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Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826.

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III. subst. uneig. comp. -- subst. mit adj. gen.
tus) hugganar-samr (consolatorius); beispiele von-ligr s. 568,
ich finde auch im schwed. barns-lig (puerilis) traels-lig (ser-
vilis), nicht im dän. (wo barnagtig, traelagtig). -- Mhd. halte
ich den losen gen. für richtiger: tages alt MS. 2, 256b kin-
deshaft Flore 5b lasters arm Parc. 140b flafes bar Wh.
2, 32a vröuden bar Ben. 187. alters blanc Wh. 2, 120a
minnen blint Trist. 15190. zornes draete Parc. 37b lobes
hel Parc. 133c ellens reiche Parc. 13c lobes reiche Parc. 39a
streites sat Parc. 86c liutes vol Gudr. 58b waßers vol
Wh. 2, 85a armuotes vrei Wh. 2, 57a erbes vrei MS. 2,
64a ougen vrei MS. 1, 25a etc. oft steht auch noch ein zu
dem gen. gehörender artikel voraus. Wäre wirkliche
composition eingetreten, so hätten sich die wörter ins
nhd. häufiger fortgepflanzt. In wenigen mhd. fällen
mag man wohl comp. annehmen, z. b. in gotes-arm
(s. 556.) wo aber das zweite wort beinahe substantivisch
steht. -- Die nhd. sprache setzt den gen. dem adj., wo-
von er abhängt, nicht ohne begleitung eines artikels oder
andern adj. voraus, z. b. des todes schuldig, des weges
kundig, des geldes froh, nicht: todes sch. weges k. gel-
des fr.; alles dankes werth, heiliges geistes voll, nicht:
dankes werth, geistes voll. Uneigentlicher comp., die aus
dem freien (vom pronomen unbegleiteten) gen. erwach-
sen wären, besitzen wir wenige, z. b. kein tags-alt, lobs-
reich, waßers-voll; wohl aber: geistes-arm, gottes-warm.
Mit den meßenden adj. breit, dick, lang, hoch, tief, weit
binden sich einige genitive, namentlich: daumens, fingers,
spannen, meilen, z. b. daumens-dick, fingers-lang, span-
nen-breit, meilen-weit; man hört auch noch in hände-
breit den alten gen. Außerdem scheinen einige andere,
namentlich ausdrucks-voll, freuden-voll, sorgen-frei, in-
halts-leer, untadelhaft insofern ihrem zweiten wort leben-
dige bedeutung verblieben ist; den gen. vor -mäßig habe
ich s. 571. getadelt; gottes-fürchtig ist bloße ableitung von
gottes-furcht, dagegen gott-fürchtig, das noch Luther hat,
eigentl. componiert (goth. guda-faurhts).

II. dativische composition? Den dativ regieren ver-
schiedne adj. und er kann ihnen zuweilen unmittelbar
vorausstehen, vgl. goth. anstai audahafta (kekharitomene,
näher: gratia dives) Luc. 1, 28; ahd. miliche geleih (lacti
similis) N. Cap. 164, in welchen fällen niemand compo-
sition behaupten wird. Im alts. und ags. sind solche da-
tive ungleich häufiger, z. b. alts. wundon siok (vulneri-
bus confectus); ags. cystum cud. Beov. 67. gudum cud
Beov. 163. ecgum dyhtig Beov. 98. 118. daedum fah (vir-

III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit adj. gen.
tus) hugganar-ſamr (conſolatorius); beiſpiele von-ligr ſ. 568,
ich finde auch im ſchwed. barns-lig (puerilis) træls-lig (ſer-
vilis), nicht im dän. (wo barnagtig, trælagtig). — Mhd. halte
ich den loſen gen. für richtiger: tages alt MS. 2, 256b kin-
deshaft Flore 5b laſters arm Parc. 140b flâfes bar Wh.
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Wh. 2, 85a armuotes vrî Wh. 2, 57a erbes vrî MS. 2,
64a ougen vrî MS. 1, 25a etc. oft ſteht auch noch ein zu
dem gen. gehörender artikel voraus. Wäre wirkliche
compoſition eingetreten, ſo hätten ſich die wörter ins
nhd. häufiger fortgepflanzt. In wenigen mhd. fällen
mag man wohl comp. annehmen, z. b. in gotes-arm
(ſ. 556.) wo aber das zweite wort beinahe ſubſtantiviſch
ſteht. — Die nhd. ſprache ſetzt den gen. dem adj., wo-
von er abhängt, nicht ohne begleitung eines artikels oder
andern adj. voraus, z. b. des todes ſchuldig, des weges
kundig, des geldes froh, nicht: todes ſch. weges k. gel-
des fr.; alles dankes werth, heiliges geiſtes voll, nicht:
dankes werth, geiſtes voll. Uneigentlicher comp., die aus
dem freien (vom pronomen unbegleiteten) gen. erwach-
ſën wären, beſitzen wir wenige, z. b. kein tags-alt, lobs-
reich, waßers-voll; wohl aber: geiſtes-arm, gottes-warm.
Mit den meßenden adj. breit, dick, lang, hoch, tief, weit
binden ſich einige genitive, namentlich: daumens, fingers,
ſpannen, meilen, z. b. daumens-dick, fingers-lang, ſpan-
nen-breit, meilen-weit; man hört auch noch in hände-
breit den alten gen. Außerdem ſcheinen einige andere,
namentlich ausdrucks-voll, freuden-voll, ſorgen-frei, in-
halts-leer, untadelhaft inſofern ihrem zweiten wort leben-
dige bedeutung verblieben iſt; den gen. vor -mäßig habe
ich ſ. 571. getadelt; gottes-fürchtig iſt bloße ableitung von
gottes-furcht, dagegen gott-fürchtig, das noch Luther hat,
eigentl. componiert (goth. guda-faúrhts).

