lerandus) 3) kidolêt-lîh? 4) dolên-lîh (luctuoſus). Die bedeutungen ſtreifen aneinander und verſchwimmen, die ſprache genügt ſich bald an einer dieſer formen für jede bedeutung. Für keine einzelne zuſammenſetzung laßen ſich alle formen nachweiſen und kidolêtlîh im beiſpiel iſt bloß gefolgert aus errahhôtlîh; furiſtantlîh und farſtan- tantlîh, beide in K., gloſſieren beide das lat. intelligibilis. Im agſ. ſchwanken -endlic und -edlic (âcvencendlic, ac- vencedlic, âvendendlîc, âvendedlic) ohne unterſchied der bedeutung; im ahd. pichêr-lih (verſatilis) archêranlîh (flexi- bilis) muß die verſchiedenheit der partikel angeſchlagen werden. Die comp. mit dem part. praet. ſollte mehr das geſchehene, bewirkte, die mit dem part. praeſ. und inf. das geſchehende, z. b. erkennenlich (noſcibilis) erkantlih (notus), doch das nhd. erkentlich bedeutet offenbar noſci- bilis). Es kommt auf ſammlung von alten beiſpielen aus lebendigem zuſammenhang, nicht aus bloßen gloſſen an.
d) reinverbale compoſition überhaupt zu leugnen und aus participialer oder infinitiviſcher durch ausfall der flexion zu deuten, obgleich dieſe deutung in einzelnen fällen richtig ſein kann, ſcheint unſtatthaft. Theils be- weiſen die verbalcomponierten ſubſt. (ſ. 680.) auch für adj., theils wäre das i im mhd. genislich aus inf. und
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0714"n="696"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">III. <hirendition="#i">verbale compoſition. anmerkungen.</hi></hi></fw><lb/>
andere wörter. Daher die freie bedeutung verbaler zu-<lb/>ſammenſetzungen.</p><lb/><p>b) aus der participialen und infinitiviſchen kann umge-<lb/>
kehrt die verbalflexion nicht wegbleiben, da part. und inf.<lb/>
als nomina betrachtet, ihren verbalbeſtandtheil in ſich ver-<lb/>
härten und er dadurch jedem andern derivationsmittel<lb/>
gleichkommt. Daher, wie noch künftige unterſuchungen<lb/>
auszumitteln haben, adjectiva der ableitung -an (ſ. 164.<lb/>
165.) veraltete ſtarke part. praet. ſein mögen. Die zuſ.<lb/>ſetzung mit part. und inf. iſt alſo im grund nominal und<lb/>
wie andere nominale zu beurtheilen, hat auch, wenn ſie<lb/>
nicht uneigentlich iſt, jede nominalflexion wegzuwerfen.</p><lb/><p>c) gleichwohl führt die im part. und inf. nie ganz<lb/>
erloſchne verbale natur und bedeutung berührungen mit<lb/>
der rein verbalen compoſition herbei. Dieſe bildun-<lb/>
gen ſcheinen ſich gegenſeitig zu verdrängen und aufzu-<lb/>
reiben, bis endlich in den ſpäteren überreſten die ſichere<lb/>ſpur ihres individuellen urſprungs ausgeht. Ohne die ahd.<lb/>ſprache wüſten wir nicht einmahl beſtimmt, daß es vier-<lb/>
erlei formen gebe 1) dola-lîh (paſſibilis) 2) dolênt-lîh (to-<lb/>
lerandus) 3) kidolêt-lîh? 4) dolên-lîh (luctuoſus). Die<lb/>
bedeutungen ſtreifen aneinander und verſchwimmen, die<lb/>ſprache genügt ſich bald an einer dieſer formen für jede<lb/>
bedeutung. Für keine einzelne zuſammenſetzung laßen<lb/>ſich alle formen nachweiſen und kidolêtlîh im beiſpiel iſt<lb/>
bloß gefolgert aus errahhôtlîh; furiſtantlîh und farſtan-<lb/>
tantlîh, beide in K., gloſſieren beide das lat. intelligibilis.<lb/>
Im agſ. ſchwanken -endlic und -edlic (âcvencendlic, ac-<lb/>
vencedlic, âvendendlîc, âvendedlic) ohne unterſchied der<lb/>
bedeutung; im ahd. pichêr-lih (verſatilis) archêranlîh (flexi-<lb/>
bilis) muß die verſchiedenheit der partikel angeſchlagen<lb/>
werden. Die comp. mit dem part. praet. ſollte mehr das<lb/>
geſchehene, bewirkte, die mit dem part. praeſ. und inf.<lb/>
das geſchehende, z. b. erkennenlich (noſcibilis) erkantlih<lb/>
(notus), doch das nhd. erkentlich bedeutet offenbar noſci-<lb/>
bilis). Es kommt auf ſammlung von alten beiſpielen aus<lb/>
lebendigem zuſammenhang, nicht aus bloßen gloſſen an.</p><lb/><p>d) reinverbale compoſition überhaupt zu leugnen und<lb/>
aus participialer oder infinitiviſcher durch ausfall der<lb/>
flexion zu deuten, obgleich dieſe deutung in einzelnen<lb/>
fällen richtig ſein kann, ſcheint unſtatthaft. Theils be-<lb/>
weiſen die verbalcomponierten ſubſt. (ſ. 680.) auch für<lb/>
adj., theils wäre das i im mhd. genislich aus inf. und<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[696/0714]