II. dativiſche compoſition? Den dativ regieren ver-
ſchiedne adj. und er kann ihnen zuweilen unmittelbar
vorausſtehen, vgl. goth. anſtái áudahafta (κεχαριτωμένη,
näher: gratiâ dives) Luc. 1, 28; ahd. miliche gelîh (lacti
ſimilis) N. Cap. 164, in welchen fällen niemand compo-
ſition behaupten wird. Im altſ. und agſ. ſind ſolche da-
tive ungleich häufiger, z. b. altſ. wundon ſiok (vulneri-
bus confectus); agſ. cyſtum cuð. Beov. 67. gudum cuð
Beov. 163. ecgum dyhtig Beov. 98. 118. dædum fâh (vir-

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[621/0639] III. ſubſt. uneig. comp. — ſubſt. mit adj. gen. tus) hugganar-ſamr (conſolatorius); beiſpiele von-ligr ſ. 568, ich finde auch im ſchwed. barns-lig (puerilis) træls-lig (ſer- vilis), nicht im dän. (wo barnagtig, trælagtig). — Mhd. halte ich den loſen gen. für richtiger: tages alt MS. 2, 256b kin- deshaft Flore 5b laſters arm Parc. 140b flâfes bar Wh. 2, 32a vröuden bar Ben. 187. alters blanc Wh. 2, 120a minnen blint Triſt. 15190. zornes dræte Parc. 37b lobes hël Parc. 133c ellens rîche Parc. 13c lobes rîche Parc. 39a ſtrîtes ſat Parc. 86c liutes vol Gudr. 58b waƷƷers vol Wh. 2, 85a armuotes vrî Wh. 2, 57a erbes vrî MS. 2, 64a ougen vrî MS. 1, 25a etc. oft ſteht auch noch ein zu dem gen. gehörender artikel voraus. Wäre wirkliche compoſition eingetreten, ſo hätten ſich die wörter ins nhd. häufiger fortgepflanzt. In wenigen mhd. fällen mag man wohl comp. annehmen, z. b. in gotes-arm (ſ. 556.) wo aber das zweite wort beinahe ſubſtantiviſch ſteht. — Die nhd. ſprache ſetzt den gen. dem adj., wo- von er abhängt, nicht ohne begleitung eines artikels oder andern adj. voraus, z. b. des todes ſchuldig, des weges kundig, des geldes froh, nicht: todes ſch. weges k. gel- des fr.; alles dankes werth, heiliges geiſtes voll, nicht: dankes werth, geiſtes voll. Uneigentlicher comp., die aus dem freien (vom pronomen unbegleiteten) gen. erwach- ſën wären, beſitzen wir wenige, z. b. kein tags-alt, lobs- reich, waßers-voll; wohl aber: geiſtes-arm, gottes-warm. Mit den meßenden adj. breit, dick, lang, hoch, tief, weit binden ſich einige genitive, namentlich: daumens, fingers, ſpannen, meilen, z. b. daumens-dick, fingers-lang, ſpan- nen-breit, meilen-weit; man hört auch noch in hände- breit den alten gen. Außerdem ſcheinen einige andere, namentlich ausdrucks-voll, freuden-voll, ſorgen-frei, in- halts-leer, untadelhaft inſofern ihrem zweiten wort leben- dige bedeutung verblieben iſt; den gen. vor -mäßig habe ich ſ. 571. getadelt; gottes-fürchtig iſt bloße ableitung von gottes-furcht, dagegen gott-fürchtig, das noch Luther hat, eigentl. componiert (goth. guda-faúrhts). II. dativiſche compoſition? Den dativ regieren ver- ſchiedne adj. und er kann ihnen zuweilen unmittelbar vorausſtehen, vgl. goth. anſtái áudahafta (κεχαριτωμένη, näher: gratiâ dives) Luc. 1, 28; ahd. miliche gelîh (lacti ſimilis) N. Cap. 164, in welchen fällen niemand compo- ſition behaupten wird. Im altſ. und agſ. ſind ſolche da- tive ungleich häufiger, z. b. altſ. wundon ſiok (vulneri- bus confectus); agſ. cyſtum cuð. Beov. 67. gudum cuð Beov. 163. ecgum dyhtig Beov. 98. 118. dædum fâh (vir-

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Zitationshilfe: Grimm, Jacob: Deutsche Grammatik. Bd. 2. Göttingen, 1826, S. 621. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grimm_grammatik02_1826/639>, abgerufen am 22.11.2024.