III. verbale compoſition. anmerkungen.
andere wörter. Daher die freie bedeutung verbaler zu-
ſammenſetzungen.
b) aus der participialen und infinitiviſchen kann umge-
kehrt die verbalflexion nicht wegbleiben, da part. und inf.
als nomina betrachtet, ihren verbalbeſtandtheil in ſich ver-
härten und er dadurch jedem andern derivationsmittel
gleichkommt. Daher, wie noch künftige unterſuchungen
auszumitteln haben, adjectiva der ableitung -an (ſ. 164.
165.) veraltete ſtarke part. praet. ſein mögen. Die zuſ.
ſetzung mit part. und inf. iſt alſo im grund nominal und
wie andere nominale zu beurtheilen, hat auch, wenn ſie
nicht uneigentlich iſt, jede nominalflexion wegzuwerfen.
c) gleichwohl führt die im part. und inf. nie ganz
erloſchne verbale natur und bedeutung berührungen mit
der rein verbalen compoſition herbei. Dieſe bildun-
gen ſcheinen ſich gegenſeitig zu verdrängen und aufzu-
reiben, bis endlich in den ſpäteren überreſten die ſichere
ſpur ihres individuellen urſprungs ausgeht. Ohne die ahd.
ſprache wüſten wir nicht einmahl beſtimmt, daß es vier-
erlei formen gebe 1) dola-lîh (paſſibilis) 2) dolênt-lîh (to-
lerandus) 3) kidolêt-lîh? 4) dolên-lîh (luctuoſus). Die
bedeutungen ſtreifen aneinander und verſchwimmen, die
ſprache genügt ſich bald an einer dieſer formen für jede
bedeutung. Für keine einzelne zuſammenſetzung laßen
ſich alle formen nachweiſen und kidolêtlîh im beiſpiel iſt
bloß gefolgert aus errahhôtlîh; furiſtantlîh und farſtan-
tantlîh, beide in K., gloſſieren beide das lat. intelligibilis.
Im agſ. ſchwanken -endlic und -edlic (âcvencendlic, ac-
vencedlic, âvendendlîc, âvendedlic) ohne unterſchied der
bedeutung; im ahd. pichêr-lih (verſatilis) archêranlîh (flexi-
bilis) muß die verſchiedenheit der partikel angeſchlagen
werden. Die comp. mit dem part. praet. ſollte mehr das
geſchehene, bewirkte, die mit dem part. praeſ. und inf.
das geſchehende, z. b. erkennenlich (noſcibilis) erkantlih
(notus), doch das nhd. erkentlich bedeutet offenbar noſci-
bilis). Es kommt auf ſammlung von alten beiſpielen aus
lebendigem zuſammenhang, nicht aus bloßen gloſſen an.
d) reinverbale compoſition überhaupt zu leugnen und
aus participialer oder infinitiviſcher durch ausfall der
flexion zu deuten, obgleich dieſe deutung in einzelnen
fällen richtig ſein kann, ſcheint unſtatthaft. Theils be-
weiſen die verbalcomponierten ſubſt. (ſ. 680.) auch für
adj., theils wäre das i im mhd. genislich aus inf. und
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 696. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/714>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.